Porträt:Der Ideologe von nebenan

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Der Moderator und Blogger Erick Erickson (Foto: Quelle: Twitter/EWErickson)

Erick Erickson moderiert eine tägliche Radioshow und lehrt mit seinem Blog Redstate.com Republikaner das Fürchten. Eine Begegnung mit einem der mächtigsten Konservativen Amerikas.

Von Matthias Kolb

Erick Erickson steckt in der Zwickmühle. Der Präsidentschaftswahlkampf hat begonnen, und neben Hillary Clinton haben sich bisher drei Republikaner offiziell um das Amt beworben. Es sind die Senatoren Ted Cruz, Marco Rubio und Rand Paul - und allen hat Erickson auf ihrem Weg nach oben geholfen. "Es ist ein seltsames Gefühl, dass so viele meiner Freunde ins Weiße Haus wollen und ich bald über sie urteilen muss", sagt der 39-Jährige.

Mit provokanten Kommentaren und deutlichen Urteilen hat Erickson in den vergangenen zehn Jahren ein Medienimperium aufgebaut und ist dabei selbst zur Marke geworden. In seiner täglichen Radiosendung schimpft er über Obamas Außenpolitik, auf dem Blog Redstate.com kritisiert er alle Republikaner, die Kompromisse in Washington nicht sofort ausschließen, und auf dem konservativen Kabelsender Fox News wirbt er als Experte für niedrige Steuern. Hinzu kommt ein morgendlicher Newsletter, und auch auf Twitter weicht Erickson kaum einer Debatte aus.

"Es geht nicht um die Partei, sondern um konservative Überzeugungen", sagt Erickson beim Treffen in der Uni-Stadt Macon im Bundesstaat Georgia. Er sitzt gut gelaunt in einem Café und entschuldigt sich, dass er den Reporter nicht im heimischen Radiostudio empfangen kann - sowohl die Kinder als auch seine Frau hätten die Grippe. Seine Karriere begann als Blogger bei der 2004 gegründeten konservativen Webseite Redstate.com. Der heute 39-Jährige war damals nach eigener Aussage ein "gelangweilter Anwalt", doch seine Texte waren so populär, dass er nur ein Jahr später Chefredakteur wurde und seitdem selbst die besten Beiträge von freien Autoren auswählt. Hillary Clinton nennt er stets "Madam Yesterday" und dem Texaner Ted Cruz attestiert er, "mehr Starpotenzial als alle vier Beatles" zusammen zu haben.

Bereits während der Präsidentschaft von George W. Bush beäugten sich Demokraten und Republikaner misstrauisch, seitdem treibt die Polarisierung immer neue Blüten. Wer nicht genau weiß, welche Partei sein Gegenüber wählt, der spricht weder über Politik noch über Religion - oft bleibt nur der Sport als Thema. Egal, ob in den Kirchen, den Sportvereinen oder eben beim Medienkonsum: Die Amerikaner bleiben am liebsten unter ihresgleichen.

"Erick ist wie der konservative Schwiegervater, den jeder bei Familienfesten trifft."

In diesem aufgeheizten Klima machte der meinungsstarke Erickson schnell Karriere. Dass er Michelle Obama als "marxistische Hyäne" und den früheren Verfassungsrichter David Souter als "Kinderschänder" bezeichnete, verhinderte seinen Aufstieg nicht. Es folgten ein Vertrag mit CNN und neue Ideen: Seit 2009 organisiert Erickson die Konferenz "Redstate Gathering", bei der sich Republikaner den Fragen der Basis stellen. Wer hier überzeugt, für den wirbt Erickson unermüdlich.

Redstate.com ist keine Nachrichten-Website, Erickson will vor allem "informieren, motivieren und aktivieren". Die Leser sollen spenden oder selbst aktiv werden: Senator Mitch McConnell erhielt mehr als hundert Softbälle ins Büro geschickt, nachdem Erickson geklagt hatte, der oberste Republikaner im Senat sei zu weich und habe seine "balls", seine Eier verloren.

