Dokudrama:Grobe Striche

Lesezeit: 2 min

Kunstrevolutionär mit Überkämmfrisur - Antonio Banderas in Genius: Picasso. (Foto: Dusan Martincek/National Geographic/AP)

Ein Malerleben als Klischee: "Genius: Picasso" erzählt in Rückblicken von der Karriere eines Jahrhundertmalers. Blöd nur, dass nie ganz klar wird, worin sein Genie genau besteht.

Von Kathleen Hildebrand

Welches Thema wäre zwingender, leichter als Grundlage für Filme und Serien als das Leben eines Genies? Der Protagonist ist in den meisten Fällen berühmt genug, um viele zum Zuschauen zu motivieren. Seine Lebensgeschichte - das Genie ist meistens ein Er, keine Sie - spielt oft in vergangenen Zeiten, die eine hübsche Kostümfilm-Ästhetik versprechen und sie gibt für gewöhnlich alles her, was die klassische Hollywood-Heldenreise erfordert: Große Geister sind Auserwählte, müssen aber meist trotzdem gegen Widerstände ankämpfen. Am Ende aber siegen sie, sind berühmt und werden verehrt, denn sonst würde man ja keinen Genie-Film über sie drehen.

Allein, so einfach ist es nicht und die neue Miniserie Genius: Picasso, die jetzt im digitalen Spartensender National Geographic anläuft, zeigt, warum Genie-Erzählungen eben kein Selbstläufer sind: weil überall um das Genie herum die Klischee-Fettnäpfchen stehen. Und in die greift Regisseur und Autor Kenneth Biller so beherzt hinein, als wären sie Töpfe mit Fingerfarben. Er erzählt das Leben des Malers in Rückblicken des reifen, einigermaßen bourgeoisen Großkünstlers (Antonio Banderas mit einer unfassbar selbstbewusst getragenen Überkämmfrisur) auf die eigenen rebellischen Jugendjahre.

Dabei hakt die Serie alle traditionellen Stationen großer Künstlerleben ab: Der junge Maler (die Produktionsfirma Fox hat offenbar Ärger mit Picassos Nachlassverwaltern, weshalb dessen Name auch in Rezensionen möglichst nicht genannt werden soll) beeindruckt mit seinem außergewöhnlichen Talent ("Wo hast du so malen gelernt?", fragt ein viel älterer Kommilitone). Bis er an der Königlichen Akademie in Madrid angenommen wird. Dort wird es dann naturgemäß schwierig für den jungen Kunstrevolutionär, weil die Altvorderen viel zu verknöchert sind, um sein Genie zu erkennen: "Du bist kein Künstler", schreit ihn ein Lehrer an, "ehe du nicht die Meister nachgeahmt, Anatomie studiert und die Sprache der Geometrie gelernt hast!"

Das aber lässt sich unser Held, wie es sich für ein Genie gehört, nicht gefallen. Als sein reicher Onkel ihm das Geld zu streichen droht, weil er nicht mehr in den altmodischen Unterricht geht, schüttelt der junge Künstler leidenschaftlich das etwas zu lange Haar und spricht: "Ich will lieber verhungern, als meine Malerei in die Kiste der Akademie sperren zu lassen!" Fortan ist er auf der Suche nach seinem eigenen Stil und sagt dabei pathetisch hölzerne Sätze wie "Ich kann nur das malen, was ich fühle!" und "Ein Künstler muss unter die Oberfläche der Dinge schauen".

Dass bei aller Beschwörung nie ganz klar wird, worin sein Genie nun besteht, dass die Serie alle Nebenfiguren nur um die Legende in ihrer Mitte kreisen lässt und dass sie Frauen ihre Daseinsberechtigung trotz einiger gegenteiliger Bemühungen letztlich doch wieder nur als Musen erteilt, muss man kaum erwähnen - all das gehört zu den ewigen Klischees dieses Genres. Dass er die Regeln der Malerei brechen wolle, sagt der Künstler in einer Szene, etwas Einzigartiges schaffen. Diese Serie über sein Leben hätte ihm wohl eher nicht gefallen.

Genius: Picasso , National Geographic, 21 Uhr.

© SZ vom 26.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: