Raumfahrtforschung:Ein ganzes Jahr im Zelt

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Raus aus dem Zelt: Nach 365 Tagen löst sich die Sechser-Mars-WG auf, eine der merkwürdigsten Wohngemeinschaften der Erde. (Foto: AFP)

Kein frisches Obst, keinen Freund, niemanden aus der Familie sehen: Mars-Reisende müssen einiges aushalten. Sechs Forscher haben es ausprobiert.

Von Alexander Stirn

Ein Jahr lang eingesperrt in einem großen Zelt. Ein Jahr lang kein frisches Obst, keine unbeschwerten Spaziergänge in der Sonne, keine Möglichkeit, Freunde oder Familie zu treffen. Stattdessen immer dieselben Menschen, die einem auf die Pelle rücken. Ein ständiger Kampf gegen die Langeweile.

Die deutsche Forscherin Christiane Heinicke hat genau das hinter sich - und sie hat es freiwillig gemacht. Heinicke ließ sich ein Jahr lang im Dienste der Wissenschaft in ein Zelt einsperren. Fünf andere Forscher begleiteten sie. Der Strom war knapp. Kontakt zur Außenwelt gab es nur über das Internet. Und wenn die Forscher vor die Tür wollten, mussten sie einen klobigen Raumanzug überziehen. Wissenschaftler wollten mit dem Experiment auf der amerikanischen Insel Hawaii untersuchen, vor was für Herausforderungen Menschen stehen, wenn sie eines Tages zum Mars fliegen.

Der Mars ist zwar der Nachbarplanet der Erde, aber trotzdem sehr weit entfernt: Wenn sich Erde und Mars in ihren Umlaufbahnen am nächsten kommen, sind es immer noch 55 Millionen Kilometer. Allein der Flug dorthin dauert mit einem heutigen Raumschiff etwa acht Monate. Vor Ort müssen die Marsbesucher dann rund 500 Tage warten, bis sich eine Rückfluggelegenheit bietet, das heißt: bis sich Erde und Mars wieder nahe kommen.

Viel Zeit, um sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Wie schlimm das wird, wollten Wissenschaftler in dem Zelt auf Hawaii erforschen. Anfang der Woche ging der Versuch nach einem Jahr zu Ende. Manchmal seien die Mitbewohner schon "nervtötend" gewesen, berichtet Heinicke. Die größten Probleme habe aber die Langeweile bereitet. Die Forscher versuchten, sich mit Brett- und Kartenspielen bei Laune zu halten. Sie schauten Filme, tanzten, machten Musik. Heinicke hatte dazu eine Mundharmonika eingepackt. Ein anderer brachte eine Ukulele mit - eine hawaiianische Mini-Gitarre.

Trotzdem sei es immer wieder vorgekommen, dass man sich nach dem Abendessen nichts mehr zu sagen hatte und sich nicht mehr sehen wollte. Dann verkroch sich jeder ins eigene Zimmer. Der wichtigste Rat der sechs Forscher an künftige Mars-Abenteurer lautet daher auch: "Bringt Bücher mit, sehr viele Bücher."

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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