Trendhose weiße Jeans:Nichts für Schmuddelkinder

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Currywurst, Kaffee, grüne Wiese - weiße Jeans haben viele natürliche Feinde. Sie sind nur was für Frauen, die stets aussehen, als seien sie gerade frisch geschlüpft. Ode an ein Stückchen Stoff.

Antje Wewer

Sie sind der Spargel unter den Jeans. Ein Saisonprodukt, das sich nur zu einer bestimmten Jahreszeit verkauft, auf das man Appetit bekommt, sobald die Sonne rauskommt, also jetzt. Während Blue Jeans nur noch dann kommentiert werden, wenn sie zu kurz oder zu eng sind, erregen weiße Jeans immer Aufmerksamkeit.

Der Jeans-Kraftstoff für diese Saison heißt zum Beispiel Diesel und wirkt, wie man sehen kann, am stärksten ohne weitere Zutaten. (Foto: Foto: Diesel)

Haben Sie vor, sich diesen Sommer eine neue Jeans zu kaufen, dann investieren Sie bitte in eine weiße. Allerdings sollten Sie vorher ein paar Dinge wissen. Bei Frauen funktionieren diese Hosen nach dem Lolita-Prinzip, sie wirken unschuldig und sexy zugleich. Und bei Männern ist es die reizvolle Mischung aus Playboy und kernigem Seemann, je nachdem wie man sie trägt.

Der pflegeintensive Typ

Weiße Jeans wirken "laissez-faire", und auch wenn man sie in der Großstadt trägt, sehen sie nach Saint Tropez und Sand zwischen den Zehen aus. Dann wieder können sie sehr patent wirken, weil doch ein gewisses Selbstbewusstsein nötig ist, um eine weiße Jeans zu tragen. Zum einen, weil sie eher auftragen, zum anderen, weil man sich in ihnen nicht gehen lassen kann.

In der Regel sind ihre Träger keine Schmuddelkinder, sondern ordentliche Menschen, denen die Marke "Fleckenteufel" ein geläufiger Begriff ist. Nicht umsonst pflegt man in England zu sagen: "She's that sort of girl who wears white jeans." Gemeint ist damit der Typ "pflegeintensive Frau", deren Kleidung nach Waschmittel duftet und die mit manikürten Nägeln und perfektem Make-up aussieht, als sei sie gerade frisch geschlüpft.

Blaue Jeans kann man anziehen, bis sie vor Dreck stehen. Cappuchino-Flecken? Verschwinden im Denimstoff fast vollständig. Sitzfalten? Sehen lässig aus. Abgelatschte Hosenbeine? Fallen kaum auf. Dagegen sind die natürlichen Feinde der weißen Jeans zahlreich: Currywurst, rote Tomatensoße, lederner Fahrradsattel, Platzregen, grüne Wiesen, Kaffee, Himbeermarmelade. Eine weiße Hose kann also schnell zum "One-Hit-Wonder" werden, einmal getragen, landet sie schon wieder in der Wäsche.

Einmal tragen und weg damit

Die Frage ist also, wie bleibt sie weiß? Antwort von Hedi Slimane, ehemaliger Chefdesigner von Dior Homme und Erfinder der 400-Euro-Röhre in Anthrazit: "Einmal tragen und dann nie wieder." Nun ja, wer sich das nicht leisten kann, hält sich besser an Wilbert Das, den Kreativdirektor der italienischen Jeansmarke "Diesel".

Er schwärmt vom ganz speziellen Charme eingetragener weißer Jeans, die ruhig ein paar Schlieren haben dürfen. Während sein Chef, der Firmengründer Renzo Rosso, den mediterranen Look bevorzugt (weißes, aufgeknöpftes Hemd zur weißen Hose), setzt der Holländer Wilbert Das auf den Navy-Stil mit Ringel-Shirt.

Dass die Jeans immer blau war, ist Levi Strauss zu verdanken. Der Bayer wanderte 1853 nach San Francisco aus und entwickelte Arbeitshosen für die Goldgräber. Erst schneiderte er sie aus Zeltplanen, später bestellte er robustes Segeltuch aus der französischen Stadt Nimes, die er mit preiswertem Indigo blau einfärbte.

Die ersten weißen Levi's kamen in den Sechzigern als "Slim Fit" auf den Markt. Eine Fünf-Pocket-Hose aus Twill, gewebtem Stoff in einem sandigen Weiß. Gunter Sachs und Bridget Bardot führten sie an der Côte d'Azur spazieren. Seither stehen sie für Sommerfrische. In den Achtzigern tauchten die weißen Jeans dann wieder für eine Weile als Beinkleidung der Edelpopper auf, und wir dachten, sie kehrt, ähnlich wie Schulterpolster, Wendepullis und der Karottenschnitt, nie wieder zurück.

