Deutsches Kabelnetz:Der Ritt des Cowboys

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Der US-Medienunternehmer John Malone greift nach dem deutschen Kabelnetz. Sein Einfluss reicht bald von den Niederlanden bis in die Schweiz. Deutsche Sender fürchten sich nun vor teuren Gebühren. Und das Bonner Kartellamt wird von der EU gar nicht erst gefragt.

Hans-Jürgen Jakobs und Christopher Keil

Sein Traum war es, zehn Jahre auf der Ranch zu verbringen, umgeben von Weideland, Rindern und seinen geliebten Mops-Hunden. Aber das hält John Malone, 70, nicht lange durch, der Medien-Investor aus Englewood, einem Vorort von Denver im US-Staat Colorado. Es gibt ja immer irgendetwas zu kaufen auf dieser Welt, sei es Wald in New Hampshire und Maine (4000 Quadratkilometer), die riesige Bell Ranch in New Mexico (1200 Quadratkilometer), Beteiligungen an Firmen wie Time Warner, eine bekannte Buchhandelskette wie Barnes & Noble in den USA - oder Kabelnetze in Europa.

Medien-Investor John Malone will in Deutschland investieren. Das Bonner Kartellamt ist machtlos. (Foto: AP)

So ist der Mann, den sie "Kabel-Cowboy" oder "Darth Vader der Datenautobahn" nennen, plötzlich zum Großspieler in Deutschland geworden. Malone verbreitet Schrecken: bei den öffentlich-rechtlichen Managern von ARD und ZDF, bei deren kommerziellen Konkurrenten von RTL und Pro Sieben Sat 1, beim Kartellamt und bei den Aufsehern in den Landesmedienanstalten. Seine Firma Liberty Global besitzt bereits das nordrhein-westfälische Kabelnetz von Unity Media - und nun will er auch noch Kabel Baden-Württemberg (KBW) übernehmen. Es wäre die Fusion des zweitgrößten mit dem drittgrößten Kabelnetzbetreiber Deutschlands.

Dumm aus deutscher Sicht ist nur, dass die Genehmigung dieses Deals bei der EU-Kommission in Brüssel liegt. Voraussichtlich Mitte Juni will sie entscheiden, ob der Denver-Clan in deutschen Landen zuschlagen kann und zur Macht neben dem Marktführer Kabel Deutschland wird.

Bislang hat das Bundeskartellamt in Bonn vergeblich versucht, das Verfahren weg aus Brüssel nach Deutschland zu holen. Nun schlägt auch Hans Hege Alarm, der Chef der Medienanstalt von Berlin-Brandenburg, und zwar im Namen der übergeordneten Kommission für Zulassung und Aufsicht in Deutschland (ZAK). In einem Schreiben vom 20. Mai unterstützt der Jurist Hege im Namen der "Medienanstalten der Bundesrepublik Deutschland nachdrücklich" die Wünsche des Kartellamts - der Fall Comp/M.5900-LGI/KBW solle nicht in Brüssel, sondern hierzulande geklärt werden. Die Fusion entfalte keine über Deutschland hinausgehende Wettbewerbsfolgen, führt Hege aus, es handele sich beim TV-Kabel um regional abgegrenzte Märkte, also vor allem um die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Der Medienschützer verweist ferner darauf, dass Malone nicht nur im Kabelgeschäft tätig sei, sondern auch über Inhalte, sprich Fernsehprogramme, verfüge: "Durch diese vertikale Integration sind Fragen des Zugangs von Rundfunkveranstaltern zu den Netzen des Gemeinschaftsunternehmens betroffen." Und: "Die Sicherung der Meinungsvielfalt im Medienbereich ist Sache der Mitgliedsstaaten." Die Expertise des Bundeskartellamtes spräche für "eine Rückverweisung", findet Hans Hege.

Die Expertise spräche wohl auch für eine Untersagung, finden Medienaufseher und TV-Manager - die sie eher vom Kartellamt in Bonn erwarten. Dessen Präsident Andreas Mundt tut alles, um die Sache an sich zu ziehen, allerdings mit wenig Chancen.

Schon einmal haben die Kartellbeamten den furiosen Cowboy aus Colorado gestoppt - das war im Februar 2002. Damals untersagte das Amt der Malone-Firma Liberty Media, sechs regionale Kabelnetze für 5,5 Milliarden Euro zu übernehmen. Die waren damals noch im Besitz des früheren Monopolisten Deutsche Telekom. Es handelte sich dabei nicht um jene Gebiete, die jetzt zur Rede stehen. Der US-Konzern könne mit seinen vielen Milliarden vor allem mittelständische Kabelnetzbetreiber verdrängen, erklärte das Bundeskartellamt damals, auch werde die Konkurrenz auf dem Bildschirm beeinträchtigt, da Liberty und Malone ja eigene TV-Programme besäßen und mit zahlreichen Fernsehveranstaltern verbunden seien. Die US-Investoren bekämen Zugriff auf viele Kabelnetz-Zuschauer und könnten die Netze anschließend "zum Vertrieb eigener Inhalte" nutzen. Auch bekäme Liberty eine "sehr große Einkaufsmacht" beim Kauf von Spielfilmen und TV-Serien.

