Produktpiraterie:Falscher Witz, echter Zorn

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Der Designer Philipp Plein wollte mit einem T-Shirt gegen Produktpiraterie protestieren, jetzt erhält er Morddrohungen aus China.

Henrik Bork

Es sollte ein T-Shirt werden, dass die Chinesen ausnahmsweise einmal nicht kopieren. Deshalb ließ der deutsche Designer Philipp Plein die Worte "F-U-C-K YOU CHINA" auf gutem Kaschmir drucken. Anfangs war es ein Erfolg. Bis jetzt hat kein chinesischer Produktpirat eine Imitation des T-Shirts auf den Markt geworfen.

Dafür aber bekommt Philipp Plein seit einer Woche Morddrohungen aus China. Eine Fotomontage mit seinem Kopf, die ein blutiges Einschussloch auf der Stirn zeigt, ist per E-Mail eingetroffen. Wütende Chinesen rufen aus Hongkong und Peking an und brüllen "Fuck you!". "Wir bekommen pro Tag zwischen 1000 und 1500 Hassmails", sagt eine Sprecherin der Firma Philipp Plein International AG im schweizerischen Amriswil.

"Das ganze war eine Schnapsidee aus der letzten Saison, für die ich mich inzwischen bei den Chinesen entschuldigen möchte", sagt Philipp Plein. Die Idee sei gewesen, ein nicht kopierbares T-Shirt aus hochwertigem Material für einen sehr wettbewerbsfähigen Preis in den Handel zu bringen, sagt der Designer. Deshalb habe unter der provokanten Zeile mit dem F-Wort die Zeile gestanden: "Manufactured in Europe, produced and designed by Philipp Plein". Offenbar sollte das witzig sein. Ein ironisch gemeinter Protest gegen die Produktpiraten.

Die Ironie kommt nicht an

Nur die Chinesen konnten nicht lachen. Ironie ist ihrer Kultur ohnehin fremd. Etwa 80 "Muster" des T-Shirts gelangten zu einem Händler in Bremen. Als sie dort von chinesischen Studenten entdeckt wurden, brach ein Sturm der Empörung los. "Waren Sie schon mal in China? In meinen Augen sind Sie bloß ein ignoranter Penner", schreibt etwa eine Chinesin, die sich Lily_321 nennt, an Philipp Plein. Andere drohen, schon weniger harmlos, mit AK-47-Sturmgewehren und schreiben, dass Plein und seine Mitarbeiter um ihr Leben fürchten müssten. Im chinesischen Internet rufen hitzköpfige Studenten nach einem Boykott deutscher Waren. "Scheiße Deutschland!" poltert ein anderer.

Diese unverhältnismäßige Aufregung über ein vielleicht freches, aber doch nicht bierernst gemeintes Hemdchen ist nur vor dem Hintergrund des chinesischen Nationalismus verständlich. Jahrzehnte "patriotischer" Propaganda durch die Kommunistische Partei hat viele Chinesen zu Nationalchauvinisten werden lassen. Oft genügt ein kleiner Anlass, und in den Internetforen tauchen Tausende rassistischer Kommentare auf. Bei antijapanischen Demonstrationen bewarf dieser vermeintlich vaterlandsliebende Pöbel vor zwei Jahren die japanische Botschaft in Peking mit Eiern und verprügelte Japaner.

Dem nun zur Zielscheibe gewordenen Philipp Plein ist die ganze Sache unangenehm. "Wir sind keine Rassisten und wollten niemanden angreifen", sagt der 29-Jährige. Die T-Shirts hat er zurückgerufen. Der Händler gab den Restbestand zurück, obwohl er lieber noch mehr Exemplare bestellt hätte. Es gab offenbar eine sehr große Nachfrage.

Was die wütenden chinesischen "Patrioten" verschweigen, ist die immer schlimmer werdende Produktpiraterie, die erst der Auslöser für die unglückliche T-Shirt-Idee war. Von BMW-Limousinen über Puma-Turnschuhe bis zu Unterhosen von Hugo Boss wird in China alles abgekupfert, was aus Deutschland kommt und einen guten Namen hat. Auch Philipp Plein ist schwer betroffen. 850 Euro kostet eine mit Nieten besetzte Designerjeans der Marke in ausgewählten Fachgeschäften. Für 250 Euro wird sie von chinesischen Produktpiraten im Internet angeboten. "Ich habe meine kleine Firma mit viel Arbeit und Herzblut aufgebaut, und dieser Warenklau macht uns sehr zu schaffen", sagt Plein.

Die chinesische Regierung tut relativ wenig dagegen. Dafür macht sie nun eine kleine Staatsaffäre aus dem Fall Plein. Sowohl der deutsche, als auch der schweizerische Botschaftsgesandte sind in Peking in der vergangenen Woche ins Handelsministerium zitiert und wegen des T-Shirts offiziell gerügt worden.

Plein selbst wurde über die Schweizer Regierung, weil er seinen Hauptsitz ins schweizerische Amriswil verlegt hat, in die chinesische Botschaft in Bern bestellt. Seine Entschuldigung nützte wenig. Die Diplomaten aus China stellten sich mit aller Wucht hinter den Internetpöbel ihres Landes. Sie verlangen von der Firma, sie solle Anzeigen mit einer Entschuldigung in deutschen und schweizerischen Medien schalten.

Die Chinesen wollen die Affäre auch gleich noch für ein wenig Wirtschaftsspionage nutzen. Sie verlangen von der Firma Philipp Plein eine komplette Liste ihrer Zulieferer. Zumindest einer von denen hat schon Anrufe von Chinesen erhalten, die ihn vor einer weiteren Zusammenarbeit mit Philipp Plein warnen. "Sie wollen mich erpressen", sagt Plein über die chinesische Regierung.

"So werden wir vom Opfer zum Täter gemacht", kommentiert eine Firmensprecherin von Philipp Plein. "In Wirklichkeit sollten sich die Chinesen für ihre Produktpiraterie schämen."

© SZ vom 23.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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