Orgasmus und Geist:"Die Frauen jagen mich"

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Einmal habe er es mit einer seiner Frauen auf zehn Stunden gebracht, ein anderes Mal neun Frauen gleichzeitig beglückt. Ein Besuch beim Sexguru Makaja und seinen Jüngern, den Komajas.

Angela Köckritz

Der Meister setzt den gefährlichen Blick auf. "Sehe ich aus, als ob ich es nötig hätte, Frauen zu verführen?" Schweigen. Der Meister streicht sich durchs silbergraue Haar. Wirft dann den Kopf zurück und schnaubt: "Sicher nicht. Die Frauen jagen mich." Man muss mal die Wahrheit sagen, sagt der Meister. Seine Frau Konstanza nickt: "Er ist die Quelle der Weisheit."

"Es gibt nur sehr wenige wahre Gurus", sagt der Herr der Blumen: Franjo Milicevic alias Aba Aziz Makaja. Es gibt großen Bedarf. Mehrere Tausend Menschen weltweit besuchen jährlich seine Kurse. (Foto: Foto: Katalog Komaja)

Die Quelle der Weisheit sitzt auf einer roten Couch im Meditationsraum, während draußen vor den Fenstern die Sonne untergeht, ein Spektakel, ganz große Alpenromantik. See, Berge, Schnee, es glitzert und funkelt. Auf einer Alm in Mittelurmi lehrt Franjo Milicevic alias Aba Aziz Makaja die Kunst der freien Liebe.

Mittelurmi liegt zwischen Ober Urmi und Nieder Urmi und über Gersau, in den Bergen am schweizerischen Vierwaldstättersee. Gersau war mal eine eigene Republik, was man sich fast nicht vorstellen kann: Hier grüßt man sich auf der Straße, was man nicht besonders oft tun muss, denn im Winter, sagt die Frau im Hotel, "ist hier der Hund begraben". Die Menschen in Gersau sind monogam und katholisch, zumindest geben sie sich so.

Oben in Mittelurmi ist alles anders.

Das fängt schon in der Küche an. Auf dem Tisch liegen viele Messer und Gabeln, schließlich lebt hier eine Großfamilie. In Mittelurmi wohnen Meister Makaja, seine drei Kinder, seine vier Frauen, dann noch der Ehemann einer dieser vier Frauen und einige seiner Jünger. Von den Wänden des Hauses lächelt selig der Meister. In Öl, als Fotografie mit Rauschebart, als Buchcover nur mit Blumenkranz bedeckt. Über dem Küchentisch eine Heiligengalerie, gerahmte Bildchen von Christus, Buddha, Laozius, in der Mitte auch hier der Meister selbst, Aba Aziz Makaja.

"Es gibt nur sehr wenige wahre Gurus", sagt Makaja. Ob er denn einer sei? "Absolut. Das sagen auch die Weltexperten." Experten, insbesondere Weltexperten, zitiert der 53-jährige Sexguru oft.

Noch lieber zeigt er eine gerahmte Urkunde. Sie bescheinigt ihm die Anerkennung als "sexueller Aufklärer der Südslaven" - eine Würdigung, die das Balkan-Männermagazin FHM mit den Worten honoriert: "Makaja, Gewinner des Awards für sexuelle Intelligenz und sexueller Aufklärer der Südslaven, ist ein voll cooler Typ."

Der coole Typ kann was. Sein Buch "Der Erleuchtete Eros" berichtet: Einmal habe er es mit einer seiner Frauen auf zehn Stunden gebracht, ein anderes Mal neun Frauen gleichzeitig beglückt. Eine Geliebte schwärmt: "Makaja, du bist Gott! Ich mache Liebe mit Gott! wiederholte sie seufzend immer wieder, ununterbrochen in ekstatischer Begeisterung, solche und ähnliche Worte."

Die Zeitungen nennen Makaja einen "Sexguru", er selbst nennt sich einen "tantrischen Meister". In jedem Jahr kommen viele Menschen nach Mittelurmi und noch mehr zu Makajas Workshops in Deutschland, Indien, Australien, den USA, um nur einige der Länder zu nennen.

