Wiener Opernball:Mörtel und die Sünde

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Bauunternehmer Richard Lugner, der diesmal Paris Hilton zum Opernball lädt, sieht sich dem Zorn der Kirche ausgesetzt - er soll Abtreibungen unterstützen.

Michael Frank

Der Wiener Opernball wird diesmal nur grün, nicht bunt. Das ist keine ökologische Demonstration, das hat mit der Liebe zu tun. Und den Geschäften, die man mit ihr macht.

Dreimal "Mörtel" in Begleitung: (v. li.) im Jahr 2001 mit der amerikanischen Schauspielerin Farrah Fawcett, 2003 mit Pamela Anderson und in diesem Jahr an der Seite von Societygirl Paris Hilton, als Karikatur mit im Bild. (Foto: Foto: AP, dpa(2))

Der traditionsreiche, in seinen Begleiterscheinungen aber allmählich ins Ordinäre abgleitende Reigen wird an diesem Donnerstag nicht, wie gewohnt, in einem Meer von Blüten schwelgen. Man wird sich mit wenn auch kunstvollem Blattwerk begnügen.

Wiens Gärtnereien, so heißt es offiziell, seien zu mehr Blumenpracht nicht im Stande: Am Vortag war Valentinstag, da gehe Blüte um Blüte restlos an die Verliebten. Da bleibt nichts mehr für die Oper, schon gar nicht Zigtausende Blumen, wie sie den Prunkbau sonst schmückten. Doch,Immerhin soll es 5000 Orchideen geben, Rispen in einem dezenten Apfelgrün.

Obwohl Bundespräsident und Bundeskanzler (diesmal zwei gesellschaftlichem Protz eher abgeneigte Sozialdemokraten), Diplomaten, Familien- und Geldadel in Rudeln auftreten, weiß ein eher windiger Wiener Bauunternehmer zumeist das Vorinteresse am Opernball an sich zu reißen: Richard Lugner, "Mörtel" genannt, fesselt mit Getue um seinen jährlichen, als offiziös ausgegebenen Opernball-Gast das Klatschgewerbe.

Stars, oft in die Jahre gekommene, irgendwie hat das immer mit der Oberweite zu tun - führt er vor und zum Walzer.

Diesmal ist der Bedeutungshorizont eher nach unten gerutscht: Ihm ist Paris Hilton eingefallen, die ihre Bekanntheit unter anderem dem fotografisch dokumentierten Mangel an Unterwäsche verdankt.

Der Abstieg der Gesellschaft von der Operette in die Peepshow scheint unaufhaltsam. Eine Hörerin des österreichischen Radios äußerte sich verärgert wie anerkennend: Paris Hilton könne nichts, das aber ziemlich gut. Lotte Tobisch, die soignierte wie energische Organisatorin des Balles in früheren Jahren, befand das Spektakel schon länger für ziemlich heruntergekommen.

Und der Hausherr, Opernprinzipal Ioan Holender, hat Lugner erklärt, er sei als Donator künftig unerwünscht. Donatoren, das sind jene, die für die Kleinigkeit von 36 800 Euro in einer der begehrten Logen Hof halten dürfen.

Lugner ist unversehens jedoch in ganz andere Turbulenzen geraten. Die Kirche ist auf den Plan getreten und hat einen öffentlichen Streit ausgelöst, ob sich "Mörtel" nunmehr als exkommuniziert zu betrachten habe oder nicht. Der Baumeister, den die einen für einen harmlosen Tölpel mit schlechtem Geschmack, die anderen für einen gerissenen Selbstverkäufer halten, betreibt auch ein Einkaufszentrum, in dem gewöhnlich die Autogrammstunden seiner Gaststars stattfinden.

In dem Komplex am Wiener Gürtel hat sich jüngst auch Venusmed eingemietet, eine seriöse sexualmedizinische Praxis. Und die nimmt neben vielen anderen Therapieformen gesetzesgemäß auch Abtreibungen vor. In Österreich gilt seit Jahrzehnten die Fristenregelung.

Da schleuderte der Salzburger Weihbischof Andreas Laun, ein dogmatischer Eiferer in Österreichs Klerus, gegen Lugner den Bann und erklärte ihn für exkommuniziert, da ein jeder, der sich an der Tötung ungeborenen Lebens beteilige, automatisch von Kirchengemeinschaft und Sakramenten ausgeschlossen sei.

Lugner vertiefte sich seinerseits ins Kirchenrecht und argumentierte, nur ausführende Ärzte und betroffene Frauen seien demnach exkommuniziert, nicht jemand, der nur Räume vermiete. Laun, dem in seinem ganzen Leben offenbar nur der Zorn Gottes, nie aber dessen Güte begegnet ist, legte nach: Lugner lasse seine eigene künftige Kundschaft und seine eigenen künftigen Mitarbeiter "wegmachen", womit er die tiefernste Sache ins Lächerliche zog.

Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn zeigte sich entsetzt: Es ginge nicht an, dass Abtreibungen zwischen Shopping, Getränkemarkt und Kaffeepause erledigt würden. Schönborn wollte aber auch auf eindringliche Fragen die Exkommunikation des Unternehmers nicht bestätigen.

Die "Jugend für das Leben", ein ultraorthodoxer Kirchenjugendklub, begann vor der Lugner-City mit martialischen Parolen zu demonstrieren. Diese Truppe hatte schon gegen Salzburgs sozialdemokratische Landeshauptfrau Gabi Burgstaller agitiert, als sie nach Jahrzehnten von der christsozialen Volkspartei angeordneter Verweigerung die dortigen Landeskrankenhäuser anwies, auch in diesem Bundesland gesetzesgemäß Abtreibungen zu ermöglichen.

Die katholische Aktion Leben wiederum, die sich um seriöse Beratung in Seelennot geratener werdender Mütter bemüht, ist sauer auf die Protestler - sie hielten erst recht verzweifelte Frauen davon ab, Beratung zu suchen, handelten also krass kontraproduktiv.

Österreichs Medien tun sich schwer, trotz des für die Frauen bitteren Hintergrundes einen ironischen bis hämischen Zungenschlag zu unterdrücken. Denn Weihbischof Launs alttestamentarischer Zorn geriet angesichts des Paris-Hilton-Rummels in ein groteskes Eck, den Verdacht nämlich, mit dem eigentlich lachhaften Opern-Ball-Radau eine Grundsatzdebatte anzetteln zu wollen.

"Mörtel" Lugner übrigens befand in bewährt schlitzohriger Naivität, er werde jedenfalls katholisch bleiben. Und er werde gerne mit Laun zusammen nach Maria Zell pilgern, zur Sühne für die Sünden der Welt. "Nötig hätten wir's alle." Der Weihbischof zeigte sich pikiert.

© SZ vom 14.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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