Risikofaktor Kiffen:Gras mit Spätfolgen

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Wer Haschisch raucht, hat ein vielfach höheres Risiko, später an Psychosen, schizophrenen Halluzinationen oder Wahnvorstellungen zu erkranken.

Felicitas Witte

Cannabis ist die illegale Droge, die weltweit am häufigsten verwendet wird. Wer kifft, fühlt sich zwar euphorisch und empfindet vieles intensiver. Experten vermuten jedoch schon länger, dass die Droge Psychosen auslösen kann.

(Foto: Foto: dpa)

Eine Übersichtsarbeit im Fachblatt Lancet vom heutigen Freitag weist nun einen klaren Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und psychotischen Erkrankungen nach (Bd.370, S.319, 2007).

Wer jemals Cannabis konsumiert hat, ist demnach einem um 40 Prozent höheren Risiko ausgesetzt, später schizophrene Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Depressionen oder Denkstörungen zu entwickeln.

Je mehr, desto schlimmer: Bei Menschen, die sich häufiger dem Cannabisrausch hingaben, ist das Psychoserisiko sogar um 50- bis 200 Prozent erhöht.

Die Gruppe um Stanley Zammit von der Universität Cardiff hatte 35 Untersuchungen zu Cannabis analysiert. "Die Studie weist klar darauf hin, dass Cannabiskonsum neben der familiären Belastung ein weiterer Risikofaktor für die Entwicklung einer Psychose ist", sagt Peter Falkai von der Psychiatrischen Universitätsklinik Göttingen.

Dieser Zusammenhang wird zwar immer wieder angezweifelt. Denn es könnte genauso gut sein, dass nicht Cannabis die Psychose verursacht, sondern dass Menschen mit Psychosen eher zu dem Rauschmittel greifen. Doch die britischen Forscher hatten viele Einflussfaktoren berücksichtigt. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Psychosen ist damit aber immer noch nicht bewiesen.

"Eine Unsicherheit bleibt bei derartigen Beobachtungsstudien immer", sagt Wulf Rössler von der Universitätsklinik für soziale Psychiatrie in Zürich. Pathophysiologisch lässt sich der Zusammenhang gut erklären: Cannabis bindet im Gehirn an körpereigene Cannabinoidrezeptoren und aktiviert den Überträgerstoff Dopamin - eine Überfunktion von Dopamin ist ein Mechanismus für die Entstehung der Schizophrenie.

Auf einen kausalen Zusammenhang weist auch eine aktuelle Studie von Rössler hin: Diese zeigt, dass der Cannabiskonsum bei jugendlichen Schweizern seit Legalisierung der Droge in den neunziger Jahren um etwa 45 Prozent bei Jungen und 34 Prozent bei Mädchen zugenommen hat.

Gleichzeitig erhöhte sich die Rate neuer Schizophrenie-Fällen bei jungen Männern um das zwei- bis dreifache, bei Frauen allerdings nur geringfügig. "Der in der Vergangenheit propagierte freie Umgang mit Cannabis muss überdacht werden", warnt Falkai. "Besonders für junge Menschen gilt: Besser nicht kiffen!"

© SZ vom 27.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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