Schön doof:Die Eingroschenoper

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: N/A)

Geld regiert die Welt. Aber jetzt durfte auch mal eine kleine Münze eine wichtige Rolle spielen. Und das sogar im US-Wahlkampf, beim Demokraten-Duell in Iowa.

Von Julia Rothhaas

Geld regiert die Welt. Nun durfte endlich auch mal die Münze eine wichtige Rolle spielen. Und das sogar im US-Wahlkampf

Bei den Vorwahlen der US-Demokraten in Iowa am vergangenen Montag lagen Hillary Clinton und Bernie Sanders beziehungsweise ihre Bezirksdelegierten (nein, muss man nicht verstehen) in einigen Orten gleichauf. Weil das zwar schön gerecht klingt, aber im Wahlkampf keinen Sinn macht, sollte der Zufall entscheiden. Deswegen wurde eine Münze geworfen. Am Ende hatte Clinton die Mehrheit.

Dass in dem professionalisierten Wahlkampf, in dem Geld so eine große Rolle spielt, ausgerechnet eine kleine Münze zum Einsatz kommt, hat etwas Rührendes. Abseits des Fußballplatzes passiert das ja kaum. Schade, denn dieser wunderbar altmodische Akt bringt Klarheit in der Menschen Leben und fordert Demut. Kopf oder Zahl, da bleiben keine Fragen offen. Außer die Münze fällt auf die Kante.

Der Münzwurf erzeugt trotz seiner Überschaubarkeit große Spannung. Man wäre gerne dabei gewesen in Iowa, wie all die Parteimitglieder und Wahlbeobachter in ihren Turnhallen standen und in den Taschen nach einem Vierteldollar kramten. Wie der Quarter durch die Luft flog, die Umstehenden den Atem anhielten, die Münze ein paar Mal auf dem Boden im Kreis sprang und sich schließlich alle Köpfe zu Boden neigten, um auf ihre Flanke zu glotzen. Zum Glück kam niemand auf die Idee, das Smartphone zu zücken. Denn selbst der Münzwurf ist längst zu einer App geworden.

Schon die Römer sollen so ihre Zwistigkeiten gelöst haben, wenn auch mit einem eingeprägten Schiff statt einer Zahl. Und die Stadt Portland im US-Bundesstaat Oregon wäre im Jahr 1845 fast Boston genannt worden, hätte das der sogenannte Portland Penny nicht verhindert. Sogar Barack Obama soll gesagt haben: "Ich muss wohl eine Münze werfen", als er sich vor dem Einsatz der Navy Seals fragte, ob Osama bin Laden wirklich das Anwesen im pakistanischen Abbottabad bewohne.

Neben Geldschein und Kreditkarte ist die Münze das Kasperle im Portemonnaie: Sie wird in italienische Brunnen geworfen, in den Einkaufswagen gesteckt oder durch Prägemaschinen vor Zoos, Schlössern und Höhlen gequetscht. Jetzt sollen die Ein- und Zwei-Cents in Kleve am Niederrhein sogar ganz verschwinden, weil die Händler dort genervt sind von dem Kleingeld. Doch bereits morgen verschafft sich die Münze erneut Respekt: Dann werden ein Haufen muskelbepackter Männer wie gebannt auf sie starren, wenn sie allein entscheidet, welches Team beim Super Bowl anfangen darf.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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