Thema der Woche:Flockenfreude

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Von Weitem sieht Schnee wie eine weiße Fläche aus. Wenn man genau hinsieht, ist jede Flocke ein kleines Kunstwerk. (Foto: N/A)

Manche versuchen sogar, ihn einzufrieren: Schnee. So selten ist er zum Glück noch nicht. Aber einzigartig. Eine Liebeserklärung an den Schneekristall, egal in welcher Form.

Von Silke Stuck

Jetzt geht es wieder los: Dickes Gestöber und frostige Luft, und alle sind sofort glücklich. Gehen wieder mit gespitzten Ohren durch die Gegend: Knirscht es? Matscht es? Wenn es anfängt zu frieren, warnen die ersten, dass es ja bald gar keine richtigen Winter mehr geben wird, dass wir bald nie mehr Ski laufen können. Schon seit einigen Jahren wird in Skigebieten Schnee sozusagen vorproduziert und am Saisonende an schattigen Berghängen zu Haufen zusammengekehrt. Dort soll er übersommern und die Grundlage auf den Pisten im nächsten Winter sein. "Snowfarming" heißt das.

Schnee ist ein Sehnsuchtsmaterial, jede Flocke ein Wunsch-objekt. Mal tänzelt sie, mal sinkt sie schwer wie ein feuchter Wischlappen zu Boden. Manchmal pikst sie in den Augen wie Stecknadeln oder schmirgelt die Wangen. Manche Menschen können sie riechen, bevor sie fallen. Jede Schneeflocke ist, wie jeder Mensch auch, einzigartig. Ein paar Grundformen gibt es: Stern, Nadel, Blüte, Nudel. Bevor eine Flocke diese Formen annimmt, braucht sie einen Kern, meistens ist das ein Staubteilchen aus der Atmosphäre. Wenn die Temperatur unter Null sinkt, werden Wassertröpfchen an dem kleinen Staubkorn zu Mini-Kristallen. Die verhaken sich ineinander und wenn sie groß genug sind, fallen sie als Schneeflocke runter zur Erde. Auch dabei können sie sich weiter verwandeln.

Wenn viel Schnee fällt, wird jeder Weg auf einmal Expeditionsstrecke, Kampfzone oder Schwindligwerdschneise (wenn wir nichts mehr sehen außer Weißweißweiß). Das lässt auch die Gedanken kreisen: Wie wäre es, eine Schneeflocke zu sein? Man hört ja so Geschichten: Ein Erwachsener geht zurück in die Schule, ein anderer will leben wie ein wildes Tier. Wir also: eins von Abermillionen Wasserkristall-Kunstwerken, im Sturzflug über Häuser, Bäume, Wiesen. Irgendwann legen wir eine sanfte Landung hin - auf einer kalten Nasenspitze.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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