Nachruf:Keine weiteren Fragen

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Erika Berger arbeitete für die Bild und die Neue Revue, bevor sie in Eine Chance für die Liebe Sex-Fragen des Publikums beantwortete. Sie wurde 76 Jahre alt. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Erika Berger war eine Mischung aus fürsorglicher Mutti und Domina, die weiß, wo die Wildlederpeitsche hängt. Im Fernsehen erklärte sie dem Publikum, wie das geht mit dem Sex. Jetzt ist sie in Köln gestorben.

Von Willi Winkler

Es waren natürlich die Beine. Dass sie der Liebe eine Chance bieten wollte, war sehr nett von ihr, aber es ging doch um die Beine, die Erika Berger vor der Kamera lang und recht elegant übereinanderschlug, während sie existenzielle Fragen beantwortete. Als Mischung aus fürsorglicher Mutti und Domina, die weiß, wo die Wildlederpeitsche hängt, gurrte sie von 1987 an aus dem nächtlichen Fernseher heraus und eroberte dem auch sonst ziemlich aufdringlichen neuen Sender RTL wichtige Marktanteile.

Als hätte nicht über Jahrzehnte ein unverwüstlicher Dr. Sommer die deutsche Jugend, die überraschenderweise doch nicht so hart wie Kruppstahl war, in Bravo über Masturbations- und Pickelnöte aufgeklärt, als hätte nicht Oswalt Kolle hingebungsvoll das Wunder der Liebe exploriert, musste mit Einführung des Privatfernsehens noch mal bei Adam und Eva und den Blumen mitsamt den Bienen angefangen werden. Erika Berger unterzog sich heldenmütig dieser Aufgabe und beantwortete endlich die dialektische Menschheitsfrage: Ist es denn richtig so?/Was mache ich bloß falsch?

Offenbar musste eine geschiedene Mutter von zwei Kindern kommen, die auch sonst nicht ganz dumm war, um Licht ins Schlafzimmer zu bringen. Als ehemalige Klatsch- und Tratschtante bei Bild verfügte sie über einige Erfahrung im Gunstgewerbe. In der Illustrierten Neue Revue gab sie Sex-Tipps, aber nirgends war ihr entschieden süddeutsches Gurren besser angewendet als im frühen Trash-Fernsehen. Unweigerlich gab es Beschwerden, wurde ausgerechnet im Swinger-Paradies Deutschland geunkt, Eine Chance für die Liebe könnte eine Aufforderung zum Partnertausch sein. Andererseits musste in diesen ersten Jahren, in den güldenen Worten des Privatfernsehbefürworters Edmund Stoiber, "erst mal Geld verdient werden".

Bergers weiteres Fernsehschaffen, das ist der schlimme Lauf der Welt, verblasste neben diesem frühen Ruhm. Der war aller Ehren wert, schließlich besaß sie, gemessen selbst an Sabine Christiansen, die blondesten Beine im deutschen Fernsehen. Die Aufklärerin Erika Berger starb am Pfingstsonntag 76-jährig in Köln.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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