Nachruf:Der Kapitän

Nachruf: "Rademann braucht keine Marktforschung. Hat seinen Bauch", schrieb Harald Schmidt. Das Bild zeigt den Produzenten am Set der Schwarzwaldklinik.

"Rademann braucht keine Marktforschung. Hat seinen Bauch", schrieb Harald Schmidt. Das Bild zeigt den Produzenten am Set der Schwarzwaldklinik.

(Foto: Imago)

Der Fernsehproduzent Wolfgang Rademann hat "Schwarzwaldklinik" und "Traumschiff" erfunden. Einen wie ihn wird es im TV-Geschäft vermutlich nicht mehr geben. Nachruf auf einen großen Unterhalter.

Von David Denk

Das Büro von Wolfgang Rademann war so ungewöhnlich wie der Mann, der dort saß und Hof hielt: Es konnte überall liegen, bestand es doch eigentlich nur aus einem Aktenkoffer, der Tagespresse in einer Plastiktüte und einer Standleitung zu seiner Sekretärin - meistens jedoch lag es in der Bar des Kempinski-Hotels am Berliner Kurfürstendamm. "Büro Rademann" informierte ein Schild auf dem Tischchen vor ihm, hier empfing er, zeitlich streng durchgetaktet, Schauspieler, Regisseure und Journalisten. Mit Internet, SMS oder Whatsapp hatte er nichts am Hut, hat aber doch ein Arbeitsmodell vorgelebt, das heute Mittdreißiger mit einem Macbook erfunden zu haben glauben.

Wenn der Chef gerade nicht am Platz war, stand noch ein Schild daneben: "Ich bin derzeit verreist." Netter Gag, aber eigentlich so gar nicht Rademanns Art. Denn er, der Traumschiff -Produzent, der Mann, der bei Millionen Deutschen das Fernweh weckte, sie für Kreuzfahrten begeisterte, war alles andere als ein Urlaubstyp. Bis ins hohe Alter hat er an seiner Seefahrt-Fernsehreihe weitergearbeitet. Wolfgang Rademann war Das Traumschiff - und Das Traumschiff war Wolfgang Rademann.

Bevor er Produzent wurde, war er Boulevardjournalist. Er wusste, was dem großen Publikum gefiel

Seit vergangenem Sonntag hat das Büro Rademann dauerhaft geschlossen: Da starb der Fernsehproduzent im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstadt Berlin. Und an dieser Stelle stimmt ausnahmsweise mal, was in Nachrufen allzu oft behauptet wird: So eine Figur wird es im deutschen Fernsehgeschäft wohl nie wieder geben. "Rademann braucht keine Marktforschung. Hat seinen Bauch. Hat seit einer gefühlten Ewigkeit im Showgeschäft alles erlebt", schrieb sein Bewunderer Harald Schmidt zum 30. Traumschiff-Jubiläum 2011 in der SZ und ließ zur Beglaubigung noch ein paar Namen fallen: Marika Rökk, Peter Alexander, Heinz Rühmann, Hans-Joachim Kulenkampff - Rademann kannte buchstäblich alle Protagonisten des deutschen Nachkriegsfernsehens persönlich und hat die meisten überlebt. Mit Peter Alexander und Harald Juhnke war der einstige Presseagent eng befreundet, verschaffte ihnen mit der Peter Alexander Show beziehungsweise mit Ein verrücktes Paar die vielleicht größten Hits ihrer Karriere.

Rademann war nicht nur wegen seiner leicht garstigen "Berliner Schnauze" als Interviewpartner sehr begehrt, sondern weil er Akteur und Zeitzeuge zugleich war: Nie sprach Rademann nur für sich, sondern immer auch als Botschafter einer versunkenen Welt - womit das alte West-Berlin genauso gemeint ist wie das Unterhaltungsgewerbe, dessen goldene Zeiten er nicht nur erlebt, sondern wesentlich geprägt hat. Auch die Idee zur Weißkittelromanze Schwarzwaldklinik stammt von Rademann, der die Deutschen besser zu kennen schien als die sich selbst.

