Netflix-Film:Ich kann auch anders

Lesezeit: 2 min

Eine Frau begehrt auf: Im Sundance-Gewinnerfilm "Fremd in der Welt" weckt ein Hundehaufen in ihrem Vorgarten den Kampfgeist in der verhuschten Ruth.

Von Luise Checchin

Manchmal braucht es nur eine Kleinigkeit, um einen Menschen zur Rebellion zu bewegen. Im Fall von Ruth, der Protagonistin von Fremd in der Welt, ist diese Kleinigkeit ein Haufen Hundescheiße. Der Haufen reiht sich allerdings ein in eine endlose Abfolge von Ärgernissen. Ruth, die im amerikanischen Portland als Pflegerin arbeitet, ist depressiv. Durch ihre Augen betrachtet ist die Welt eine trostlose, gehässige Zumutung. Die Bewohner dieser Welt verraten das Ende des Romans, den Ruth gerade liest; sie geben noch auf dem Sterbebett rassistische Tiraden von sich; sie brechen in Ruths Haus ein und beklauen sie. Ruth erträgt das mit leerem Blick und stoischer Ergebenheit, doch dann ist da eben dieser Haufen im Vorgarten, direkt neben dem Hunde-verboten-Schild. Und jetzt wehrt sich Ruth, sie stellt den Hundebesitzer, ihren Nachbarn Tony, zur Rede. Ein epiphanischer Moment, denn sie merkt: Der Protest zeigt Wirkung. Was folgt, ist eine Selbstermächtigungsgeschichte.

Fremd in der Welt ist das Regiedebüt des Schauspielers Macon Blair. Beim diesjährigen Sundance-Festival hat es gleich den Preis für den besten Film gewonnen. Zu sehen bekommt man Fremd in der Welt nun aber nicht im Kino, sondern auf Netflix. Der Streamingdienst scheint mittlerweile nicht nur ein gutes Gespür für Serien-, sondern auch für Filmstoffe zu haben.

Melanie Lynskey spielt die Figur der Ruth als verhuschte Antiheldin, der eine kindliche Verletzlichkeit innewohnt. "Ich möchte, dass Leute keine Arschlöcher sind", sagt Ruth einmal. Weil die Polizei ihr nicht hilft, macht sie sich schließlich selbst auf die Suche nach den Einbrechern. Begleitet wird sie dabei von Nachbar Tony, der sich als draufgängerischer Sonderling mit einer Vorliebe für asiatischen Kampfsport präsentiert, im Grunde aber eine empfindsame Seele ist. Elijah Wood spielt ihn sehr komisch und angenehm zurückgenommen. Denn im Zentrum der Geschichte steht unübersehbar Ruth, die nach und nach zu einer zähen Stärke findet.

Bis hierhin kommt Fremd in der Welt als melancholische Komödie mit ein paar Krimi-Elementen daher. Doch als Ruth und Tony auf die Einbrecherbande stoßen, nimmt der Film eine Abzweigung und jagt von da an wie wild geworden durch die Genres: von der schwarzhumorigen Gangsterklamotte über den blutrünstigen Splatterstreifen zum Horrorfilm samt Wackelkamera-Verfolgungsjagd durch die Wälder Oregons. Die Dunkelheit, die in der depressiven Ruth gärte, ist nach außen getreten, könnte man denken. Aber das wäre wohl schon überinterpretiert, so viel Tiefe beansprucht der Film gar nicht. Fremd in der Welt ist einfach ein Aufbegehren gegen einen unhaltbaren Zustand mit den Mitteln des Absurden. Am Ende entlässt Regisseur Blair den Zuschauer gut unterhalten und ziemlich verwirrt. Aber gut unterhalten und ziemlich verwirrt ist ja allemal besser als deprimiert.

Fremd in der Welt , abrufbar bei Netflix.

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© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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