Sterneköche mit Bio-Vorliebe:Die Kunst, ein glückliches Huhn zu finden

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In der gehobenen Gastronomie sind zunehmend Produkte aus ökologischem Anbau gefragt - nicht aus politischen Gründen, sondern weil die Qualität besser ist.

Patricia Bröhm

Das Gemüse, das der Biologe Peter Kunze in der Nähe von Nürnberg zieht, leuchtet rot, gelb oder grün, und wenn Besucher bei ihm zu Gast sind, staunen sie über selbstgezüchteten Mangold, ausgefallene Chilischoten oder Kartoffelsorten aus vergangenen Jahrhunderten. Manches schmeckt so aromatisch, dass auch Spitzenköche schwärmen. "Das ist ein Geschmack, der mich an meine Kindheit in der Steiermark erinnert", sagt Martin Fauster, Küchenchef im Münchner "Königshof".

(Foto: Foto: dpa)

Im Sommer fährt Peter Kunze alle paar Tage nach München, um dort Kunden wie Martin Fauster zu beliefern und ihn zu Kreationen wie "Auberginenröllchen mit marinierten Tomaten" zu inspirieren. Werden Produkte ökologisch angebaut, sind sie, wie die Tomaten von Peter Kunze, umso besser. Aber zwingend ist das für Martin Fauster nicht: "Auf vielen Produkten klebt ein Bio-Siegel, und sie sind doch industriell produziert. Für mich muss ein Produkt in erster Linie geschmacklich überzeugen."

Wie Fauster denken viele Spitzenköche. Sie lassen sich von Kleinstbetrieben beliefern, die nach ökologischen Kriterien arbeiten, ohne unbedingt zertifiziert zu sein. Die Abgabegebühren, etwa für ein Demeter-Siegel, sind vielen zu hoch. "Für mich ist die Zertifizierung nicht wichtig, ich tauche sowieso immer wieder überfallartig bei meinen Lieferanten auf und schaue mir an, wie gearbeitet wird", sagt Vincent Klink. In kaum einem anderen deutschen Sternelokal dürften so viele Ökoprodukte den Weg in die Küche finden wie in Klinks Restaurant "Wielandshöhe" in Stuttgart.

Das Bio-Siegel ist kein Garant

Rund 40 Prozent zertifizierte Ware wird verarbeitet, dazu kommen weitere 40 Prozent von kleinen, ökologisch arbeitenden Zulieferern. Klink schätzt, dass eine volle Arbeitskraft in seinem 25-köpfigen Team dafür draufgeht, den besten Produkten nachzujagen. Ein Aufwand, der für viele kleinere Lokale nicht möglich ist. "Bio-Produkte kosten mehr Kraft, mehr Mühe, mehr Zeit", sagt Klink. "Das Ökobewusstsein ist bei vielen Köchen noch nicht angekommen. Aber ich habe das Gefühl, die Morgendämmerung ist angebrochen."

Dass der derzeitige Bioboom dazu beiträgt, das Bewusstsein der Konsumenten für die Wertigkeit guter Produkte zu schärfen, wird in der Spitzengastronomie positiv bewertet. Immer häufiger finden sich Herkunftsbezeichnungen auf den Speisekarten, Gäste fragen nach, ob sie ein bestimmtes Produkt auch für die heimische Küche bekommen können. Aber die Suche nach den besten Produkten ist durch den Ökohype nicht unbedingt einfacher geworden.

Das Bio-Siegel ist kein Garant für besseren Geschmack, das belegen Vergleichstests zwischen ökologisch und konventionell erzeugten Lebensmitteln. Die Biomöhre vom Discounter sorgt zwar für ein gutes Gewissen, ist aber auch ein industriell gefertigtes Produkt. Vertrauen haben Spitzenköche nur zu Viehzüchtern und Fischern, Obst- und Gemüsebauern, Metzgern und Bäckern, die sie persönlich kennen. Saisonale, regionale Produkte sind gefragt, frische Ware, die nicht durch halb Europa transportiert werden muss, sondern aus dem Umland stammt.

Besonders konsequent betreibt das der Berliner Tim Raue, der Ende vergangenen Jahres das Restaurant 44 am Kurfürstendamm verlassen hat und im Sommer gleich zwei neue Restaurants im Adlon-Palais eröffnen wird. Schon in seiner ehemaligen Küche hatte er das Produktsortiment konsequent auf Regionalität umgestellt. Das heißt: Wildlachs aus der Ostsee, Aal aus dem Greifswalder Bodden, Rinderschulter vom mecklenburgischen Gut Klepelshagen, Eier und Milchprodukte vom Franziskushof in Brandenburg. Auf dem von Franziskanermönchen betriebenen Hof führen Schweine, Schafe, Gänse und Perlhühner ein tierwürdiges Dasein, es wird handwerklich gearbeitet. "Da kaufen wir Maishühner, die sind von einer Köstlichkeit", sagt Tim Raue, ,"die würde ich gegen kein französisches Bresse-Huhn tauschen."

© SZ vom 20.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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