Porträt:Stets zu Diensten

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Randständig: Das Moderatorenduo Thore Schölermann (links) und Lena Gercke (rechts) mit den Juroren der aktuellen Staffel von The Voice of Germany. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Thore Schölermann moderiert zum sechsten Mal "The Voice of Germany". Zu seinem Jobprofil gehört es, wenig aufzufallen. Ohne Kumpeltypen wie ihn könnten andere im Privatfernsehen nicht glänzen.

Von David Denk

Politik spielt in der Welt des Pro-Sieben-Magazins Taff eine stark untergeordnete Rolle, verträgt sich dieses Themenfeld doch nur begrenzt mit dem Sendungsmotto "Life. Style. Smile". Und auch Taff-Moderator Thore Schölermann gehört eher nicht zu denjenigen, die auf Schritt und Tritt politische Debatten anstoßen, aber am 12. September hatte er in der Sendung eine so spontane wie folgenreiche Idee. Zum Schluss sagte er: "Leute, geht wählen! Nur nicht die AfD."

Oha, da war vielleicht was los.

"Diese Verabschiedung schlägt hohe Wellen in der heißen Wahlkampfphase", dichtete Bild und berichtete von Ermittlungen der Medienaufsicht "wegen Anti-AfD-Spruch". Doch statt für Haltung belobigt zu werden, wurde Schölermann angepöbelt und vom Sender gerügt, weil er nicht neutral geblieben sei. Und was macht Schölermann im Auge des Shitstorms? Entschuldigt sich bei Facebook "in meiner Funktion als Moderator" - und legt nach: "Als Thore und privat sage ich das ganz, ganz laut."Das Video wurde mehr als 1,5 Millionen Mal angeklickt.

Nüchtern könnte man festhalten: Schölermann ist aus der Rolle gefallen - und hat damit ungeahnte Aufmerksamkeit geerntet. Zur Gewohnheit werden sollte es in seinem eigenen Interesse aber besser nicht. Das ist nicht sein Metier.

Von diesem Donnerstag an moderiert Thore Schölermann, 33, wieder die Castingshow The Voice of Germany bei Pro Sieben und Sat 1. Die hat sich etabliert als das sympathischste solcher Formate, frei von Bohlereien - und Schölermann als Kumpeltyp, der den Angehörigen der Kandidaten backstage das Händchen hält. Er sieht gut aus, aber nicht zu sehr, ist smart, aber kein Überflieger. Im Studiopublikum würde Schölermann nicht herausstechen. So mag das Privatfernsehen seine Moderatoren.

Es ist bereits Schölermanns sechste Staffel, also macht er offenbar Vieles richtig, obwohl er es streng genommen nicht richtig gut macht: Schölermann ist ein eher ungelenker Moderator - aber eben auch einer, der nicht auftrumpft. Ein Dienstleister. "Bei The Voice ist meine Aufgabe ganz klar, nicht der Mittelpunkt der Sendung zu sein", sagt Schölermann beim Interview in einem Münchner Café, zu dem er zehn Minuten vor der verabredeten Zeit erscheint. "Die Stars sind die Talente und die prominenten Coaches." Schölermann scheint nicht darunter zu leiden, wirkt zufrieden.

Natürlich repräsentiere er die Sendung, sagt er, aber auch die Interessen der im TV unerfahrenen Kandidaten, denen er sich ebenso verpflichtet fühlt. "Mein Job als Moderator beinhaltet, manchmal nicht der Moderator zu sein, sondern den Kandidaten die Gewissheit zu geben, dass ihnen ein Freund zur Seite steht." Schölermann ist reflektiert genug, um zu wissen, dass auch das zu seiner Rolle gehört. Naiv ist er nicht, dafür macht er den Job schon zu lange. Doch entscheidend sei für ihn nun mal, "dass ich den Leuten, mit denen ich arbeite, nach dem Dreh noch in die Augen gucken kann." Allerdings vermittelt er den Kandidaten auch, dass es im Geschäft mit der Musik um Show geht und sie die Bereitschaft mitbringen sollten, über ihre Songs hinaus zu performen.

Schölermann hatte offenkundig nie ein Problem mit Selbstdarstellung. Zu Hause im Sauerland war der Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin Klassenclown und Schülersprecher, bevor er sich nach Abitur und Bundeswehr gegen eine Ausbildung zum Forstwirt und für eine private Schauspielschule auf Mallorca entschied. "An deutschen Schulen musst du tanzen, singen, fechten", sagt er, "und ich wollte nicht tanzen, singen, fechten, sondern Filmschauspieler werden." Nach neun Monaten brach er ab und ließ sich 2006 für die Seifenoper Verbotene Liebe casten, 2012 gab er seine Rolle für The Voice of Germany auf. Sollte er die Schauspielerei vermissen, lässt er sich das nicht anmerken. Weder seine Motivation für den einen noch für den anderen Job wird auch auf Nachfrage so recht klar. Schölermann wirkt wie ein Vertreter der Generation "Was mit Medien".

Seit 2015 hat er in Lena Gercke eine gleichberechtigte Komoderatorin bei The Voice, was nicht wenige als Degradierung empfunden haben, er selber auch. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich damit von Anfang an einverstanden war", sagt er, doch habe er sich bald entschieden, mit der Kollegin an einem Strang zu ziehen. "Als Team verkaufen wir das Format in gewissen Situationen besser, als ich das alleine leisten könnte."

Das ist die große Überraschung im Gespräch mit Schölermann. Wie geradeheraus er ist und wie frei von Allüren und Illusionen. "Reiche ich nicht? Bin ich austauschbar? Ist das der Anfang vom Ende? Das sind Gedanken, die ich mir immer mache", sagt er. "Ich glaube, es ist ganz wichtig, immer mal wieder einen Schuss vor den Bug zu bekommen, der einen durchrüttelt und klarmacht: Es gibt genügend andere, die deinen Job auch machen wollen."

Ist er denn nun austauschbar? "Absolut, ja, klar. Was wäre ich für ein Traumtänzer, wenn ich anderes behaupten würde?" Die Antwort kommt schnell und entschieden. "Meinen Job bei The Voice oder Taff kann sicherlich nicht jeder, aber auch jemand anderes machen. Und der Tag wird kommen, an dem ich mal ersetzt werde."

Dieses Bewusstsein empfindet Schölermann als Stärke. Und das ist es wohl auch. Zugleich erzeugt es jedoch stetig Druck: Wer um die eigene Austauschbarkeit weiß, kommt schwer zur Ruhe. Wenn er nicht für Pro Sieben oder Sat 1 im Einsatz ist, wie zuletzt mit der Show Der Wunschbaum oder dieses Wochenende mit dem Darts-Event German Masters 2017, moderiert Schölermann Veranstaltungen für Firmen, er ist ständig unterwegs. Er ist sich auch nicht zu schade, Klinken zu putzen, zu fragen, ob man mit ihm zusammenarbeiten möchte. "Ich arbeite hart daran, erfolgreich zu sein und zu bleiben." Würde er nicht gern mal eine Auszeit nehmen? "Mein Erfolg gerade ist nicht selbstverständlich", antwortet er. Sich jetzt eine Auszeit zu nehmen, empfände er als "regelrecht undankbar".

Können seine Auftraggeber sich einen treueren Diener wünschen als Thore Schölermann?

The Voice of Germany , Pro Sieben, 20.15 Uhr.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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