Neues Heft:Ansichten eines Anglers

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Mit viel Liebe zu den alten Klassikern: das Magazin Kater Demos. (Foto: oh)

Interessieren sich junge Menschen überhaupt noch für Politik? Das Magazin "Kater Demos" erklärt den angeblich so unpolitischen Millennials die Welt. Das journalistische Start-up ist ernster gemeint, als man auf den ersten Blick denken könnte.

Von Annette Zoch

Interessieren sich junge Menschen überhaupt noch für Politik? Die sogenannten Millennials, die zwischen 1980 und 1999 Geborenen, bescheren gerade ausgerechnet einem 74-jährigen Sozialisten aus Brooklyn im US-Wahlkampf ungeahnte Höhenflüge. Die viel beschriebene und viel kritisierte Generation Y macht sich intensiv Gedanken darüber, in welcher Gesellschaft sie leben möchte, ob die Ideale ihrer Eltern noch die eigenen sind. Womöglich würde Bernie Sanders, wäre er des Deutschen mächtig, auch Kater Demos lesen, das "utopische Politikmagazin", das sich an eben diese Generation richtet.

Kater Demos ist ein journalistisches Start-up, in diesen Tagen kommt die zweite Nummer auf den Markt, erstmals ist sie auch an Kiosken zu erstehen. Die erste Ausgabe war ein Experiment, per Crowdfunding finanziert, und am Anfang stand genau diese Frage: "Interessieren sich junge Leute noch für Politik?" Weil manche Debatten zu komplex sind für 140 Zeichen auf Twitter kommt Kater Demos als wuchtiges Printmagazin daher, 136 Seiten dick, werbefrei, 9,80 Euro teuer. "Schwerpunkt Arbeit" steht ganz ungekünstelt auf dem Titel, die Illustration zeigt seltsamerweise einen entspannten Angler. Was Arbeit ist, das ist eben im Jahr 2016 Definitionssache, nach dem Motto: Schuftest du noch oder kreativst du schon?

Alle Beiträge drehen sich um das Thema Arbeit: vom Selbstversuch in Work-Life-Balance bis zum Tagebuch einer Hartz-IV-Empfängerin. Originelle Einfälle wie eine Kulturgeschichte des Arbeiterlieds oder Bürogami, das Büro-Einrichtungsspiel zum Ausschneiden, lockern das Magazin auf. Und weil die Internet-Generation bekanntlich Cat-Content liebt, gibt es einen Katzen-Comic und Katzenfotos. Dennoch: Kater Demos ist ein ernsthaftes Heft. Es eignet sich nicht für die Badewannen-Blätterlektüre, sondern will eher tagelang im Rucksack herumgetragen, zergrübelt und mit Eselsohren versehen werden.

Manche der etwas zu zahlreichen Essays klingen wie einem Uni-Reader entnommen: Marx, Bourdieu, Horkheimer, Adorno, Weber, Arendt - noch irgendeinen Klassiker vergessen? Stark wird Kater Demos überall dort, wo es ungewöhnliche Perspektiven einnimmt und Menschen nahe kommt. Dem Häftling, der erzählt, was ihm Knast-Arbeit bedeutet. Dem Mann, der ein Jahr lang ein bedingungsloses Grundeinkommen bezog. Eine Geschichte über die Stadt Göteborg, die für einige Mitarbeiter den Sechs-Stunden-Tag eingeführt hat, zeigt ein Problem des Heftes: Gerade als es spannend wird, der Leser nämlich erfahren könnte, wie die Menschen ihr neues Arbeitsleben finden, endet der Text zugunsten eines Bürgermeister-Interviews. Kater Demos ist ein ambitioniertes Projekt mit guten Ideen. Den Machern wünscht man nur noch mehr Geschichten abseits des Schreibtischs. Millennials, mit denen man sprechen könnte, gibt es doch genug da draußen.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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