Islamismus-Dokus:Gefahr für die ganze Welt

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Ein gelungener Arte-Themenabend über Gotteskrieger, IS-Terror und mutige Menschen, die sich davon nicht einschüchtern lassen.

Von Viola Schenz

Schwerst bewaffnete Polizisten, die durch die Straßen patrouillieren, akribische Personenkontrollen beim Stadioneingang, Aufrufe zu besonderer Wachsamkeit: Keine EM war so von der Angst vor islamistischem Terror geprägt wie diese. Und so passt dieser Arte-Themenabend über sogenannte Gotteskrieger nur allzu gut zur aktuellen Realität und setzt zugleich einen Kontrapunkt zur allabendlichen TV-Überdosis Fußball. Es geht, mal wieder, um die Kernfragen: Was sind die Ursachen des islamistischen Terrors? Warum lassen sich junge Menschen rekrutieren? Wie geht Europa mit der wachsenden Radikalisierung um?

Wer meint, diese Fragen, und ihre Antworten, schon zu oft gehört zu haben - der deutsch-französische Sender reichert die Thematik mit neuen Erkenntnissen und Eindrücken an. Der Dokumentarfilmer Halil Gülbeyaz etwa sucht und liefert sie in der Türkei. Das Land hatte lange von seiner besonderen Lage zwischen Ost und West profitiert - wirtschaftlich, politisch, kulturell; doch inzwischen wird ihm die Geografie zum Nachteil, die Türkei ist längst die Transitstrecke der Dschihadisten. Es sind beklemmende Szenen, die Gülbeyaz und sein Team filmen: etwa die Menschenmassen, die zum Jahrestag des Charlie Hebdo-Attentats Schilder hochhalten, auf denen steht "Wir sind alle Mohammed", auf Türkisch, und für die internationalen Kameras auch auf Englisch.

Wie sehr radikal-islamische Terrororganisationen von Recep Tayyip Erdoğans Politik profitieren, zeigt sich in der mittelanatolischen Stadt Konya. Aus dieser kargen Gegend ziehen besonders viele junge Menschen in den "Heiligen Krieg". Doch die Islamisten versorgen sich nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Kriegsmaterial, und das mit Wissen und mit Hilfe der türkischen Regierung; denn der IS kämpft gegen die Kurden, und das macht ihn zum geduldeten Freund Erdoğans.

Man muss die Menschen in diesen Dokus für ihren Mut bewundern: die Bäuerin, die ihren Sohn an den IS verloren hat und die jetzt die Drahtzieher hinter seinem Tod beim Namen nennt, denn "sie haben mir so viel Leid zugefügt". Den Politiker Eren Erdem, der trotz Morddrohungen und Anklage wegen "Staatsverleumdung" die Waffenlieferungen an den IS anprangert. Den Journalisten Can Dündar, der, obwohl er zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, weiter sagt: "Zwischen IS und türkischem Staat gibt es eine ideologische Nähe."

Es geht noch um andere Mutige an diesem Abend, um Muslime in Frankfurt oder Brüssel, die sich der IS-Gefahr mit Klugheit und Humor in den Weg stellen. Oder die in Nigeria den Kampf gegen die Miliz Boko Haram unterstützen. Wie Can Dündar richtig sagt: "Der IS ist zur Gefahr für die ganze Welt geworden."

Jung, zornig, islamistisch - wie stoppt man die Gotteskrieger? , Arte-Themenabend, Dienstag von 20.15 Uhr an.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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