History-Channel-Chef Andreas Weinek:Der Geschichte-Erzähler

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Andreas Weinek ist Chef der beiden deutschen Bezahlsender History und Biography Channel. Nebenbei hat er einen Roman geschrieben, der zur Zeit der Inquisition spielt. Er weiß: Wer unterhalten will, darf keine Angst vor dem Trivialen haben.

Rupert Sommer

Geschichte im Fernsehen und für jeden: Seit dieser Woche läuft die Reihe "Mankind" über die Geschichte der Menschheit sonntags bei History. (Foto: TM & © 2011 History Channel USA)

Es ist der Schmäh, der ihn antreibt - und dabei fast wie eine starke Droge wirkt. Eigentlich müsste man sich Andreas Weinek als einen gemütlichen, ja rundum ausgeglichenen Menschen vorstellen. Der gebürtige Steirer, der lange in Linz und Wien, später aber auch in New York lebte, leitet in München mit The History Channel und Bio - The Biography Channel gleich zwei Pay-TV-Sender und hat sich kürzlich erst mit der Eigenproduktion Der elfte Tag - die Überlebenden von München 1972 ins Gespräch gebracht. Sogar der reichweitenstarken US-Zeitung USA Today war die spannende, aber auch sehr eindringliche Doku über sieben Männer, die beim Attentat in der Connollystraße 31 mit dem Leben davon kamen, einen Bericht auf der Titelseite wert.

Weinek kann wie viele seiner Managerkollegen im deutschen Bezahlfernsehen laut klappern, um neben der großen Plattform Sky, die ein wichtiger, aber auch dominierender Partner ist, Gehör zu finden. Man könnte meinen, dass dies eine Tätigkeit ist, die viel Witz, Fingerspitzengefühl und den Österreichern gerne nachgesagte Wendigkeit verlangt - und die Tages-Agenda auf jeden Fall ausfüllt.

Andreas Weinek sieht das anders. Eben erst hat er mit dem 300-Seiten-Werk Nacht des Ketzers (erschienen im auf elektronische Verbreitung spezialisierten Verlag Dotbooks) seinen ersten Unterhaltungsroman vorgelegt. Im Mittelpunkt der Handlung: Der italienische Priester, Philosoph und Astronom Giordano Bruno, der 1600 auf Betreiben der Inquisition in Rom auf dem Scheiterhaufen endete. "Mich faszinieren einfach gescheite Menschen", sagt Weinek. "Vor allem wenn es ihnen gelingt, kraft ihrer Gedanken etablierte Systeme ins Wanken zu bringen."

Seine private Leidenschaft gilt dem Historischen

Eine Einschätzung, die seine Begeisterung für den einflussreichen Sturkopf Giordano Bruno erklärt, die ihn schon länger umtreibt. Bruno, der von einem Fürstenhof zum nächsten reist, korrespondierte mit den klügsten Köpfen seiner Zeit. Dadurch, dass er die aus der Antike stammende Vorstellung von der "Monade" als unteilbares Ur-Teilchen zu einem naturphilosophischen Weltmodell ausbaute, beeindruckte er über die Jahrhunderte hinweg noch Gottfried Wilhelm Leibnitz und Johann Wolfgang von Goethe.

Mit seinen revolutionären Gedanken zum Aufbau des Kosmos und seinem pantheistischen Weltbild musste er anecken, weil er die Allmacht der Kirche in Frage stellte. Widerrufen wollte er seine Thesen nicht. "Allein der Name Giordano Bruno sorgt noch heute in der katholischen Kirche für glühende Ohren", glaubt Weinek.

Als junger Student hatte er in Rom erstmalig das Bruno-Denkmal auf dem Campo dei Fiori entdeckt. Das Monument am Ort der Hinrichtungsstätte ließ den Nebenbei-Schriftsteller nicht mehr los. Seine nahezu ungeteilte private Leidenschaft gilt dem Historischen - vor allen den wendig-eleganten Thesen seines Lieblingsphilosophen Michel de Montaigne. Klar, dass auch der französische Essayist, der für Weinek nicht nur ein prägender Denker, sondern als beweglicher Geist und Lebemann auch ein Vorbild ist, einen Platz in dem Bruno-Roman finden musste. "Montaigne hat es mit seinem Schmäh geschafft zu überleben, Bruno ging durch seinen Starrsinn direkt in den Tod", so bringt Weinek die beiden Lebensläufe etwas sehr holzschnittartig auf einen Punkt - und landet so wieder bei seiner eigenen zentralen Lebenshaltung.

Andreas Weinek hat keine Schwierigkeiten, nach langen Bürotagen und vielen transatlantischen Konferenz-Telefonaten noch Motivation für seine späten Schreibstunden aufzubringen. "Mit Schmäh kann man ganz gut die Kurve kratzen", sagt er. Außerdem betont er, dass er ohnehin ein Schnellschreiber sei. Die besten Ideen kommen ihm angeblich beim Joggen an der Isar. "Noch beim Laufen versuche ich sie entsprechend fix zu formulieren und mir bis zu meinem Arbeitsplatz alles gut zu merken", sagt Weinek. Manchmal funktioniert dies sogar mit den Mnemotechniken, die er sich bei Giordano Bruno abgeschaut hat. Der Gelehrte beeindruckte Zeitgenossen durch seinen Arbeitsstil, der auf einem ausgeklügelten Gedächtnistraining fußte.

