Frequenztausch:Bayerische Extra-Tour

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Sieben Privatleute aus dem Freistaat haben Popularklage gegen die Pläne zum Frequenztausch von BR Klassik und Puls eingereicht.

Von Claudia Tieschky

Der umstrittene Wechsel des BR-Jugendprogramms Puls vom Digitalen auf eine UKW-Frequenz kommt vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Am Freitag wurde in München eine Popularklage gegen den Plan eingereicht, durch den BR Klassik 2018 seinen UKW-Platz verliert.

Hinter der Popularklage stehen sieben Privatleute, es sind Musikliebhaber und Musiker, darunter zwei Dirigenten, eine Psychoanalytikerin und eine Bäuerin. Die Popularklage ist eine Besonderheit des Freistaats Bayern. Sie erlaubt es jedermann, eine Rechtsvorschrift im Landesrecht direkt anzugreifen, wenn sie seiner Auffassung nach im Widerspruch zu Bayerns Grundrechten steht.

Die nun durch den Anwalt Christoph von Hutten eingereichte Antragsschrift will erreichen, dass ein Teil des Bayerischen Rundfunkgesetzes für verfassungswidrig erklärt wird - exakt jener Passus, durch den sich der BR berechtigt glaubt, das Programm Puls auf UKW zu heben.

Rund um den betreffenden Artikel 2 Absatz 4 tragen Juristen längst einen Gelehrtenstreit aus - bisher folgenlos. Kämen die Richter in München zu der Auffassung, der Absatz sei verfassungswidrig, könnte der BR seine Pläne für die junge UKW-Welle vergessen.

Diese Pläne hatte der Rundfunkrat vor einem Jahr nach langen Querelen gebilligt: BR Klassik wird demnach 2018 nur noch digital über Satellit, DAB plus und Internet zu empfangen sein. Kritiker meinen, dies komme bei der spärlichen Verbreitung von DAB-Radios faktisch einem "Abschalten" des hochwertigen Klassikkanals gleich, der den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag beispielhaft erfülle.

So argumentiert auch die Popularklage in einem weiteren Vorwurf: Der BR verletze die Grundrechte der Rundfunkfreiheit und Informationsfreiheit. Intendant Ulrich Wilhelm und Hörfunkchef Martin Wagner erklärten dagegen stets, sie wollten mit Puls mehr junge Hörer erreichen, aber das Klassikprogramm im Digitalen ausbauen.

Die Richter am Verfassungsgerichtshof werden freilich nicht zur Rivalität Klassik gegen Jugend urteilen. Sie sind mit einem bemerkenswerten Widerspruch zweier Gesetze konfrontiert. Dass die Sache technisch klingt, macht sie nicht weniger kurios. Der "Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Programms" (wie Puls) "gegen ein in analoger Technik verbreitetes Programm" (BR Klassik) "ist nicht zulässig". Das steht im Rundfunkstaatsvertrag der Länder von 2009, den Bayern unterzeichnet hat. Der Freistaat unterzog danach das Bayerische Rundfunkgesetz einer Novelle mit dem Ziel, es dem Rundfunkstaatsvertrag anzupassen.

Die Popularklage dokumentiert nun einen erstaunlichen Wandel rund um den erwähnten Artikel 2 Absatz 4: Im ersten Gesetzesentwurf sind die Vorschriften wortgleich aus dem Staatsvertrag übernommen. Verabschiedet wurde im Landtag aber etwas anderes: Der Tausch digitaler Radioprogramme gegen analoge sei zulässig - wenn die Zahl der Programme nicht vergrößert werde und keine Mehrkosten entstünden. Statt Harmonisierung mit dem Rundfunkstaatsvertrag gab es eine bayerische Extratour - und zwar, wie Plenarprotokolle nahelegen, unter Mitwirkung vieler um den BR enorm besorgter Politiker. Der Sender beruft sich beim UKW-Streit um Puls darauf, dem neueren Gesetz zu folgen. Die Antragsteller der Popularklage dagegen sehen das Rechtsstaatsprinzip und die Bundestreue verletzt.

Der Widerspruch von Landesgesetz und Staatsvertrag scheint in München auch nicht weiter zu stören. Als die Freien Wähler auf dem Höhepunkt des Frequenz-Streits 2014 einen Gesetzentwurf einbrachten, der die Formulierung aus dem Staatsvertrag übernahm, blitzten sie gegen eine große Mehrheit ab.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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