Nannen-Preis:Männerüberschuss

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Kuschelkurs: Markus Feldenkirchen (links, Spiegel) nimmt den Preis von taz-Chef Georg Löwisch entgegen. (Foto: Alexander Koerner/Getty Images for Gruner + Jahr)

Bei der Preisverleihung in Hamburg erklärt die Jury, warum so wenige Frauen nominiert waren.

Von Thomas Hahn

Die Jury des Nannen-Preises hatte ein Anliegen. Moderatorin Caren Miosga sprach es aus, bevor es im kleinen Saal der Hamburger Elbphilharmonie zur Kür der besten Reportage kam. Es ging um die Frauen und den Umstand, dass im Vergleich zu den männlichen Kollegen viel zu wenige von ihnen auf den Nominierungslisten des renommierten deutschen Journalistenpreises aus dem Verlagshaus Gruner + Jahr standen. Ging nicht anders, weil nur ein Drittel der Einsendungen von Frauen kamen, ließ sich die Jury durch Miosga entschuldigen. Dann folgte der Appell an alle Redaktionen: "Schicken Sie mehr Texte von Frauen ein. Und wenn zu wenige Frauen bei Ihnen schreiben, denken Sie darüber nach, woran das liegen kann."

Woran das liegen kann. Gute Frage. Möglicherweise daran, dass die meisten großen Verlagshäuser lange genauso bornierte Herrenclubs waren wie andere Wirtschaftsunternehmen auch und die Gleichstellung nun nicht so schnell geschehen kann. An den Frauen liegt es jedenfalls nicht; diesen Eindruck hat man sogar beim Nannen-Preis 2018 gewinnen können.

Auch die Siegerliste war natürlich geprägt von der Männerdominanz, ging ja nicht anders, wie gesagt. In der Kategorie "Beste Reportage" war immerhin ein SZ-Magazin-Porträt der Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus nominiert, in dem Autor Lorenz Wagner scharfsinnig die Männer-Gesellschaft des Fußballs beschrieb. Den ersten Platz aber belegte Markus Feldenkirchen vom Spiegel für seine Wahlkampf-Langzeitbeobachtung des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Auch in weiteren vier Kategorien trugen Männerhände die Trophäen davon. Nur in einer setzte sich eine Frau durch: Für ihre tiefe, schmerzhaft sachliche Erzählung aus dem Alltag der Altenpflegerin Heike Noe erhielt Caterina Lobenstein von der Zeit die Auszeichnung für die beste Dokumentation. Stücke wie diese sind besonders anstrengend, sie entstehen im glanzlosen Milieu und erfordern viel Einfühlungsvermögen für Menschen, für die sich sonst kaum jemand interessiert. Neben all den großartigen Arbeiten, die in der Elbphilharmonie zu Ehren kamen, verdiente die von Caterina Lobenstein einen Zusatz-Applaus.

Preisträger Feldenkirchen lobte die Offenheit von Martin Schulz

Der Sonderpreis ging an Souad Mekhennet, eine deutsche Journalistin mit türkisch-marokkanischen Wurzeln und Sicherheitskorrespondentin der Washington Post. Mit ihren mutigen Recherchen trägt sie dazu bei, dass man die Motive islamistischer Terroristen besser versteht. Ein kalter Macho wäre vielleicht nicht auf die Idee gekommen, dass man Terroristen zuhören muss, wenn man die Gründe ihres Wirkens verstehen will. Oder ist das ein Vorurteil? Journalismus ist im Grunde gender-neutral. Auf die richtigen Quellen kommt es an, nicht auf das Geschlecht. Auch das blieb als Botschaft zurück vom Nannen-Preis 2018: Journalismus ist oft nur so gut wie die Menschen, die ihn an sich ranlassen. Preisträger Feldenkirchen lobte Martin Schulz, weil der sich ihm für seine Reportage furchtlos öffnete: "Das ist eine große Wertschätzung für den Journalismus." Und Caterina Lobenstein dankte Frau Noe, ohne die sie ihre wichtige Geschichte nicht hätte schreiben können.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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