Reportage:Wie kommt das Glück in den Keks?

Lesezeit: 3 min

In der Bäckerei von Familie Schäfer in Niederbayern werden keine Brötchen gebacken. Denn es ist Deutschlands erste Fabrik für Glückskekse - ein schlaues Geschäft.

Von Sarah Pache

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(Foto: Georg Cadeggianini)

Verpackung aufreißen. Keks aufbrechen - knack. Und dann ist da der kleine Zettel. Hoffentlich mit einer guten Botschaft.

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(Foto: Sarah Pache)

In 15 Minuten rührt der Mixer aus Mehl, Wasser und Aromen den Glückskeks-Teig.

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(Foto: Sarah Pache)

Glückskekse sind zunächst nichts anderes als kleine Pfannkuchen. Ein Keks wiegt sieben Gramm.

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(Foto: Sarah Pache)

Aufgereiht auf dieser schmalen Schiene erhalten die Kekse ihre Form. Am Schluss muss es schnell gehen, der Teig härtet in wenigen Sekunden.

Wenn bei Familie Schäfer Backtag ist, riecht es bis hinauf ins Nachbar- Dorf. "Habt's heid wieder gebacken", sagen die Nachbarn dann.

Die Familie Schäfer aus Bad Abbach in Niederbayern, gut 15 Kilometer von Regensburg entfernt, besitzt eine kleine Fabrik. Ein kleines Schild weist den Weg zum Lager. Mehr deutet nicht darauf hin, dass hier keine Brötchen gebacken werden. Auch keine Kuchen, sondern Glückskekse. Ja - dies ist die erste Glückskeksfabrik Deutschlands.

Die Kinder von Ralph Schäfer hielten es für einen typischen Witz ihres Vaters, als er ihnen eines Abends verkündete: "Kinder, ab jetzt backe ich Glückskekse!" Nee, klar.

Glückskekse kommen nicht aus China, sondern aus den USA

Der Vater hatte schon immer verrückte Ideen, zum Beispiel, essbare Unterwäsche zu produzieren. Diesmal war es kein Witz: Drei Monate später kaufte Ralph Schäfer tatsächlich eine Backanlage aus den USA.

Was kaum jemand weiß: Glückskekse haben rein gar nichts mit China zu tun. Weder wurden sie dort erfunden, noch ist es eine besondere asiatische Tradition. Die stammt aus Amerika, von dort kam das Glücksgebäck in den 1960er-Jahren über die Niederlande und Großbritannien zu uns und in chinesische Restaurants. Über die Jahre hat Familie Schäfer an dem perfekten Glückskeks-Rezept getüftelt. Viel Zutaten braucht es dafür nicht: Wasser, Mehl, Zucker, Aromen wie Zitrone und Vanille. Seit 17 Jahren entstehen so etwa 20 000 Kekse am Tag.

Raphael Schäfer hat vor gut einem Jahr die Glückskeksfabrik vom Vater übernommen. Manchmal steht er noch selbst am Fließband. (Foto: Sarah Pache)

Mit ein bisschen Lebensmittelfarbe können die Kekse schnell auch rot, blau oder schwarz werden. Unglückskekse mit lustigen Sprüchen seien stark im Trend, sagt Raphael Schäfer, einer der Söhne, der mittlerweile die Fabrik übernommen hat. Die sieht aus wie eine stinknormale Industrieanlage: Wellblech, Regale, Berge von Mehltüten. In dem Lager mit all den Kartons, in denen das Glück verschickt wird, und der Produktionshalle kann es im Winter ziemlich kalt werden. An einem Ort aber ist es mollig warm. Dort steht das Herzstück der Fabrik, die Glückskeks-Backanlage. Eine von nur drei Anlagen in ganz Europa: ein sieben Meter langer Ofen, der aus flüssig-klebrigem Teig knusprige Glücksbringer herstellt.

Doch wie genau bekommen die Kekse ihre halbmondartige Form? Und wie kommen die Zettel rein?

16,5 Kilo Mehl werden mit den anderen Zutaten in einem Mixer verrührt. Der ist so groß wie ein erwachsener Mensch. Ungefähr 2000 Kekse entstehen pro Backvorgang. Mit einer Pumpe werden kleine Teigportionen auf runde Backeisen gespritzt. Man muss sich das wie viele kleine Mini-Crêpes-Bleche vorstellen, die in Zweierreihen durch die Anlage fahren. Damit es schneller geht, drückt eine weitere Platte von oben auf den Teig, und viele kleine Gasflammen heizen den Ofen auf 145 Grad ein. So drehen die Mini-Crêpes anderthalb Minuten lang eine Runde durch den heißen Stahlkoloss. Am Ende wartet ein elektronischer Greifarm und zieht die Mini-Pfannkuchen auf eine Form mit einem Loch. Jetzt bleibt nicht viel Zeit: Innerhalb von Sekunden muss der warme Teig mit dem Zettel bestückt und gebogen werden, ansonsten wird er nämlich hart und zerbricht.

Eine Vakuumpumpe greift sich einen Zettel und legt ihn auf den Teig, kurz bevor alles nach unten durch das Loch gedrückt wird. So entsteht die Halbmond-Form. Aber: Wer denkt sich jetzt die Sprüche auf den Zetteln aus? Das ist leider weniger spannend, als man es sich vorstellt. Meistens entscheiden Auftraggeber, welche Sprüche sie gern auf Papier und am Ende in den Keksen haben wollen. Denn oft werden Glückskekse benutzt, um Werbung für eine Firma zu machen. Wie eine Zahnärztin, die ihren Patienten vor Weihnachten noch eine nette Botschaft mit auf den Weg geben wollte. In manchen Keksen steckten dann Sprüche wie: "Ein böser Zahn ist ein böser Gast".

Wenn jemand wie Raphael Schäfer "Glück am Fließband" produziert, weiß der dann besser, was Glück ist? Schäfer überlegt. Es mache ihn glücklich, sagt er, die verrückte Idee seines Vaters fortsetzen zu dürfen. Dann sprudelt es aus ihm heraus: "Ich bin gesund, habe eine tolle Freundin und eine witzige Familie. Eigentlich habe ich das Glück längst gefunden."

Komisch, dass man das Naheliegende oft nicht sieht. Das wäre auch ein guter Glückskeksspruch.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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