Tiere retten:Heul halt

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So hilflos wie sie gucken, sind Seehunde gar nicht. Aber wenn sie klein sind und ihre Mutter nicht mehr finden, muss sich jemand um sie kümmern. Eine Aufzuchtstation in Norddeich rettet diese Tiere.

Von Thomas Hahn

Olli geht es wieder gut. Er schwimmt jetzt irgendwo in der Nordsee herum und frisst frischen Fisch. Olli ist ein Seehund, und Ende Mai stand es schlimm um ihn. Da lag er abgemagert auf der Insel Wangerooge. Er hatte seine Mutter verloren. Aber Olli hatte Glück. Jemand entdeckte ihn und verständigte die Seehundstation in Norddeich. Dort haben Stationsleiter Peter Lienau und seine Mitarbeiter Olli aufgepäppelt. Anfang August brachten sie den Seehund zur Insel Juist. Sie ließen ihn frei und sahen zu, wie Olli sich wieder vorsichtig Richtung Wasser tastete.

Für die Seehundretter ist es immer ein besonders schöner Tag, wenn sie ein Tier in die Freiheit entlassen können. Ihnen wird dabei bewusst, dass es den Seehunden heute viel besser geht als früher. Vor fünf Jahrzehnten gab es kaum noch Seehunde in der Nordsee, weil Menschen sie durch Jagd fast ausgerottet hatten. Das ist längst verboten. Heute ist das Wattenmeer ein Naturschutzgebiet, in dem Seehunde friedlich leben können. Trotzdem leiden Seehunde noch immer unter den Menschen. Nicht nur Unwetter können dazu führen, dass ein Junges von seiner Mutter getrennt wird. Auch Menschen können schuld daran sein. Zum Beispiel, wenn ein Schiff das Revier kreuzt und Mutter und Jungtier sich nicht mehr finden.

Heuler heißen die kleinen Seehunde, die ihre Mutter verloren haben. Leute wie Peter Lienau kümmern sich um sie und geben außerdem Tipps zum richtigen Umgang mit gestrandeten Seehundbabys.

Braucht jedes von ihnen Hilfe? Nein. Ab Ende Juli sind die Jungtiere in der Regel alt genug, um selbst auf sich aufzupassen. Auch wenn sie etwas hilflos wirken und aus traurigen Kulleraugen schauen, muss sich niemand um sie sorgen. Seehunde verbringen rund ein Drittel ihres Lebens an Land. Es ist also nichts Besonderes, wenn sie am Strand oder auf dem Deich herum liegen.

Aber in den Monaten davor, im Juni und Juli, sind die Seehunde noch so klein, dass sie ohne Mutter nicht überleben können. Dann brauchen sie tatsächlich Hilfe. Der richtige Umgang mit Seehunden ist wichtig. Einerseits für die Tiere, denn jede Störung bringt für sie Stress, Energieverlust und körperliche Schwäche mit sich. Aber auch für die Menschen: Seehunde können beißen und dabei Krankheiten übertragen. "Der Seehund ist ein Raubtier, auch die Jungen haben schon ein ordentliches Gebiss", sagt Peter Lienau. Deshalb: Nicht zu dicht rangehen an einen Seehund. Nicht streicheln. Aber auch nicht an den kleinen verloren gegangenen Heulern vorbeischauen. Wenn Olli von niemandem entdeckt worden wäre, würde er jetzt nicht mehr leben.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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