Vogelgrippe-Forschung:Ermittlung gegen Unbekannt

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Die Suche nach Impfstoffen gegen die Vogelgrippe beschäftigt seit Monaten die Wissenschaft in den USA und Europa. Es gibt Hoffnung.

Kristina Läsker

Ruhig war es um die Vogelgrippe geworden, doch nun werfen tote Schwäne in Franken und Sachsen erneut die Frage auf, ob Deutschland ausreichend auf eine Grippe-Epidemie vorbereitet ist.

Bisher haben sich gemäß Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 315 Menschen mit dem Vogelgrippe-Erreger infiziert. 191 von ihnen sind gestorben, die meisten in Indonesien und Vietnam. Obwohl fast nur Südostasien betroffen ist, wächst hierzulande die Angst, dass sich die Geflügelpest zu einer globalen Seuche entwickelt, bei der das Virus von Mensch zu Mensch überspringt.

Bisher hat nur Geflügel die Grippe auf Menschen übertragen, doch Experten fürchten, dass die H5N1-Viren einmal mutieren - woraus der Erreger für eine Pandemie unter Menschen entstehen könnte.

Weltweit suchen Konzerne daher nach einem Impfstoff. Nach Angaben des Weltpharmaverbandes IFPMA beteiligen sich 14 Firmen mit 31 Projekten an dem Wettlauf um das Vakzin. Die Hersteller forschen mit unterschiedlichen Virusstämmen und Methoden.

"Man muss zwei verschiedene Ansätze unterscheiden", sagt ein WHO-Sprecher. Einige Konzerne arbeiten an einem Musterimpfstoff, der dem Virus sehr nahe kommen soll. Problematisch dabei ist, dass dieser Impfstoff erst angepasst werden muss, wenn die Vogelgrippe auftritt und das Erreger-Virus identifiziert ist.

"Im Pandemie-Fall würde es maximal 20 bis 22 Wochen dauern, bis aus den Prototypen ein passender Impfstoff hergestellt ist", sagt Susanne Stöcker, Sprecherin des für Impfstoff-Zulassungen zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts. Die WHO ist pessimistischer: "Die Entwicklung eines pandemischen Impfstoffes könnte sechs bis sieben Monate dauern", sagt ein Sprecher.

Ein zweiter Ansatz der Arzneimittelhersteller besteht darin, einen Impfstoff zu entwickeln, der das mutierte Virus vor Ausbruch der Pandemie bekämpfen kann. Möglich wird dies durch zusätzliche Hilfsstoffe (Adjuvantien), die die Immunreaktion des Körpers verstärken und eine Art Breitbandschutz bewirken.

Neuer Impfstoff ist eine Wette auf die Zukunft

"Die Hoffnung, die auf solch präpandemischen Impfstoffen beruht, ist, dass Betroffene nicht mehr so schwer an der Grippe erkranken, auch wenn sie nicht völlig geschützt sind", sagt Stöcker.

Doch ein Problem bleibt: Ein solcher Impfstoff ist eine Wette auf die Zukunft, da der Erreger der "Supergrippe" unbekannt ist. "Niemand kann das im Vorhinein wissen", sagt ein Sprecher der europäischen Gesundheitsbehörde EMEA.

Als erste Nation haben sich die USA ein präpandemisches Vakzin gesichert: Die US-Kontrollbehörde FDA hat am 19. April ein Präparat von Sanofi Pasteur zugelassen. Die Substanz ist umstritten: In Studien erlangten nur 45 Prozent der Testpersonen Immunität.

Den Musterimpfstoff-Ansatz verfolgen vor allem zwei Konzerne: der britische Impfstoffhersteller Glaxo Smith Kline (GSK) und die Schweizer Pharmafirma Novartis.

Beiden Firmen hat die deutsche Regierung im vergangenen Jahr zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit sie Protoypen entwickeln und im Pandemiefall genug Impfstoff-Dosen für Deutschland produzieren. Im Frühjahr haben beide Konzerne nun eine Zulassung von der EU-Kommission erhalten.

Am 21. März bekam Glaxo die Genehmigung für das Produktionsverfahren für den Impfstoff Daronrix, der an 900 Probanden in Belgien und Deutschland getestet wurde. Am 2. Mai folgte Novartis mit dem Vakzin Focetria, getestet an 4200 Menschen.

Bei GSK werde nun ein Musterwirkstoff der zweiten Generation entwickelt, der aufgrund verbesserter Hilfsstoffe ergiebiger sei, sagt ein Firmensprecher. Glaxo stellt solche Prototypen in den Sächsischen Serumwerken in Dresden her, Novartis betreibt in Marburg eine Anlage. Beide Firmen könnten im Ernstfall dort Grippe-Impfstoff produzieren.

Nachschub gegen eine Pandemie ist auf dem Weg: Bei der EMEA befänden sich weitere pandemische und präpandemische Impfstoffe im Zulassungsprozess, sagt ein Sprecher der Gesundheitsbehörde in London.

Zeitproblem bleibt akut

Bleibt ein Zeitproblem: Sollte eine Vogelgrippe-Pandemie ausbrechen, würde es wohl mindestens zehn Monate dauern, bis alle Deutschen einen ausreichenden Schutz hätten, sagt Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut.

Zeitaufwendig ist vor allem die Produktion von 160 Millionen Dosen Impfstoff. Außerdem müsste jeder Deutsche zweimal geimpft werden, um vollständig immunisiert zu sein. Priorität bei der Impfung hätten "medizinisches Personal", sowie "Personal zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" gefolgt von gefährdeten Personen wie Kindern und alten Menschen, so steht es im Nationalen Pandemieplan des Berliner Robert Koch Instituts (RKI).

Dieser Pandemieplan sieht auch vor, dass sich die Länder zusätzlich zum Impfstoff mit Arzneimitteln gegen eine normale Grippe eindecken, für einen ersten Schutz. "Medikamente sind die erste Barriere", sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut.

Vorrangig zwei Konzerne machen mit den Grippemitteln Geschäfte: Glaxo mit dem Influenzamittel Relenza und der Schweizer Konkurrent Roche mit dem Präparat Tamiflu. Geht es nach dem RKI, so sollen sich die Länder Vorräte für 20 Prozent der Bevölkerung beschaffen. Doch das haben angeblich bisher nur sechs der 16 Bundesländer getan.

© SZ vom 29.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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