Schön doof:Spur der Steine

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Der Frühling kann kommen, findet Claudia Fromme. Blöd nur, dass der Winter den Platz an der Sonne mit Streusplitt gepflastert hat.

Der Frühling kann kommen, findet Claudia Fromme. Blöd nur, dass der Winter den Platz an der Sonne mit seinem härtesten Souvenir gepflastert hat: Streusplitt.

Der Winter hat in dieser Woche schon einmal einen Feldversuch in Richtung Frühling unternommen. 14 Grad in München, 13 in Düsseldorf, 16 in Freiburg, 10 in Rostock. Sonnenbrillen raus, sofort! Ein Kännchen bitte für draußen, nein, die Decke für die Knie lassen wir heute einfach weg.

Der Kellner kommt, es knirscht. So wie es auf dem Platz vor dem Büro knirscht. Und auf dem Radweg. Auf dem Trottoir. In der U-Bahn. In der Wohnung. Vor allem da. Frühling mag sein blaues Band zaghaft durch die Lüfte gewedelt haben, der Winter wirft ihm sein übelstes Souvenir hinterher. Er ist's: der Streusplitt. Natürlich sind die kantigen Steinchen durchaus umweltfreundlicher als Salz, wenn es um die Beseitigung von Glätte geht. Aber in der Technikfolgenabschätzung hat der Splitt eine übel lange Nachwirkung, mindestens bis zum Frühsommer bleibt er.

Auch wenn die Straßenreinigung unter Aufwirbelung größter Feinstaubmengen vielerorts längst ausgezogen ist, um den Splitt aufzukehren, damit er nicht die Kanalisation verstopft, knirscht es immer irgendwo. Die große Tochter läuft mit den im Profil ihrer Schuhe verkanteten Steinen in der Wohnung herum und fräst Kunstwerke ins Parkett wie weiland Denise Biellmann mit ihren Kufen in die Eisfläche. Die kleine Tochter isst die Steine, die aus dem Hosenaufschlag fallen, sofern sie den Splitt nicht in die im Flur geparkten Schuhe streut. Der Nachbar klagt über Schäden am Lack seines Autos, der Kollege kann nur mit Mühe einen Unfall auf dem Radweg verhindern, weil die Steinchen sein Mountainbike zum Schlittern gebracht haben, was wiederum kurios ist, soll der Splitt doch gerade das verhindern.

Während die Suche nach Alternativen zum Streusplitt noch anhängig ist, muss allein der volkswirtschaftliche Schaden betrachtet werden. Die ruinierten Parkettböden, die zerkratzten Lederschuhe, die gefrästen Autos, die demolierten Räder.

Das sind doch die wahren Wohlstandssorgen! Da muss doch jemand mal ein Machtwort sprechen, am besten von ganz oben! Kann sich nicht eines der Multiministerien darum kümmern? Das BMFSFJ vielleicht? Immerhin geht es in der Frage auch um den Familienfrieden. Oder das BMUB? So richtig toll soll der Streusplitt in der Umweltbilanz gar nicht sein, weil man die vom Winteralltag geschliffenen Steine nur schwer wiederaufbereiten kann für den nächsten Winter. Oder vielleicht doch das BMVg? Ja, am besten das. Die Schönheit der Radwege, der Schuhe, des Parketts, sie muss verteidigt werden.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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