Krimireihe:Auf Abwegen

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"Mord in bester Gesellschaft" mit Fritz Wepper und seiner Tochter Sophie stand bislang für eher leichte Unterhaltung. Mit der neuen Folge wagen die Autoren ein Experiment.

Von Benedikt Frank

Langsam fährt die Kamera auf eine leere Fixierliege in einem weiß gefliesten Raum mit dicker Edelstahltür zu. Johnny Cash singt dazu melancholisch "You'll Never Walk Alone". Für kurze Momente blitzen Bilder auf: Der Psychologe Wendelin Winter (Fritz Wepper) ist auf die Pritsche gefesselt. Mit Knebel im Mund versucht er, sich gegen eine Spritze zu wehren, dann verschwimmt der Blick. Noch bevor das erste Wort fällt, macht das Intro klar: Die neue Folge Mord in bester Gesellschaft wird anders.

In der Krimireihe war bisher eher leichte Unterhaltung zu sehen. Keine explizite Comedy, sondern ein relativ unbeschwertes Setting zwischen gutbürgerlich und High Society, als würden Passagiere des Traumschiffs an Land auf Verbrecherjagd gehen. Die Formel war unerwartet erfolgreich. Ursprünglich sollte es ein TV-Film sein, nun hat das Familienteam Sophie und Fritz Wepper bis heute zwölf Folgen gespielt. In der ersten, im Jahr 2007, ging es nach Gran Canaria. 6,5 Millionen sahen zu, gute Folgen konnten auch in späteren Jahren mithalten. Wirklich im Abseits war die Reihe mit zuverlässig mehr als drei Millionen Zuschauern also nie. Trotzdem wird das Gericht in der kommenden Folge anders gewürzt.

Weil er zu viele neugierige Fragen stellt, wird der Psychiater Wendelin Winter (Fritz Wepper, Mitte) kurzerhand selbst in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. (Foto: Kerstin Stelter/ARD Degeto)

Immer wieder fuhren die Weppers an Orte, die eher an Wellnessurlaub erinnern als an schwere Verbrechen und deren Aufklärung. In der neuen, 13. Episode mit dem Untertitel Das Scheusal wird nun unter der Regie von Lars Montag etwas Neues versucht. Statt Heiterkeit wartet auf Winters Tochter Alexandra (Sophie Wepper) eine karge Winterlandschaft - und der Serienmörder Gerd Granitzka (Felix Vörtler). Über den in der geschlossenen Psychiatrie sitzenden Mann möchte sie ein Porträt schreiben. Granitzka passt schon rein optisch mit gelb-braunen Zähnen, Knasttätowierung im Gesicht und wildem Bart ins Klischee. Voll wahnsinniger Lust spricht er über seine grausamen Morde.

Das soll also die "beste Gesellschaft" sein? "Beim besten Willen nicht", sagt Fritz Wepper, "aber früher war es das auch nicht. Ein Mörder ist ein Mörder, das ist eine ganz schlechte Gesellschaft." Der Titel der Reihe habe sich mit der Zeit überholt, es gebe auch Gedanken, ihn zu ändern. "Mittlerweile klingt der Titel fast ironisch", fügt Fritz Wepper hinzu, "manchmal sogar zynisch."

Erdrückende Ernsthaftigkeit und gesellschaftlich relevante Themen als Unterbau: Vorbild des Falls ist der schwedische Justizskandal um Thomas Quick, der falsche Mordgeständnisse ablegte, die ohne sorgfältige Prüfung übernommen wurden. Werden die Weppers nun also mit gesellschaftlichen Themen und schwerem Ernst zu so einer Art Tatort-Duo? "Anders als ein 'normaler' Kommissar kann Winter durch sein fundiertes Spezialwissen als Psychiater die Fälle 'knacken'", gibt die verantwortliche ARD-Redakteurin Birgit Titze als Alleinstellungsmerkmal an. Ganz einzigartig ist das indes nicht; ein Psychologie-Diplom hat auch die neue Frankfurter Tatort-Kommissarin Anna Janneke, wenn auch nicht die Erfahrung des älteren Dr. Winter.

"Wir haben ausprobiert, wie viel Schwere die Reihe verträgt", erzählt Sophie Wepper. Sie ist selbst ein Fan düsterer Krimis, weshalb ihr am Anfang manche Folgen zu komödiantisch waren. Im Gegensatz zum Publikum: "Die Zuschauer sehen uns auch gerne, weil es nicht zu deprimierend ist", so Sophie Wepper, aber sie glaubt, dass auch diese die bedrückende Stimmung "schon mal aushalten" könnten.

Sonst verstärkte die Familienbeziehung die Leichtigkeit der Filme, hier unterstützt sie umso mehr das Gegenteil. Die Tochter kann nichts machen, um ihrem gefesselten und ruhig gestellten Vater zu helfen, in der Fiktion und real am Filmset. "Man kann diese Bilder aber gut für die Rolle benutzen", erklärt Sophie Wepper. Auch ihr Vater meint, man müsse in solchen Situationen kaum noch spielen. Und so spricht aus den Blicken der beiden im Film immer wieder auch echte Sorge.

Wie es mit der Reihe weitergeht, ist laut

Birgit Titze noch offen. Fritz und Sophie Wepper berichten dagegen, dass die nächste Folge Bitteres Erbe wieder leichter werden soll. Was wohl bleibt, ist der stärkere Fokus auf die Psychologie. Nach dem laut Fritz Wepper "schwierigen Ausflug in die Forensik", soll Winter in Bitteres Erbe die Panikattacken einer Frau therapieren.

Das Scheusal , ARD, 20.15 Uhr.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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