Neue Krimireihe:Sara am Kotti

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Weiß Jenny (Michelle Barthel, r.), wer der Mörder ist? Kommissarin Sara Stein (Katharina Lorenz) ermittelt. (Foto: ARD Degeto/Frédéric Batier)

"Der Tel-Aviv-Krimi" in der ARD lässt kein Klischee aus. Und als die jüdische Ermittlerin Sara Stein nach Israel zieht, geschieht dort sogar ein Wunder.

Von Thorsten Schmitz

Der Tel-Aviv-Krimi ist deutsche Wertarbeit. Die neue Reihe will alles richtig machen. Wer aber alles richtig machen will, hat Angst. Deshalb werden sämtliche Darsteller (bis auf eine) in ein Schema gepresst. Nur ja keinen Fehler begehen! Auf der Strecke bleibt dabei, was Menschen Menschen sein lässt: Gefühle.

Wie üblich geschieht der Mord in den ersten Minuten, diesmal auf dem Parkplatz eines Berliner Clubs. Das Opfer ist Tamar, eine jüdische DJane aus Israel, ihr Freund ein muslimischer Palästinenser. Zufälligerweise joggt die Kommissarin an Tamar vorbei, die schwer verletzt mit dem Tod ringt. Der Kommissarin haben die Drehbuchautoren den Namen Sara Stein verpasst, damit jeder auch ja begreift: Wir haben es hier mit einer Jüdin zu tun. Die Zuschauer werden auf die falsche Fährte geschickt: Eine tote jüdische Israelin und ein aggressiver Palästinenser, da muss doch ein politisches Motiv dahinterstecken! Am Ende aber, man ahnt es, musste Tamar nicht des Nahostkonflikts wegen sterben.

Der Krimi lässt kein Klischee aus: Tamars Schwester ist religiös und war entsetzt über das ungezügelte Leben ihrer Schwester. Die Eltern des Palästinensers (gespielt von iranisch- und türkischstämmigen Schauspielern) schauen böse, weil man glauben soll, sie hätten die Israelin getötet, weil das ja nicht geht, dass ihr Sohn mit einer Jüdin liiert ist. Es spielen auch Israelis mit in dem Krimi, dessen erste Folge bis auf zwei Sequenzen in Berlin spielt. Aber auch die können die Serie nicht retten, denn man hat sie komplett entisraelisiert: Ihre Texte sagen sie hölzern auf Deutsch auf. Um des Deutschen willen muss etwa die großartige israelische Schauspielerin Gila Almagor all ihre Großartigkeit opfern und versprüht im Film so viel Aura, als trete sie in einer Marmeladenwerbung auf. Die einzige Person, die authentisch spielen darf, ist Michelle Barthel, die im Film Jenny heißt. Ihr haben die Autoren Martin Kluger und Maureen Herzfeld kein Nahostkonfliktpaket um den Bauch geschnürt, an dem die anderen zu ersticken drohen.

In der zweiten Folge, eine Woche später, ist Sara Stein dann ganz in Tel Aviv. Eigentlich hätte die erste Folge schon dort spielen sollen, aber dann kam der Gaza-Krieg dazwischen und man beschloss, lieber am versifften Kottbusser Tor zu drehen. Die Kommissarin hat sich in einen israelischen Pianisten verliebt (der natürlich David heißt) und zieht Hals über Kopf zu ihm nach Tel Aviv. Ein Wunder: Dort sprechen plötzlich alle Deutsch, die Polizeikollegen, Davids Mutter, der Ziehsohn des Mordopfers. Das Drehbuchdeutsch der Polizisten klingt dann etwa so: "Die Dinge scheinen hier aus dem Ruder zu laufen."

Am Ende bleibt man mit zwei Fragen alleine. Warum Fernsehanstalten glauben, im Jahr 2016 müsse alles Nicht-Deutsche synchronisiert werden? Und: Wann endlich mal ein Krimi ins Fernsehen kommt, in dem nicht die rein technische Rekonstruktion eines Mordes im Fokus steht - sondern: Gefühl.

ARD, 20.15 Uhr. Folge 2 am 10. März, 20.15 Uhr.

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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