Festival der Fans:Neue deutsche Suchthilfe

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Festivalschwerpunkt Israel: Betulot - Sirens kombiniert Flüchtlingspolitik und Mythologie. (Foto: Tzahi Zelinker)

Von Sirenen und Panthern: Das erste "Seriencamp" fand am Wochenende an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film statt. Fans und Branche trafen aufeinander, um sich abseits sozialer Netzwerke "Face-to-face" über Serien auszutauschen.

Von Benedikt Frank

Selbst klassische Institutionen wie Filmfestivals können sich dem Serienhype nicht mehr entziehen. Das konnte man schon Anfang des Jahres beobachten. Auf der Berlinale fanden Serienpremieren, etwa des Breaking Bad-Spin-offs Better Call Saul oder von Deutschland 83, mehr Aufmerksamkeit als viele der Filme, die dort eigentlich gefeiert werden. Zeit also für ein Festival, das sich ganz den Fortsetzungsgeschichten widmet.

Genau das fand am vergangenen Wochenende an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film statt: Das erste "Seriencamp". Camp - das klingt nach Zeltlager. Und so ähnlich fühlt es sich auch an, wenn sich Fans und Branche treffen, um gemeinsam ins flackernde Serienfeuer zu schauen. "Auf eine Face-to-face-Ebene holen", wollte Festivalleiter Malko Solf damit den Austausch über Serien. Gemeint ist damit: Online in sozialen Netzwerken über sie zu sprechen, genügt ihm nicht. Er weiß, dass das romantisch klingt. Doch wer so eine Veranstaltung organisiert, der muss wohl auch eine sinnliche Beziehung zu ihrem Gegenstand entwickeln. Solf hat sie.

Die Pilotfolge des Seriencamps funktionierte eher als Sammlung von internationalen Produktionen für ein deutsches Publikum, denn als Bühne für Weltpremieren. Mit Spannung erwartet wurde aber etwa die vielversprechende europäische Koproduktion The Last Panthers, die einen Diamantenraub zum Anlass nimmt, um auch die Jugoslawien-Kriege zu thematisieren und die demnächst bei Sky läuft.

Man konnte auch sehen, worüber die Serienfreunde vielleicht als Übernächstes sprechen. Dazu schaute man in München nach Israel, auf ein kleines Land mit überproportional vielen Filmhochschulen. Dass die israelische Serie Hatufim neu aufgelegt unter dem Titel Homeland Erfolge feierte, lässt die Macher in Israel größer denken. Ungewöhnlich ist etwa Betulot - Sirens. Vor einem politischen Hintergrund - Bootsflüchtlinge spielen eine Rolle - liegt das mythologische Motiv der Sirenen.

Der Festival-Trailer vor jeder Vorführung legte jedenfalls mehr Eintönigkeit nahe, als angesichts des Programms nötig war. Serien wurden darin so zusammengeschnitten, dass der Eindruck entstand, es gehe immer nur um den Kampf weißer Männer im mittleren Alter. Auch auf den Panels vor Branchenpublikum stellte man am Freitag fest, dass Autoren ihre Geschichten leichter als Thriller verkaufen.

Ein anderes großes Thema für die Branche ist der "Writers Room", der unter den Serienmachern als magische Geheimzutat für großen Erfolg gilt. Ihm war ebenfalls eine Podiumsdiskussion gewidmet. Die Idee klingt einfach: Eine Gruppe von Autoren erarbeitet gemeinsam ein Drehbuch. In der Praxis ist das komplizierter, nicht nur weil die Egos von Kreativen nicht immer harmonieren. Auch juristisch gilt es einiges zu regeln, weil jeder einzelne Autor ein Urheber mit entsprechenden Rechten am Gemeinschaftswerk ist.

Rechtliche Eigenheiten des Marktes erfuhr das Seriencamp selbst. Denn Serien zu senden und zu streamen ist die eine Sache, sie gegen Eintritt einem Publikum im Kino zu zeigen, eine ganz andere. Dieser Vertriebsweg ist in den Lizenzverträgen oft nicht vorgesehen. Malko Solf und sein Team fanden mit kostenlosen Vorführungen einen Weg aus dem Lizenzdschungel.

Schön für das Publikum. Was haben die Sender davon? "Wir fixen die Serienjunkies an", sagt Festivalleiter Solf. Suchtbefriedigung versprechen dann vor allem die Bezahlsender und Streamingdienste, privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind viel kleiner vertreten. Wer aber etwa an den israelischen Serien Gefallen gefunden hat, wird bis auf Weiteres unbefriedigt bleiben: Keine davon kommt wohl so schnell nach Deutschland. Vielleicht wäre es ja der größte Erfolg des Seriencamps, auch Verantwortliche bei den Sendern süchtig zu machen. Süchtig nach Außergewöhnlichem.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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