Schön doof:Adieu, Baselitz

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: Bene Rohlmann)

Bedeutende Künstler haben damit gedroht, ihre Leihgaben aus den Museen abzuziehen. Martin Zips meint: Ein paar mehr leere Wände, das wäre eigentlich gar nicht so schlecht für die Kunst. Es gibt ja auch Alternativen.

Von Martin Zips

Der überaus erfolgreiche Künstler Georg Baselitz hat, persönlich etwas erhitzt wegen der Veröffentlichungen über das noch lange nicht verabschiedete Kulturgutschutzgesetz, seine Leihgaben in einigen deutschen Museen zurückgefordert. Schlimm?

Zunächst einmal würde, wenn Baselitz und verschiedene andere Künstler ihre Werke aus Angst vor einem möglichen Exportverbot tatsächlich abzögen, der Kunstinteressierte vor leeren Wänden stehen. Aber auch in leere Wände lässt sich viel hineininterpretieren. "Ist Ihnen schon die geniale Platzierung dieser Steckdose aufgefallen?" Oder: "Unglaublich, welche Nuancen das Weiß hier bietet." Der Mensch braucht Kunst wie die Luft zum Atmen. Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen, sie ist der Wein des Lebens. Würden alle Baselitze von heute auf morgen verschwinden - der Mensch würde sich eben was Neues suchen.

Kinderzeichnungen zum Beispiel. Oder eine hübsche Topfpflanze. Oder einen schönen Stuhl. Das ist doch auch Kunst, oder nicht? Ausgetretene Stöckelschuhe, bunte Plastikblumen oder crazy verbogene Büroklammern. Würden all die Baselitze bald verschwinden, so wäre in den Pinakotheken für ganz viel anderes Platz.

Vielleicht würden dann auch die (unter dem Druck ihrer Online-Konkurrenten leidenden) Kaufhäuser bald zu Museen. Ein paar Bazon-Brock-ähnliche Kurzbesprechungen neben den zum Kauf angebotenen Raspeln, Rührmixern und Rasierern - schon wäre das Kaufhaus ein Kunsthaus. Statt Verkäufern könnten ab sofort Ciceroni Form und Funktion von Staubsaugern erklären oder den Umgang mit Borstenhaarpinseln und Spaßknete. Könnte sich sogar rechnen. Im Biergarten erhielten künftig alle Besucher zum Schweinsbraten einen Audioguide, auf dem ihnen der Küchenkurator die Anordnung der Serviettenknödel erläutert. Mechaniker und Installateure könnten ihre Werkstätten zu Galerien umwidmen und dort ihre Handwerkskunst zeigen. Ja, verschwänden bald wirklich alle Baselitze aus unseren Museen, dann hätten endlich auch mal jene Künstler Chancen auf Beachtung, die ihre Bilder nicht auf den Kopf stellen oder - wie der 17-jährige Leon Löwentraut - von einer geld- und publicityvernarrten Kunst- und Medienszene ein bisschen früh zum neuen Picasso hochgejubelt werden.

"Da hat irgendein Typ Nasenbluten und verlangt dafür 30 000 Euro?", fragt in der Filmkomödie "Ziemlich beste Freunde" der Pfleger Driss den querschnittsgelähmten Millionär Philippe vor einer mit roter Farbe bespritzten Leinwand. Driss' Frage ist sympathisch. Weil sie kindlich naiv nach den Gründen für einen völlig hochgejazzten, am Leben aller Nicht-Millionäre und Nicht-Experten beständig arrogant vorbeiziehenden Kunstmarkt fragt.

Klar, Baselitz fürchtet sich vor finanziellen Einbußen - Farben kosten viel Geld. Deshalb sammelt er seine Leihgaben jetzt wieder ein. Zeit für die Museen, was Neues auszuprobieren. Nur keine Angst, wer sich dabei eine blutige Nase holt.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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