Die meisten Adepten sind zwischen 20 und 45 Jahren alt, die älteste Anhängerin ist eine 89-jährige Deutsche.

Der Meister lacht: "Die Deutschen sind eben Tantriker."

300 enge Anhänger weltweit zählt Makajas Komaja-Sekte, mehrere Tausend Menschen besuchen jährlich seine Kurse. Zwischen 40 und 50 000 Bücher hat Makaja eigenen Angaben zufolge bereits verkauft. Und das, obwohl die Zeiten, in denen die freie Liebe gefeiert wurde, längst vorbei sind. Vergangen wie die Jahre, in denen Tausende sich zu Sektenführern wie Osho bekannten. Aids hat alles verändert.

Vielleicht kommen die Menschen zu Makaja, weil sie gerne können würden, was der Meister kann. Vielleicht kommen sie aber auch, weil sie Trost in seinen Worten finden. Der Meister lehrt die Glückseligkeit. Zuerst müssten die rohen Kräfte der Sexualität in die feineren der Liebe gewandelt werden, die den Menschen zu einem höheren Bewusstsein trügen, predigt er. "Das Bedürfnis, sich mit anderen zu vereinigen, ist nur die Spiegelung unserer göttlichen Natur."

Die Erfahrungen christlicher und indischer Mystiker ähnelten nicht von ungefähr denen stark verliebter Menschen. Verliebtheit werde zur geistigen Methode, Sex zum Sakrament. "Der Sex ist heilig, der Sex ist Göttlich! Pflege ihn, liebe ihn, verehre ihn!" Der Meister ist ganz aufgeregt.

"Während des Orgasmus sollen die Leute den heiligen Geist rufen. Schreiben Sie das! Das ist eine Sensation, das wird Ihren Lesern gefallen!" Er selbst, verrät der Guru, habe bei 70 Prozent seiner Orgasmen das Gefühl, als ob Gott zur Erde herabsteige.

Vielleicht kommen die Menschen aber auch zu Makaja, weil sie seine Ansichten teilen. Die Ehe, verkündet der Meister, sei Schnee von gestern. Nichts als sexuelle Betrügereien und Heuchlermoral habe sie den Menschen gebracht. "Sie hat einfach nie funktioniert." Die Institution der Ehe stehe vor dem Zusammenbruch. "Die Lebensform der Zukunft" sei die Gruppenehe, die der Meister Sajedna nennt. "Sie ist um vieles besser und ehrlicher als die monogame Ehe." Der Meister muss es wissen, schließlich lebt er seit 20 Jahren in einer Sajedna.

1986 ehelichte Makaja, der 1953 als Franjo Milicevic im bosnischen Mostar geboren wurde, eine Pfarrerstochter und Psychologin aus dem Aargau, und zog in die Schweiz. Drei Jahre später nahm sich der Guru eine zweite Frau, eine Slawistin namens Konstanza. Es sollte nicht die Letzte bleiben. Zwischenzeitlich hatte er fünf Frauen, heute nur noch vier, wobei eine der Frauen ihren Ehemann mit in die Gemeinschaft gebracht hat.

Gemeinsam erziehen sie ihre drei Kinder, das jüngste ist fünf, das älteste zwölf Jahre alt. "Wir haben bewiesen, das mein Modus funktioniert!" jubelt Makaja. Nebenher unterhält er "Liebesbeziehungen mit acht bis zehn Schülerinnen jährlich", alles, betont der Meister, langjährige Liebschaften: "Wir sind doch kein Swinger-Club." Gespielinnen zu finden, dürfte nicht schwer fallen, denn "Frauen vergöttern einen tantrischen Meister."

Zudem fordert Makaja von seinen Schülern völlige Hingabe: "Du sollst den Mut haben, dich vollkommen zu geben, deine Seele und deinen Körper hinzugeben. Wie kann dich der Guru führen, wenn du an deinem Ego festhältst, wenn du Distanz wahrst?"

