Schöner Wohnen im Alter:Sparen für die Erben? Von wegen!

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Die Zeiten, in denen die reichen Alten ein genügsames Leben führten, sind offenbar vorbei. Viel lieber geben sie ihr Geld für einen Lebensabend in Luxusdomizilen aus.

Mareike Ludwig

Als Rita Herle 75 Jahre alt wurde, wollte ihr eine Freundin das Leben im Altersheim schmackhaft machen. Die beiden Damen fuhren in ein Seniorenstift der Barmherzigen Brüder, sie sahen sich das Haus an, und die Freundin lobte den schönen Ausblick auf die Bäume vor dem Fenster. Frau Herle jedoch war nicht zu begeistern. "Weißt du, was das für Bäume sind", sagte sie erbost zur Freundin. "Das ist das Gestrüpp vom Friedhof gegenüber." Und sie hatte noch Weiteres zu beanstanden: "Erstens: Wo soll ich hier meinen Wagen parken? Zweitens: Es gibt keinen Golfplatz in der Nähe."

Nein, ein Zuhause, in dem es nach gescheuerten Linoleumböden riecht und wo der Tod gleich nebenan wohnt, das kam für Rita Herle nicht in Frage. Stattdessen entschied sie sich für einen Lebensabend in Eleganz und mit Alpenkulisse. Wenige Monate später zog sie in die Seeresidenz Alte Post am Starnberger See - ein Luxusdomizil für betuchte Senioren. Hier ist Frau Herle mit der Aussicht sehr zufrieden: Auf der einen Seite ihres Appartements liegt das Seeufer, weiter rechts beginnen die Berge. Die drei Golfplätze in der Umgebung kann sie leider nicht mehr nutzen, seit ihre Lunge so schwach geworden ist, doch bei schönem Wetter schiebt sie ihren Rollator in den Aufzug und fährt zum hauseigenen Seegrundstück hinunter.

Seniorenresidenzen wie die Alte Post in Seeshaupt gibt es in Deutschland inzwischen mehr als ein Dutzend. Sie sind das Upgrade des Altenalltags - kostspielig, aber mit jeder Menge Extras: Wenn Frau Herle danach ist, kann sie beim Roomservice Kaffee bestellen, das Dampfbad in der mediterranen Wohlfühllandschaft besuchen oder am "Heiteren Gedächtnistraining" teilnehmen. Mittags bekommt sie im Restaurant mit Panoramablick ein Vier-Gänge-Menü serviert.

Im Jugendstilsaal der Residenz finden Lesungen, Kabarettabende und Konzerte statt. Gediegene Events, die ihr das Gefühl geben, "dass das Leben nicht einfach so vorbeihuscht". Dafür zahlt sie gerne mehr als doppelt so viel wie in einem normalen Altersheim.

Vermögende Rentner gab es in Deutschland schon immer. Neu ist, dass sie ihr Geld auch ausgeben möchten. Die Zeiten, in denen die reichen Alten ein genügsames Leben führten, während sich auf dem Konto das Vermögen zu Gunsten der Erben mehrte, sind offenbar vorbei.

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat sich der Gesamtkonsum der über 74-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren von 43 auf 80 Milliarden Euro erhöht. Diese Entwicklung ist natürlich auch demographisch bedingt: Der Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung steigt, und damit auch der Anteil vermögender Senioren. Zudem steht der nächste Schwung unternehmungslustiger Rentner bereits vor der Tür: die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsgeneration, die allmählich das Pensionierungsalter erreichen.

Wissenschaftler und Marketingexperten bezeichnen sie als "Babyboomer": Selbstbewusste Frauen und Männer, die mit dem Wirtschaftsaufschwung groß wurden, die ihr Leben aktiv gestaltet haben und auch jetzt noch lange nicht stillstehen möchten - noch nie war eine Generation derart gebildet, wohlhabend und technikbegeistert. Um solche Entwicklungen angemessen zu interpretieren, hat das Massachusetts Institute of Technology (MIT) Ende der Neunziger eine eigene Forschungsabteilung eingerichtet. Für die amerikanische Elite-Universität steht fest: Die Alten werden die Zukunft maßgeblich mitgestalten.

"Die Sichtweise auf den letzten Lebensabschnitt verändert sich zusehends, vor allem der negative Beigeschmack verschwindet", erklärt Anna Pohlmeyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am MIT AgeLab. "Für die Rentner von heute bedeutet Älterwerden nicht automatisch eine Einbuße von Lebensqualität." Deshalb reiche es nicht mehr aus, lediglich die grundlegenden Bedürfnisse der Senioren zu decken, es gehe darum, ihre Wünsche zu erkennen. Offensichtlich wird diese Erkenntnis zunehmend in Geschäftsmodelle umgesetzt. In Deutschland entdeckt die Wirtschaft die solventen Alten als Marktsegment.

Mitten im prallen Leben

Noch gibt es Mängel beim Angebot. "Alte Menschen, die sich über gehobene Unterkünfte informieren wollen, werden völlig alleine gelassen", sagt Verleger Thomas Neureuter. Deshalb bringt er einmal jährlich einen Katalog heraus, der den Namen "Residenzen. Premium-Wohnen im Alter" trägt. Neureuters Idee war es, eine Art Guide Michelin der Luxusaltersheime vorzulegen. Getestet werden die renommiertesten Häuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in der aktuellen Ausgabe sogar ausgewählte Unterkünfte in Spanien und Florida. Anhand einer Zeichenlegende können Interessierte überprüfen, welche Standards die jeweiligen Domizile bieten: ein kleiner Bilderrahmen etwa steht für "Kunstgalerie", ein Fähnchen für "Golfplatz" und ein Wellensymbol für "Whirlpool". Die Mieten schwanken zwischen 1200 Euro für ein Zimmer und mehreren tausend Euro für die gehobenen Appartements und Suiten.

Während einige Häuser mit ruhiger Lage in idyllischen Landschaften werben, locken andere mit dem prallen Leben der Großstadt. Die Münchner Tertianum-Residenz zum Beispiel befindet sich in bester Wohnlage, mitten im trendigen Glockenbachviertel. Hier verteilen sich 116 Wohnungen und 20 Pflegeappartements um einen begrünten Innenhof - Kräutergarten und Kneippbecken inklusive. Das Foyer ist in edlem Kirschholz gehalten, die Rezeption 24 Stunden besetzt. Die Sahnestücke des Hauses: Zwei Penthousewohnungen mit je 140 Quadratmetern Wohnfläche und umlaufendem Balkon; der Lift fährt direkt ins Appartement. Das kostet 6500 Euro im Monat.

In einer kleineren Wohnung wohnt Hanna Bruno: Als Leiterin zweier heilpädagogischer Anstalten hat sie in ihrem Leben viel gearbeitet. Da könne sie es sich jetzt, mit 85 Jahren, ruhig mal ein bisschen gutgehen lassen, findet sie. Gerade hat sie sich vom Coiffeur des Hauses die Frisur richten lassen, jetzt schiebt sie schnell ein Kaffeepäuschen ein, aber danach muss die unbedingt "raus, raus, raus". Die Sprunggelenke bewegen. Denn die sind, seit sie im Tertianum wohnt, Frau Brunos einzige Sorge.

© SZ vom 26.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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