"Ich achte sehr darauf, dass ich weder Job noch Familie vernachlässige", sagt Weinek. Dass er viel und gerne schreibt, wissen im Hause History allerdings alle. "Ich will niemanden in Zugzwang bringen, sich zu dem, was ich außerhalb der Arbeit tue, äußern zu müssen", sagt Weinek und nimmt damit auch all die Kollegen in Schutz, die über seinen möglicherweise etwas naiven Selbstverwirklichungswillen lächeln. Die Nacht des Ketzers bewegt sich zwischen Mittelalter-Kitsch Marke Die Wanderhure und einer ernsthaften, fast wissenschaftlichen Beschäftigung mit Quellentexten.

Weineks eigenes Geschichtsbild und die Vorstellung, wie ungekünstelt direkt Stoffe wirken müssen, gehen dabei offensichtlich Hand in Hand. "Es ist schon Sex und Crime im Stoff". Und: "Wenn das nicht Unterhaltung wäre, hätte ich mein Thema verfehlt."

Der Mut zum Trivialen findet sich im Roman ebenso wie bei seinen Sendern wieder - dort laufen neben viel Seriösem teilweise Dokus über amerikanische Macho-Angler, die den "Zeitgeschichte"-Begriff kaugummiartig dehnen. "Geschichte darf kein abgeschlossenes elitäres System sein, das mit seiner Fachsprache die einfachen Leute fernhält", verteidigt sich Weinek. "Man muss Geschichte auch verstehen können, wenn man sie nicht an der Uni studiert hat." Er selbst ist ohnehin Quereinsteiger: Seine Dissertation legte er als Jurist in Wien ab.

Vorbild für Weineks Verständnis fürs Geschichte-Erzählen ist dabei eine TV-Größe, die seinen Sendern verbunden ist, und auch den Roman im Klappentext lobt - aber vielen als Buhmann der Zunft gilt: Guido Knopp sitzt im wissenschaftlichen Beirat des History Award, 20 Prozent des ausgestrahlten History-Programms stammt aus Beständen von Knopps Geschichtsredaktion. "Ich bedaure sehr, dass er sich zurückzieht", sagt Weinek, "zumindest für die ZDF-Zeitgeschichte".

Das emsige Bemühen um Anerkennung - angetrieben durchaus auch von der "branchenüblichen Eitelkeit", sagt er - ist ihm, Weinek, zur zweiten Natur geworden. Als einer der Ersten im deutschen Bezahlfernsehen ist er fast seit der Gründerzeit der Branche an den Schalthebeln dabei - und musste dabei viel "Leidensfähigkeit" an den Tag legen. "Lange war das Pay-TV der Paria unter den Medien", so Weinek. Dass Bezahl-Formate, auch seine Eigenproduktionen im Sender, jetzt in der Mitte der Gesellschaft breiter angenommen werden, erfüllt ihn, Weinek, mit Genugtuung.

"Man ist als Fernsehmann sehr verdorben"

Seine eigenen Erfahrungen als TV-Manager hätten ihm beim Schreiben dagegen gar nicht so viel geholfen, wie man vielleicht vermuten könnte. Im Gegenteil: "Man ist als Fernsehmann sehr verdorben, weil man nur in Bildern denkt", analysiert Weinek die eigene Arbeitstechnik. "Irgendwann musste ich wegkommen von den inneren Film-Einstellungen - und einfach zu erzählen beginnen." Trotzdem hält er den fertigen Roman, der mit einer Der Name der Rose-würdigen Todeskampfszene endet - nicht weiter überraschend - für eindeutig TV-tauglich. "Es ist eine Geschichte, die alles hat, was ein Film braucht", sagt er. Vor dem inneren Auge hat er sogar schon einen möglichen Hauptdarsteller: Robert Stadlober. Der Kärntner Crazy-Darsteller wäre ein Landsmann.

Dass der sprichwörtliche Charme unter Österreichern gerne auch mal in elegant kaschierte Boshaftigkeit umschlagen kann, merkt man, wenn der fast 50-Jährige auf seinen zwei Jahre jüngeren Bruder, den Schauspieler Martin Weinek, zu sprechen kommt. Der Hobbywinzer, der einen eigenen "Weinek"-Tropfen anbaut, warf lange Jahre für den Schäferhund Kommissar Rex die Wurstsemmeln. Für die Bruno-Rolle hält ihn sein Bruder aber nicht für geeignet. "Bruno war ein gut aussehender, hagerer, südländischer Typ", sagt Weinek senior. "Martin könnte ich mir eher als Montaigne vorstellen - wenn er zehn Kilo abnimmt."

Weinek kündigt bereits einen "neuen historischen Roman aus derselben Zeit" an. Erst einmal ist er humoristisch gefordert. Bei der angekündigten Wiederbelebung der Satirezeitschrift Pardon, die im Dezember erscheint, hat ihn der Neu-Verleger Wolfram Weimer gewinnen können. Weinek wird eine Kolumne beisteuern, die "Unter Piefkes" heißen soll und vom deutsch-österreichischen Missverstehen handelt.

Zunächst begibt sich Andreas Weinek allerdings auf Heimatreise - literarisch zumindest. Bei den Dreharbeiten für die Olympia-Doku hatte er den Wiener Komponisten Robert Ponger wiederentdeckt, der für die History-Produktion eine Filmmusik beisteuerte. Der zurückgezogen lebende Wiener gilt als Wegbereiter von Falcos einstigem Weltruhm, er produzierte die Musik zu Songs wie "Junge Römer" und "Der Kommissar". "Seit 30 Jahren hat er fast keine Interviews gegeben", sagt Weinek. Er will ihn nun zum Sprechen bringen.

Ihre gemeinsame Falco-Geschichte wurde auf der Frankfurter Buchmesse bereits angekündigt. Spätestens im Sommer nächsten Jahres soll das Buch fertig sein. Vorausgesetzt, die Energie des Schmäh bleibt Weinek erhalten.

© SZ vom 19.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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