Serie: Whisky, Wasser des Lebens (4):Hohe Prozente in Holz

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Die Lagerung spielt eine entscheidende Rolle für Güte und Charakter von Whisky. Und wie so oft: Je älter, desto reifer ist der Stoff. Aber nicht unbedingt auch immer besser.

Von Andreas Schätzl

Dass Whisky durch Reifung in Holzfässern enorm an Qualität hinzugewinnt, ist eine zentrale, gleichwohl eher zufällig erworbene Erkenntnis: Als nämlich irgendwelche Brenner dermaleinst diese Spirituose unmittelbar nach der Destillation wie üblich in Krüge abfüllen wollten (Flaschen waren damals noch eher selten), aber keine vorfanden. Also notgedrungen ab damit in ein Fass, das gerade herumstand.

Vermutlich dürfte das Fass zufällig aus Eichenholz gefertigt gewesen sein, und genau das hat dann wohl auch eine "Lagerungslawine" losgetreten: Die Brenner bemerkten, dass diese Verwahrung dem Whisky gutgetan hatte - er war deutlich milder und weicher als direkt nach dem Brennen, und das musste was mit der Fasslagerung zu tun haben. Also probierte man dieses zunächst zufällige Procedere gezielt aus, und schon war ein neuer Weg beschritten - Zufälle haben die Menschheit schon so oft nach vorne gebracht.

Komplexe Prozesse

In der Tat vollziehen sich bei der Lagerung von Alkohol in Holzbehältnissen komplexe physikalische und biochemische Prozesse, die unter anderem mit dem Austreten von unerwünschten Substanzen aus dem Fass und der Zufuhr von Luft in das Fass zu tun haben, aber auch mit gegenseitiger Beeinflussung von Holz und Destillat. So reichern unter anderem Lignin, Tannine und Holzextrakte das Destillat während der Lagerung an. Aber: Es muss Eichenholz sein. Nur dieses hat jene poröse Struktur, welche die ungewollten Stoffe nach außen und Sauerstoff nach innen diffundieren lässt und so den mildernden Reifeprozess bestimmt.

Der new make, also das Rohdestillat (Whisky darf es sich in Schottland erst nach mindestens drei Jahren im Fass nennen!), lagert und reift meist in Fässern aus amerikanischer, aber auch aus europäischer Eiche. Vorwiegend kommen die Fässer aus den USA und aus Spanien und Frankreich.

Eine zentrale Rolle beim Einfluss auf Aroma, Geschmack und Farbe des Whiskys spielt nicht nur die Eichenart, sondern auch der Inhalt der Fässer, bevor der junge Whisky reinkommt. Schottischer Whisky wird nur sehr selten in ganz neue, ungebrauchte Fässer abgefüllt, weil der Einfluss des Holzes auf das Destillat sehr stark ist und dessen Eigengeschmack oft massiv überlagern würde. Also lieber bereits gebrauchtes Holz! Während in amerikanischer Eiche zumeist Bourbon- oder Roggen-Whisky gelagert war, deren Einwirken auf den danach darin gelagerten Whisky relativ moderat ist, enthielten die europäischen Behältnisse sehr oft Sherry, Port- oder anderen Wein.

Feinschliff am Ende

Gelangt der Neuling in ein solches Fass, übernimmt er automatisch Farbanteile, Aromen und Geschmackskomponenten vom früheren Inhalt. Bei schwerem Sherry (Oloroso oder Pedro Ximenez) kann das schon mal zu einem stark sherrytönigen Whisky führen, wie es etwa von Glenfarclas oder zum Teil auch von Macallan praktiziert wird. Da dies indes nicht immer gewünscht ist, bieten sich Methoden zur Abmilderung an.

Eine davon ist das sogenannte Finishing, das seit mehreren Jahren immer öfter praktiziert wird: Um vom früheren Fassinhalt lediglich einen "Touch", diesen aber gezielt dosiert zu erhalten, wird der Whisky von seinem ursprünglichen in jenes Fass umgefüllt und darin nachgelagert - in der Regel zwischen zwei Monaten und zwei Jahren, je nachdem, wie stark der neue Einfluss, die neue Bereicherung, sein soll. Auch diese Fässer enthielten ursprünglich meist intensive alkoholische Getränke, wie Sherry, Port, Madeira, Rum, Cognac oder diverse Weinsorten.

Whiskyfässer gibt es in verschiedenen Größen. Die gebräuchlichsten enthalten 200, 250 und rund 500 Liter - daneben existieren sehr viel kleinere Behältnisse, aber auch solche mit 600 Litern Inhalt. Generell gilt: Je kleiner das Fass ist, desto schneller reift der Whisky darin heran, weil er mehr Oberflächenkontakt mit dem Reife fördernden Holz hat.

Alter hat indes nicht unbedingt was mit Qualität zu tun: Viele junge Whiskies mit acht oder noch weniger Jahren Reifezeit sind sehr gut und oft schon recht ausdrucksstark, während so mancher Methusalem eindeutig an Kraft und Struktur verloren hat beziehungsweise von zu viel Holzeinfluss ruiniert wurde. Es gilt: Unterschiedliche Whiskies reifen unterschiedlich schnell heran, manche ändern im Lauf der Lagerung sogar ihren Charakter - abhängig von Marke, Fassart und -größe - und vom Lagerhaus.

In der Tat hat Letzteres ebenfalls viel Einfluss auf den heranreifenden Stoff. Während die geographische Lage der "Herberge" (Binnenland, Küste, Insel) vermutlich weniger stark ins Gewicht fällt, prägt ihre Bauart den Whisky deutlicher. Viele Fachleute schwören dabei auf die teilweise uralten, langgestreckten flachen Steinschuppen mit dicken Mauern, nacktem Erdboden und entsprechend viel Feuchtigkeit - hier sei optimales "Atmen" der Spirituosen in ihren Fässern gewährleistet. Aber schon aus Kapazitätsgründen kommen immer mehr moderne Lagerhäuser zum Einsatz: riesig, hoch, mit vielen Fassetagen übereinander, ziemlich trocken wegen gezielter Belüftung - und meist recht unromantisch. Aber auch diese Gebäude erfüllen ihren Zweck bestens: den jungen Wilden zu einem ausgewogenen, gleichwohl komplexen und faszinierenden Getränk zu machen.

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