Schön doof:So weiß der Frühling

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: N/A)

Erst jammern alle darüber, dass kein Schnee fällt - dann darüber, dass er im Frühjahr fällt. Etwas mehr Gelassenheit, bitte!

Erst jammern alle, dass kein Schnee fällt. Dann jammern alle, dass er im Frühjahr fällt. Anne Goebel findet: Weg mit dem inneren Saisonkalender!

Vor Weihnachten sah es so aus: Im Keller alles startklar für die Piste, Skier und Stöcke standen bereit, die muffige Mädchenmütze vom Secondhand-Basar frisch ausgelüftet. Am 4. Advent sangen wir zuversichtlich "Schneeflöckchen, Weißröckchen", aber - nichts. Die Hänge blieben kahl, Skiurlaub verkürzt, ganze Kinderkurse entfielen. Der Elan war von da an, nun ja, gebremst.

Jetzt kommt Ostern, Palmkatzen blühen, die Lage im Gebirge ist erschütternd erfreulich. Die Alpen ein weißes Land, Webcams mit stäubendem Schnee im Gegenlicht, jeder Tellerlift scheint zu laufen. Was soll das sein, eine besonders maliziöse Laune von Mutter Natur? Sabotieren die Viségrad-Staaten den westlichen Wintertourismus?

Wenn man sich anschaut, wie mit maximaler Aufgeregtheit das Unvermeidliche thematisiert wird, die sich wandelnden Jahreszeiten nämlich, dann ist es manchmal wirklich nicht weit zum Unfug von Verschwörungstheorien. Tatsache ist: Das Klima verändert sich. Winter, die schwach starten, in der Mitte durchhängen und erst gegen Ende vielleicht noch werden - an solche Kapriolen müssen sich Skifahrer gewöhnen. Das gelingt nicht von heute auf morgen, viele Menschen fahren eben gerne in verlässlich weiße Skiferien, und viele Menschen verdienen gut daran. Aber müssen es jetzt, wo die bequeme Gewissheit dahin ist, die ganz großen Untergangsszenarien sein? Gruppe eins der Apokalyptiker: die Aufrüster. Sie malen das Schreckgespenst verarmender Bergregionen an die Wand, wenn nicht ganz schnell wahnwitzig klingende Summen in den Ausbau von Skischaukeln gesteckt werden. Dann die leicht griesgrämigen Unheilsprediger, die plötzlich im Bekanntenkreis auftauchen, früher plante man gemeinsame Familienausflüge. Zum Skifahren? Hochgezogene Augenbraue, ökologisch verwerflicher gehe es ja kaum. Und natürlich bringe man dem Jüngsten die zu Recht aussterbende Pisten-Juxerei gar nicht mehr bei.

Geht's nicht ein bisschen gelassener? Man könnte, nur zum Beispiel, die guten Skitage einfach nehmen, wie sie fallen, ob es nun Dreikönigs- oder ein Märztag nach Ostern ist. Dazu muss man bloß den inneren Saisonkalender überlisten, man macht sich morgens auf (zugegeben, das geht von München, aber nicht von Würzburg oder Köln) - und, pssst, während die anderen über die halbvermasselte Saison lamentieren, ist auf den bayerischen Hausbergen manchmal fast nichts los.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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