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Vier Gründe für den Erfolg von Henri Nannen anlässlich der Verleihung des nach ihm benannten Journalistenpreises.

Von Wolf Schneider

Nach einjähriger Spar-Pause wird an diesem Donnerstag in Hamburg wieder der Nannen-Preis verliehen (der Vorname wurde wegrationalisiert), benannt nach dem Stern-Gründer und wohl berühmtesten Journalisten des Verlags Gruner + Jahr. Henri Nannen hat Generationen von Kollegen geprägt - auch Wolf Schneider, Stern-Redakteur von 1967 bis 1971, den er 1979 zum Leiter der Henri-Nannen-Schule machte. Dort prägte wiederum Schneider über den Ruhestand hinaus Generationen von Nachwuchsjournalisten mit dem Mantra "Qualität kommt von Qual". Für sein publizistisches Lebenswerk wurde er 2011 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Den "überwältigenden Erfolg Nannens", der 32 Jahre lang Stern-Chefredakteur war und 1996 starb, führt Schneider für die SZ auf vier Gründe zurück:

1. Seine Witterung für das, was Leser wollen; auch dafür, wie man sie da, wo sie gar nichts wollen, zum Lesen überlisten kann; schließlich sogar dafür, was sie übermorgen wollen werden: Denn davon, lehrt alle Erfahrung, haben sie selber keine Ahnung. Und so betrieb Henri Nannen von 1961 an jene Politisierung des Stern, um die kein Leser ihn gebeten hatte.

2. Sein brillantes Handwerk: unerbittlich nach der Wahrheit bohren - sie so aufbereiten, dass Millionen Leser sie verstehen können und lesen mögen - und die Themen so mischen, dass Millionen Leser fasziniert sind.

3. Seine berserkerhafte Entschlossenheit, solches Handwerk von seinen Redakteuren einzufordern, sie Woche um Woche zur Höchstleistung zu motivieren - und notfalls zu einer solchen zu zwingen.

4. Und, das Großartigste an ihm: der niemals erlahmende Drang nach immer mehr! Das heißeste Medium deutscher Sprache hatte Henri Nannen geschaffen, an Weltgeltung Life und Paris Match überholt; und von diesem Thron herab verstand er in seiner Redaktion die Stimmung zu verbreiten: Dass wir die Größten, die Besten, die Erfolgreichsten sind - das ist uns selbstverständlich viel zu wenig! Leute, krempelt die Ärmel auf!

Und dies alles im Dienst des königlichen Auftrags aller Journalisten: knallhart zu ermitteln und kristallklar zu beschreiben, wie's wirklich zugeht in Deutschland und auf Erden - "Aufklärung" also zu betreiben im Sinne von Immanuel Kant: "Herausführung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit".

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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