Dass ihn das Magazin The Atlantic kürzlich zu "Amerikas mächtigstem Konservativen" kürte, schmeichelt Erickson. "Das ist Quatsch, aber der Titel schadet natürlich nicht", lacht er. Die Fox-News-Moderatoren Bill O'Reilly und Sean Hannity oder der Talkradio-Krawallmacher Rush Limbaugh erreichen zwar mehr Leute, doch Erickson wird von vielen Abgeordneten um Rat gefragt. Es ist diese Rolle als Teilzeit-Aktivist, die ihm Einfluss sichert und seine Marke stärkt. Zum Redstate Gathering im August werden alle Kandidaten anreisen. "Ich habe ihnen verboten, über Obama zu schimpfen. Dessen Fehler kennen alle. Ich will wissen, wie das Land vier Jahre nach ihrer Präsidentschaft aussehen soll", sagt Erickson.

Was der Held des konservativen Amerika hören möchte, ist kein Geheimnis: Der Einfluss der Regierung soll beschnitten werden. Das Thema wird den Wahlkampf prägen. Die Demokraten stehen dem radikalen, von der Tea-Party-Bewegung inspirierten Teil der Republikaner unversöhnlich gegenüber. Während Obamas Anhänger am Dauerstreit verzweifeln, freut sich Erickson, dass nichts vorangeht: "Je mehr Gesetze beschlossen werden, umso mehr wird unsere Freiheit beschnitten." Er argumentiert oft mit Amerikas Gründervätern: "Auch sie würden den Stillstand positiv sehen. Sie wussten besser als wir, wie verführerisch Macht und Korruption sind."

Aus dieser Haltung speist sich auch seine Kritik an den Journalisten von ABC, CBS oder der New York Times: Sie hätten dieses "Urvertrauen" in die Regierung. Dass Erickson seit seiner Zeit bei CNN auch mit Demokraten befreundet ist, erstaunt nicht: Weil er als Sohn eines Öl-Managers in Dubai und Europa aufwuchs, ist Ericksons Blick auf die Welt nicht so schwarz-weiß wie der von manch anderen Republikanern. Außerdem lacht er ständig, ist sehr freundlich und aufmerksam.

Dieser Charme erklärt auch seine Popularität als Moderator. "Die Erick-Erickson- Show" ist im Netz zu hören; in Atlanta läuft sie außerdem zwischen 17 und 19 Uhr im Radio, also genau zu jener Zeit, in der sich Hunderttausende durch den Berufsverkehr quälen. "Die Hörer müssen sich wohlfühlen, sonst schalten sie weg", sagt Erickson. Auch darum nimmt er sich täglich mehrere Stunden Zeit, um seine 3000 E-Mails zu lesen und kurz zu beantworten.

Diese fast symbiotische Nähe zu seinem Publikum ist sein Erfolgsgeheimnis. "Erick ist wie der konservative Schwiegervater, den jeder bei Familienfesten trifft", sagt Ben Domenech, einer der Gründer von Redstate.com. Dabei ist Erickson kein engstirniger Ideologe, sondern ein Mann mit Nuancen und Widersprüchen. Nach dem Tod des Schwarzen Mike Brown, der in Ferguson von einem Polizisten erschossen wurde, schrieb er, dass Amerikas Schwarze zu Recht wütend seien, und fragte: "Muss erst ein weißes Kind sterben, damit wir über Polizeigewalt reden?" Er beklagt, dass viele Konservative reflexartig die Polizei verteidigen und Afroamerikaner dämonisieren würden.

Das ständige Gejammere vieler Konservativer nervt ihn: "Viele sind unglaublich wütend - und haben gar keinen Grund dazu: Sie haben gute Jobs und eine Familie, sie glauben an Gott und daran, dass sie in den Himmel kommen." Er rede seit einiger Zeit in seiner Sendung mehr über Lösungen und die schönen Dinge im Leben, etwa das Baseballtraining mit seinem Sohn Gunnar.

Für die allgemeine Stimmung in Amerika wäre es wahrscheinlich gut, wenn Erick Erickson rhetorisch abrüsten würde. Aber wahrscheinlich ist das nicht: Der Markt für kompromisslose Rhetorik ist da, und Erickson weiß zu gut, was sein Publikum wünscht.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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