Nicht alle sehen super aus

Anderseits wissen wir auch: Die Mode funktioniert in Zyklen, und man sieht sich immer mindestens zweimal. Es gibt zwar Jeans-Konservative, die über Jahre einem Schnitt und einer Marke treu sind. Eine neue Farbe darf es aber schon mal sein. Wer schon alle Farben Blau im Schnitt der 501 hat, kauft gerne auch die in Weiß. Die Jeans-Opportunisten machen jeden Trend mit und orientieren sich besonders gerne an Celebrities.

Ganz vorne steht, wen überrascht es, Kate Moss. Sie löste nicht nur bei Fashion-Victims irritiertes Kopfschütteln aus, als sie anstatt in ihrer engen "Superfine" kürzlich in weiten, noch dazu weißen Jeans auftauchte. Da Kate Moss durchaus mit Schmuddelkindern spielt, pfeift sie auf blütenweiße Hosen und setzt so auch bei weißen Jeans einen neuen Trend.

Nun wissen wir aber auch, dass nicht alles, was an Kate Moss oder Steve McQueen großartig aussieht, ebenso bei uns von Vorteil ist. Andere prominente Träger wie Victoria Beckham, die erst kürzlich in einer knallengen weißen Jeans aus ihrer eigenen Kollektion "Rock'n'Republic" gesichtet wurde, dienen eher als abschreckendes Beispiel. Ihre weißen Jeans-Beinchen erinnern an ein Skelett.

Das hat nichts von laissez faire, sondern sieht nur manisch perfekt aus. "Weiße Jeans sind immer ein Statement, weil sie ein Hingucker sind. Wer sie kauft, will auf sich aufmerksam machen", sagt Mode-Experte Andreas Murkudis. Seine Berliner Hinterhof-Boutique ist Anlaufstelle für alle, die auf der Suche nach ausgefallenen Designer-Marken sind.

Acne - keine Hautkrankheit

Sein Favorit für Männer: die "Hope" von Martin Margiela. Weißes Denim, five Pockets, kein Label. Statt eines Etiketts finden sich nur vier Stiche. Kein Label ist in diesem Fall dann doch wieder ein Label. Kostenpunkt: 220 Euro. Zu Murkudis' Mode-Imperium gehört auch die erste "Acne"-Filiale, die 2005 außerhalb von Skandinavien eröffnete.

Während man in Eppendorf oder Schwabing immer noch gerne Marken wie "Seven of all Mankind" oder "Paper Denim Cloth" trägt, zwängt sich der Berliner Kreative meist nur in "Acne"-Röhren. Und oft ohne zu wissen, dass der Name nicht für eine Hautkrankheit, sondern für "Ambition to Create Novel Expressions" steht.

Jonny Johannson ist der Kreativchef und Gründer von "Acne", und er ist der Ansicht, dass eine weiße Jeans, genauso wie ein grauer V-Ausschnitt-Pullover oder ein Cordjacket, zur Basisausrüstung gehört. Nicht nur bei Frauen, auch bei Männern. "Denen empfehle ich aber, die Finger von zu schmal geschnittenen Modellen zu lassen. Weißer Denim ist meist dünner und gibt daher gnadenlos alles preis", sagt Johannson.

Hochwasser wird in

Der 37-Jährige trägt diesen Sommer seine weißen Jeans (Modell: Hug) so kurz, dass die Socken zu sehen sind. Lernen von den Schweden heißt in diesem Fall: Lange Röhre war gestern, Hochwasser ist im Kommen. Bis dieser Trend Deutschland erreicht hat, wird zum Glück noch ein langer heißer Sommer vergehen. "Man merkt richtig, wie der Verkauf ansteigt, sobald die Sonne rauskommt. Im Winter verkaufen wir deutlich weniger weiße Jeans", sagt Michael Strehler, deutscher Geschäftsführer von Levis. Für ihn sind die weißen Exemplare "Sonntagshosen, die schwieriger zu tragen sind als die blauen".

Diese Saison schicken seine Designer ein "anspruchsvolleres Weiß" ins Rennen. Dafür wird ein Indigo-Stoff so weit heruntergewaschen, dass am Schluss nur noch ein leichter Blauton durchschimmert. Weiß ist eben nicht gleich Weiß. Im Sortiment gibt es ein strahlendes Perlweiß, eher mattes Creme oder ein vergilbtes Antikweiß. Männer kaufen am liebsten das Modell "Teapot", das im Schritt etwas tiefer sitzt. Bei den Frauen ist nach wie vor die Röhre 571 der Favorit.

Für Menschen, die sich weiße Jeans gerne anschauen, aber niemals selber tragen würden, gibt es noch eine andere Rettung vor blauem Denim: Da wären die farbigen Jeans von "American Apparel". Sie strahlen in Bright Purple, Slate Grey oder Almost Navy und sind wie die T-Shirts "made in downtown Los Angeles". Will man im Obst- und Gemüse-Jargon bleiben, sind das dann wohl die Fruchtfliegen der Saison. Geht der Sommer, so verschwinden auch sie. Ziemlich sicher.

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