Fast wortgleich könnte der Beschluss von vor fast zehn Jahren in die Argumentation der Malone-Kritiker von heute einfließen. Denn John Malone mischt weiter überall mit, auch wenn er das Kabelgeschäft nicht mehr in der Stammfirma Liberty Media führt, sondern in die Schwester Liberty Global ausgelagert hat. Er bleibt aber als Großaktionär und Mitglied in Gremien wie dem Executive Comittee dabei.

Es handelt sich um ein ansehnliches Imperium, das zu den 15 weltgrößten Medienunternehmen gehört. Vieles ist hier zu finden: das Homeshopping-Fernsehen QVC; die amerikanischen Pay-TV-Angebote der Starz Entertainment Group, wo auch der Atlanta National League Baseball Club beheimatet ist; die Holding rund um den Dokumentationskanal Discovery, zu der in Deutschland Pay-TV-Kanäle und der Sender DMX gehören; die Sparte Cellomedia mit vielen Bezahl-TV-Angeboten und Beteiligungen an Konzernen wie Viacom.

Wird nun Liberty, die Firma von John Malone, in Deutschland von den Sendern hohe Gelder abpressen, damit sie überhaupt im Kabel zu sehen sind? Kann sich künftig QVC über eine Vorzugsbehandlung gegenüber HSE 24 freuen? Oder kommen irgendwann Discovery und DMX gegenüber Phoenix oder dem Pro-Sieben-Frauensender Sixx besser weg? Die Angst in den TV-Zentralen ist groß, schließlich wollen sie auf Dauer nicht mehr für die Kabeleinspeisung teuer bezahlen, sondern selbst Geld dafür von den Netzbetreibern kassieren. In den USA ist das Usus. In Deutschland sollen die neuen HD-Programme den TV-Chefs Geld von den Kabelfirmen bringen.

Doch dass der wichtige Fall Malone in Deutschland entschieden wird, ist nicht zu erwarten. Am 16. April hatte seine Liberty Global Inc. den Kauf von KBW in Baden-Württemberg bei der Europäischen Kommission zur Fusionskontrolle angemeldet. Und das zuständige "Case Team" hat vielfach deutschen Sendervertretern angedeutet, die Sache nicht verweisen zu wollen. Bis zum 16. Juni soll ohne ausführliche Prüfung selbst in Brüssel entschieden werden . Da macht es wenig aus, dass eine solche Abfuhr sehr ungewöhnlich ist. In 21 Jahren und bei insgesamt 97 Verweisungsanträgen aus einem EU-Land ist das erst sechsmal passiert. Auch früher hat die EU-Kommission strittige Kabel-Fälle dem Bundeskartellamt übergeben, wegen dessen "besonderer Sachkunde".

Nun kommt es offenbar zum siebten Mal zur Ablehnung. Die Brüsseler verweisen auf die hohen Umsätze der beteiligten Fusionsfirmen, die eine rechtliche Begutachtung auf EU-Ebene erforderten. Für Malone steigen damit die Chancen enorm, die Fusion durchzubringen.

Die EU-Beamten gelten in dieser Causa als weniger scharf, verglichen mit den Kritikern in Deutschland. Und die heimischen Matadoren fürchten nun, Liberty Global bringe sich in eine sehr dominante Position, und das, obwohl eigentlich Strukturanbieter wie Kabelnetzbetreiber in Deutschland keine eigenen Sender halten dürfen. Die Telekom beispielsweise hat zwar die Internetrechte an der Fußball-Bundesliga gekauft, kooperiert aber für ihr Fußball-Produkt Liga Total mit Constantin Medien. Das in München ansässige Unternehmen steuert Sendungen und Sendelizenz bei.

Malones Manager haben also einigen Grund zur Annahme, dass bald ihr Kabel-Gebiet größer wird. Es würde sich dann von den Niederlanden über NRW und Baden-Württemberg bis in die Schweiz und Österreich erstrecken. Es hätte die Form einer "goldenen Banane", wie es in Kreisen von Liberty heißt. Dann kann der Amerikaner schwungvoll an der Expansion arbeiten, und den Kabelkunden auch Anschlüsse fürs schnelle Internet verkaufen. Monatlich kommt ja per Dauerauftrag aus den Kabelhaushalten eine schöne Erlössumme zusammen.

Von einer Antwort aus Brüssel auf die Intervention des deutschen Medienwächters Hege ist noch nichts bekannt. Für eine Mitteilung bezüglich des Verweisungsantrags wäre er dankbar, schreibt Hege der EU-Wettbewerbskommission. Falls die Herren und Damen dem nicht folgen wollten, "möchten wir uns einen weiteren Vortrag in der Sache vorbehalten".

© SZ vom 27.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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