Und Makajas Frauen? Sind die ebenso frei? "Meine Rolle ist schon etwas anders, ich bin der tantrische Meister", sagt Makaja. Seine Frauen seien seine Schülerinnen, sie respektierten ihn. Seine Frau Konstanza nickt: "Wir Europäer sind bereit, Hierarchien zu akzeptieren. Wir akzeptieren Hierarchien in Wirtschaft und Politik, warum nicht auch im geistigen Bereich?" Makajas ältere Frauen Athena und Konstanza dürfen mit anderen Männern schlafen, ohne den Meister vorher um Erlaubnis zu bitten. Den beiden jüngeren Frauen ist das untersagt.

Gleiches Recht für alle? Da wird der Meister wütend: "Das ist ja, als wenn man als Anfänger in einen Karatekurs kommt und den gleichen Status haben möchte wie der Meister!" Er springt auf. "Sie verstehen, dass ich tantrischer Meister bin?"

Makaja holt einen Katalog hervor. Darin sind viele Fotos, die ihn bei einer Art Beachball zeigen: Der Meister springt, hüpft und grätscht. "Schauen Sie sich das an! Topform! Die höchsten Karatemeister sagen, dass ich eine Körperbeherrschung von höchstem Niveau habe!"

Der Meister zeigt ein weiteres Foto: Darauf ist er zu sehen, am Strand, ein Handtuch um die Hüften. Er spannt einen Muskel am Bauch an, einen Muskel, den man so noch nie gesehen hat und der, dem Blick des Meisters nach zu urteilen, wahrscheinlich direkt in sein Geschlechtsteil übergeht. Der Meister hätte gerne, dass man dieses Foto in der Zeitung abdruckt.

Der Katalog ist ein teurer Katalog mit vielen Hochglanzfotos. Darauf sind viele junge und schöne Frauen zu sehen, die meisten von ihnen sind angezogen. Es gibt auch Fotos von Menschen, die nackt Yogaübungen machen oder meditieren.

Schließlich finden sich unter der Rubrik "Möchtest du auch Party?" Bilder von rauschenden Festen: leicht bekleidete, lasziv blickende Frauen, venezianische Masken, ein Makaja im goldenen Netz-umhang.

Überhaupt zeigen die meisten Fotos: den Meister. Unter der Rubrik "Verschiedene Gesichter eines Gurus" sieht man einen nachdenklichen, einen fröhlichen, einen ernsten Makaja, und einen, der aussieht wie ein junger Jesus. Auf einem anderen Bild trägt er einen roten Umhang, seine Augen sind mit Kajal geschwärzt.

Der Katalog wirbt für Makajas Kurse. Von denen gibt es sehr viele. Kurse für Yoga und Meditation, Kurse, in denen die Schüler geistige Namen erhalten, alles über "das Tier in mir" oder "die Rolle des Gurus auf dem Weg zur Glückseligkeit" erfahren".

Die Komajas widmen sich aber auch dem "Geistigen Sport" oder der Kunst des Haiku. Meister Makaja gibt seinen Schülern das selbst verfasste "Tsunami Haiku" auf den Weg: "Die Träne des Mädchens fiel von der Brüstung in den Ozean." Oder sein Meisterwerk, "Der Morgen": "Die Singende Sonne erheitert den Himmel und eröffnet das Vogelgezwitscher."

Derart geistig gestärkt können sich künftige Komaja-Meditationslehrer in Kursen wie "Geist ist Gold" wieder den profaneren Dingen des Lebens zuwenden. Makajas Dauerbrenner aber, das ist die "Liebeserotische Therapie".

Unter Anleitung des Gurus lernen die Schüler, ihre "rohen Triebkräfte" umzuwandeln, um dann mit Hilfe tantrischer Techniken das Liebesspiel zu verlängern. Männer trainieren, die Ejakulation zu verzögern, Frauen einen intensiveren Orgasmus zu erlangen. Am Abend, nach der theoretischen Unterweisung, setzen die Schüler das Gelernte in die Praxis um. Die wenigsten Paare bleiben dabei nach Aussage des Meisters monogam, fast alle entschieden sich nach drei, vier Tagen, es auch mal polyamorisch zu versuchen.

