24 Stunden mit . . .:... einer aufblasbaren Jacke

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Klimawandel in einer Sekunde: Der Läufer von heute ist als eine Mischung aus Michelin-Männchen und Astronaut unterwegs.

Carsten Matthäus

In grauer Vorzeit sind Menschen an kalten Tagen wohl mit Wollunterwäsche, dicken Fäustlingen, genagelten Lederschuhen und einem Schal um die Ohren zum Dauerlauf gegangen. Sie müssen etwa so ausgesehen haben wie rennende Polarforscher in Unterwäsche; nach der Anstrengung wird das Gewicht ihrer nassen Kleidung das Körpergewicht überwogen haben.

Viel Luft drin: die aufblasbare Jacke funktioniert tatsächlich. (Foto: Foto: oh)

Wenn sich heute zwei Läufer treffen, könnte sich das so anhören: "Was hast Du denn da an?" - "Du, das ist eine Air System Jacket mit Airvantage, alles aus Performance Shell, mit Comfort Mapping und Reißverschluss-Garage. Und Durability. Und Lightweight. Und Stretch-Einlagen. Und Reflex-Paspeln." Denkt sich der Eine: "Aufgeblasener Fatzke, so genau wollte ich es auch nicht wissen" - und läuft weiter. Der Andere pustet in seine Jacke und denkt sich: "Warte nur, irgendwann gehörst du auch zu uns."

Wer einmal die Air System Jacket von Gore Running Wear anhatte, ist in einem neuen Orbit angekommen. Die Jacke kann man aufpusten, wenn einem kalt wird. Dazu genügt einmal Ausatmen in ein Mundstück - wie tausendmal von Stewardessen vor dem Abflug vorgeführt. Sofort legt sich eine kleine Luftmatratze um Rücken und Brust.

Man sieht dann zwar aus wie eine Kreuzung aus Michelin-Männchen und russischem Kosmonauten, aber echte Funktionspioniere brauchen eben etwas Mut. Dafür wird es augenblicklich schön warm. Drückt man dann kurz aufs Ventil, ist die Luft raus und es wird wieder merklich kühler.

Ein Test bei minus fünf Grad verlief überzeugend. Beim Loslaufen volle Matratze, dann immer ein bisschen mehr Luft raus, bei einem kurzen Dehnen zwischendurch wieder die Luft rein und beim Zurücklaufen langsam wieder Luft und Dampf ablassen. Der fliegende Wechsel des Jackenklimas gelang während des Laufens ohne Probleme.

Warum aber hängt dieser große Wurf der Jackentechnologie nicht längst in jedem Lauf- und Outdoor-Laden? Der Grund ist einfach: Mit einem empfohlenen Preis von knapp 430 Euro ist das Ding nur etwas für echte Feinschmecker. Aber irgendwann werden Pustejacken die Lauftreffs der Welt erobern. Und dann wird man sich kaputtlachen über die zurückgebliebenen Läufer, die noch immer ohne Matratze um Brust und Rücken vor sich hin hecheln.

© SZ vom 23.03.2009/bilu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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