Klaudia Wick:"Eine eher skeptische Sicht auf die Zukunft"

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Die Kuratorin über den noch immer schweren Stand von deutscher Science-Fiction im Fernsehen.

Interview von Benedikt Frank

Klaudia Wick ist "Leiterin Audiovisuelles Erbe" an der Deutschen Kinemathek. Für deren Ausstellung "Things to Come. Science. Fiction. Film" hat die Autorin, TV-Kritikerin und Jurorin die Sonderschau "Science Fiction Fernsehen" kuratiert.

SZ: Frau Wick, können deutsche Fernsehmacher Science-Fiction produzieren?

Klaudia Wick: Auf jeden Fall. Eine der letzten Produktionen war 2030 - Aufstand der Jungen von 2011, in der es um die jüngere Bevölkerung nach dem demografischen Wandel geht. Das knüpfte an die Siebziger, die Hochzeit der Fernseh-Science-Fiction an, in der Fassbinders Welt am Draht, Helma Sanders Die letzten Tage von Gomorrha oder Rainer Erlers Operation Ganymed entstanden sind.

Warum gibt es trotzdem keine aktuelle deutsche Space Opera?

Spielszenen im Weltraum oder auf fremden Planeten muss man aufwendig ausstatten, wenn man nicht auf das Bügeleisen der Orion zurückgreifen will. Die Sender fragen sich: Warum sollen wir Star Trek neu erfinden, wenn wir das Original viel günstiger einkaufen können? Ijon Tichy: Raumpilot hat das 2007 ironisch gelöst und kurzerhand eine Berliner Altbauwohnung zum Raumschiff erklärt.

Was zeigt man stattdessen in deutschen Eigenproduktionen des Genres?

Die Beschäftigung mit Zukunft findet vor allem in "Near-Future-Dramen" statt, die keine fremde Planeten, sondern unsere Welt in zehn oder 20 Jahren beschreiben. Der Tatort hat zweimal mit dem Genre gespielt: 1997 in Tod aus dem All und jüngst in der Folge HAL, die sich ja auf 2001 - Odyssee im Weltraum bezog.

Wie sah das Genre zur Blütezeit aus?

Nach der Mondlandung setzte sich in den Siebzigern eine eher skeptische Sicht auf die Zukunft durch. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen, zu dem es ja noch keine Alternative gab, entwickelte pädagogische Serien wie Telerop 2009 - Es ist noch was zu retten. Da ging es um den allzu sorglosen Verbrauch von Ressourcen, Erlers Serie Das blaue Palais thematisierte die Verantwortung der Forschung. Für deutsche Fernseh-Science-Fiction ist die Warnung vor den Auswirkungen von Fehlentscheidungen bis heute prägend.

Also verhindert auch die German Angst die großen Utopien, die Fans ansprechen?

Unterhaltungsfernsehen bildet eben immer auch den Zeitgeist ab. Aufwendige TV-Produktionen müssen sich zudem im Ausland verkaufen lassen, um finanzierbar zu sein. Und das deutsche Alleinstellungsmerkmal im internationalen Filmgeschäft ist die deutsche Geschichte und nicht die internationale Raumfahrt.

Weitere Informationen: deutsche-kinemathek.de

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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