Polyamorisch, das heißt in der Sprache der Komaja-Sekte: Sex mit mehreren Partnern zu haben. Natürliche Sache, findet der Guru. "Wir Menschen möchten Begegnungen mit unbekannten Liebespartnern, das belebt uns, inspiriert uns, verstärkt den Fluss der Lebensenergie in uns."

Die "Liebeserotische Therapie" habe aus seinen Schülern glücklichere Menschen und bessere Liebhaber gemacht, viele Menschen von ihrer Drogensucht befreit.

Nicht jeder ist davon begeistert. Schweizer Sektenexperten warnen vor Komaja, Makaja winkt ab: "Sind doch nur neidisch." Einer von ihnen ist Georg Schmid. Das Ganze sei lustig für die Alten und gefährlich für die Jungen, denn bei Komaja gebe es eine strenge Hierarchie: "Eine Autoritätsstruktur und Sex, das geht nicht zusammen."

Alexandra Grieser, Dozentin für Religionswissenschaft an der LMU München sieht das anders. "Sexualität und Macht haben immer etwas miteinander zu tun. Die Idee, dass es eine Sexualität gebe, die frei sei von Geschlechterkampf und Macht, ist ein kulturelles Ideal."

Das Gefährliche an den Religionen sei, dass Menschen mit der jeweiligen religiösen Lehre auch die jeweiligen Machtstrukturen akzeptierten. Das gelte für jede Religion. "Aber die Frage ist: Warum gehen die Leute dann da hin?" Vielleicht, weil es in unserer religiösen Kultur kaum positive Modelle für die Sexualität gebe, meint Alexandra Grieser.

Die Gesellschaft weise dem Sex seinen Platz zwischen totaler Kommerzialisierung und kirchlicher Moral zu, was bei vielen Menschen zu Enttäuschungen führe: "Das ist die Differenz zwischen dem Fernsehen - und dem, was in deutschen Schlafzimmern passiert." Östliche Traditionen wie Tantra erschienen da als würdige Lösung. Zudem gehe der Trend zur sogenannten Erfahrungsreligiosität: "Das ist was anderes, als wenn mir die Zeugen Jehovas die Bibel erklären. Sex ist ein unheimlich großer Attraktivitätsfaktor."

Makaja jedenfalls ist überzeugt: "Ich werde die Welt mit Sex erobern!" Schon bald, sagt er, werde die Gruppenehe erlaubt sein, werden die theologisch-christlichen Fakultäten "Den Erleuchteten Eros" unterrichten und Schulen seine liebeserotische Erziehung einführen. "In Mazedonien sind wir nur einen Schritt davon entfernt, an Mittelschulen und Gymnasien zu unterrichten."

Er hat es immer gewusst. Er, "das Vorbild in Schule und Sport", "der Anführer in meinem Quartier". Der Frauenheld, den sie schon in der Volksschule "Don Juan" riefen. Seine erste "liebeserotische Erfahrung" will er als Zweijähriger mit einer Dreijährigen gehabt haben, als Sechsjähriger beglückte er bereits zwei ältere Schwestern gleichzeitig.

Mit 18 Jahren widmete er sich im Selbststudium den Techniken des Yoga. Meditierte stundenlang, aß weder Salz noch Zucker und lebte in sexueller Askese, zum Verdruss seiner Ehefrau, die sich von ihm scheiden ließ. Mit 20 Jahren hatte der Jurastudent das, was er "sein Erweckungserlebnis" nennt, sechs Jahre später bildete sich eine Gemeinschaft um ihn.

Die Sonne ist mittlerweile hinter den Bergen verschwunden, auf der Alm ist es stockfinster. Zeit für ein Foto, doch vorher müssen noch ein paar Möbel verrückt werden. Schwere Möbel. Die Frauen legen Hand an, sie keuchen und ächzen. "Kein Problem", schnauft eine: "Wir meditieren und erreichen eine starke psychische und physische Gesundheit!" Der Meister sitzt auf seiner Couch. Er schaut dem Treiben gelassen zu.

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