Magazin:Tatütata

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Alles, was mit Platten zu tun hat: Mint ist mehr Stopfwurst als Heft. (Foto: PR)

Die neue Zeitschrift "Mint" richtet sich an die ständig wachsende Zielgruppe der Schallplattenfans. Doch wer sich mit "Vinyl-Kultur" wirklich auskennt, den kann das Magazin leider nur langweilen.

Von Marc Hoch

Wenn Schallplatten-Sammler von Mint sprechen, bekommen sie feuchte Augen. In ihrer - leicht verschrobenen - Welt bezeichnet dieser Begriff keine grünliche Farbe, sondern ist die weltweit gängige Chiffre für makellose, neuwertige LPs. Insofern ist der Titel der neuen Zeitschrift für Vinyl-Kultur, die vergangene Woche erstmals erschienen ist, treffend gewählt. Achtmal jährlich soll das Heft erscheinen, und das Vorhaben könnte Erfolg haben. Schließlich steigen die Absatzzahlen für Vinyl, und auf Schallplatten-Börsen und im Internet zahlen Sammler irrsinnige Summen. Ein Markt wäre also da für dieses Nischenprodukt - wenn es nur ein ausgefeiltes redaktionelles Konzept hätte.

Tatsächlich aber ist Mint eine große Stopfwurst, in die alles, was nur irgendwie mit Schallplatten zu tun hat, hineingepresst wird. Heft eins präsentiert: einen britischen Dienstleister, der die Asche von Toten zu Platten verarbeitet; ein Hotel in Hamburg, in dem es einen "Vinyl-Room" gibt; ein ellenlanges, langweiliges Gespräch über die Frage, ob "Vinyl auf dem Peak" sei. Darüber hinaus dürfen viele Menschen ihre Beziehung zur Schallplatte vorstellen. Leser Marco etwa betrauert den Verlust einer seltenen Kraftwerk-LP, Herausgeber Michael Lohrmann stellt auf zwei Seiten unter anderem dar, wie er seine Platten sortiert und reinigt. Und sogar zwei Kinder (fünf und acht Jahre alt) kommen zu Wort und geben ihre Eindrücke zu einer Foo Fighters-Single wieder: "Tatütata. Und jetzt kommt die Feuerwehr."

Diese Themenauswahl ist ebenso willkürlich wie banal und dürfte bei denjenigen, die sich seit Jahren mit Schallplatten befassen, nur Gähnen hervorrufen. Eine feste Rubrik zu wichtigen Sammel-Labels wie Pink-Island, Blue Note, Decca, Swirl-Vertigo (um nur die offenkundigsten zu nennen); die Beschreibung von großartiger Coverkunst und ihren Gestaltern (was doch den besonderen Reiz der Schallplatten ausmacht); Grafiken über die beeindruckende Wertentwicklung der Schallplatten in den vergangenen Jahren, für die die Redaktion keineswegs nur die immer wieder zitierte Verkaufsplattform Discogs heranziehen sollte; Interviews mit legendären Schallplattenhändlern wie etwa dem Belgier Walter Geertsen: Das alles und noch viel mehr könnte den Reiz so eines Heftes ausmachen. Nichts davon findet sich in Mint.

Einzig gelungen ist die lange Reportage über die wichtigste europäische Schallplattenbörse in Utrecht, deren Einleitung allerdings nur verstehen kann, wer jemals im (nicht genannten) Hotel Ibis dabei war. Und Potenzial hätte auch die Rubrik "Plattenschrank", in der es glücklicherweise - anders als im Editorial angekündigt - vornehmlich um Musik geht. Doch die Redaktion beschreitet bei der Titel-Auswahl ausgelatschte Mainstream-Wege: Scorpions, Björk, Adele, Coldplay, Lana Del Rey, Jean Michel Jarre. Ja, geht's noch?! Beim "Soundcheck" ist und bleibt die britische Zeitschrift Wire das Maß aller Dinge. Fazit: ein Debüt zum richtigen Zeitpunkt, aber inhaltlich schwach.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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