Mit Überraschungen ist auf seinen TV-Kreuzfahrten nicht zu rechnen. So wollen es die Fans

Bevor er ein erfolgreicher TV-Produzent wurde, war Wolfgang Rademann ein erfolgreicher Boulevardjournalist. In den 15 Jahren bei B.Z., Stern, Hörzu und Bravo wurde offenbar geschult, was später - neben dem Adressbuch - sein größtes Kapital werden sollte: das absolute Gespür für den Massengeschmack. Wolfgang Rademann wollte immer vor allem seinem Publikum gefallen. Zwar las er selbstverständlich alles, was über ihn geschrieben wurde, schätzte Zeitungsartikel als Korrektiv, maß ihnen aber auch keine allzu große Bedeutung bei. "Sobald ich in der Süddeutschen eine gute Kritik kriege, habe ich was falsch gemacht", sagte er gern und häufig.

Als die Zeit den selbsternannten "Unterhaltungsfuzzi" mal mit Bestsellerkönig Johannes Mario Simmel vergleichen wollte, wehrte Rademann ab: "Simmel ist mit Sicherheit intelligenter und begabter als ich. Simmel ist eine große Figur. Ich würde mich nie mit Simmel vergleichen wollen." Gefallen haben dürfte es ihm trotzdem. Bescheidenheit war nie Rademanns größte Stärke. Klappern gehörte für ihn immer zum Handwerk, seine Bodenständigkeit indes kompensierte diese Eigenschaft, die Plastiktüte mit der Tagespresse und nicht zuletzt die Tatsache, dass er in mehr als 30 Jahren nie einen schriftlichen Vertrag mit dem ZDF über die Produktion des Traumschiffs geschlossen hat: ein Mann, ein Wort. Das war ihm, genau wie ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Mannschaft (eine Schauspielerin nannte ihn "ein Herz auf zwei Beinen"), immer wichtig - auch um sich von all den "Spinnern, Nichtskönnern und Bluffern" abzugrenzen, von denen er in seiner Branche umgeben sei.

Die Quoten gaben Rademann recht: Das Traumschiff ist heute zwar kein Straßenfeger mehr wie in den Anfängen, als schon mal 25 Millionen Menschen einschalteten, doch auch heute schauen noch bis zu neun Millionen zu, wenn es zweimal im Jahr auf große Fahrt geht. Das ZDF will die Reihe daher auch ohne Rademann fortsetzen. Die Formel hat sich bewährt.

Überraschungen, erst recht böse, sind auf dem TV-Traumschiff ähnlich unwahrscheinlich wie auf einer normalen Kreuzfahrt, aber genau diese bewegte Fototapete ist es, die das Publikum am Traumschiff so schätzt: Müssen die Tatort-Kommissare am Sonntagabend drüben im Ersten die Welt in 90 Minuten erst wieder in Ordnung bringen, hat das Traumschiff trotz manch eines mühseligen und beladenen Passagiers eine eingebaute Wohlfühlgarantie. "Schlechte Nachrichten kennen die Leute genug. Das Elend der Welt müssen sie auch nicht noch von mir präsentiert bekommen", formulierte Rademann mal seinen Anspruch.

Doch offenbar spürte auch er, dass sein Heile-Welt-Fernsehen der Achtziger etwas in die Jahre gekommen war. Mit der ZDF-Reihe Engel der Gerechtigkeit über Patientenrecht versuchte er den Neuanfang - und scheiterte. Das Publikum folgte ihm ausnahmsweise nicht.

Es war nicht nur seine Arbeitswut, sondern auch die Abneigung gegen den sibirischen Berliner Winter, die Rademann immer wieder die Gangway der im Laufe der Jahrzehnte wechselnden Traumschiffe hinauftrieb. Nur einmal fühlte er sich dabei zur falschen Zeit am falschen Ort: Am 9. November 1989, als in Berlin die Mauer fiel und der in Neuenhagen im Ostteil der Stadt geborene Rademann auf den Bahamas saß. Es dauerte keine 48 Stunden, bis er wieder zu Hause war. "Bin gleich zur Mauer gefahren und rüber", erzählte er später. Er hatte nicht geglaubt, dass er das noch erleben würde: "Das waren die emotionalsten Stunden meines Lebens."

Und bei Emotionen machte Wolfgang Rademann niemand etwas vor.

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