Grimme-Preis:Verbal-Note

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Jan Böhmermanns Gedicht auf den türkischen Präsidenten erzürnt Ankara - die Türkei fordert eine Bestrafung des Satirikers. Derweil aber wird Böhmermann in Marl, beim Grimme-Preis, geehrt - wenn auch in Abwesenheit.

Die Türkei verlangt eine Bestrafung des Satirikers Jan Böhmermann nach dessen Schmähgedicht über den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Das Auswärtige Amt erhielt eine entsprechende Verbalnote, wie es am Sonntag aus Berliner Regierungskreisen hieß. Zuvor hatte der Tagesspiegel darüber berichtet. Die Bundesregierung werde den Inhalt der Note sorgfältig prüfen und zügig entscheiden, wie mit dem türkischen Verlangen nach Strafverfolgung umzugehen sei, hieß es. Dazu würden Mitarbeiter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums Anfang der Woche zusammenkommen. Böhmermann hatte das Gedicht mit dem Titel "Schmähkritik" am 31. März in seiner Sendung Neo Magazin Royale präsentiert - und vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon, weil es Anzeigen gegen den Satiriker und ZDF-Verantwortliche gab.

Anlass für das Gedicht war Erdoğans Protest gegen einen Satire-Beitrag des NDR-Fernsehmagazins extra 3. Nach eigenen Worten wollte Böhmermann daraufhin an einem praktischen Beispiel erklären, was in Deutschland von der Satire-Freiheit gedeckt sei und was nicht. Mehrere Medien rücken die Debatte - mehr oder weniger augenzwinkernd - in die Nähe einer Staatsaffäre. "In Deutschland brach eine Art Staatskrise aus, nur weil Sie Herrn Erdoğan als ,Ziegenficker' bezeichnet haben", schrieb Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner in einem offenen Brief an Böhmermann. "Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht", bekannte der Vorstandschef des Medienhauses. "Dass Ihr Gedicht geschmacklos, primitiv und beleidigend war, war ja - wenn ich es richtig verstanden habe - der Sinn der Sache."

Eine Einladung zur ARD-Talkshow von Anne Will schlug Böhmermann aus. Bereits am Freitagabend war er der Grimme-Preisverleihung im westfälischen Marl ferngeblieben. Dort wurde er in Abwesenheit für seine Satire um den Stinkefinger des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis ausgezeichnet ("Varoufake"). Angesichts der bizarren Aufregung um sein Erdoğan-Gedicht hatte der Satiriker vorab angemessen staatstragend um "Verständnis" für sein Fernbleiben gebeten: "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe."

© SZ vom 11.04.2016 / dpa, dade - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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