Modewoche Berlin:Die Drückeberger-Show

Lesezeit: 4 min

Berlins erste ,,Fashion Week'' krankt an den Absagen bekannter Designer. Noch gilt deshalb das Motto: Jeder darf mitmachen.

Antje Wever

Samstagabend, dritter Tag der ,,Fashion Week''. Berlins selbsternannter Mode-Zampano Michael Michalsky, ehemaliger Kreativchef von Adidas, zeigt seine Kollektion. Sein Trick ist simpel: Er schiebt den schwarzen Vorhang, der bei den anderen Shows das Brandenburger Tor noch verdeckt hat, weg. Plötzlich steht das Tor im Rampenlicht. Dahinter: blauer Himmel, ein blitzender Fernsehturm, ein gelber Baukran. Schönstes Berlin-Panorama.

Vivian Westwood zeigte ihre Models mit viel Hut, sich selbst aber nicht. Ein Affront, denn Westwood war schließlich jahrelang Mode-Professorin in Berlin (Foto: Foto: dpa)

Darunter laufen, von Ost nach West, Models in plissierten Miniröcken, bodenlangen Abendkleidern, verführerischen Ledertops. Dazu: Discomusik und in der ersten Reihe die US-Aktrice Andie MacDowell, die nach der Show die ,,historische Kulisse'' lobt. Alles richtig gemacht. Michalsky hat bewiesen, dass er mehr kann, als T-Shirts für Tchibo zu entwerfen. Und endlich ist ein Hauch von Glamour zu spüren. Bis dahin hatte sich die Begeisterung über die erste Berliner ,,Fashion Week'' in Grenzen gehalten. Zu wenige Shows, zu wenig Avantgarde, zu wenig internationale Presse. Zu wenig von allem.

Dabei wollte Berlin mit dem viertägigen Mode-Event den Anschluss an die großen Fashion-Metropolen wie Mailand, Paris oder London schaffen. Träumen wird ja wohl noch erlaubt sein. Die Vorgeschichte: Der amerikanische Event-Veranstalter IMG greift der ,,sexy, aber armen'' Stadt Berlin (Zitat Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit) unter die Arme, investiert 1,5 Millionen Euro, holt den Sponsor Mercedes Benz dazu und versucht, internationale Designer nach Berlin zu locken.

Die Branche ist skeptisch, der Zeitpunkt schwierig, da im Sommer kaum ein Designer seine Kollektion fertig hat. Also bleiben sie weg. Die Show des italienischen Luxus-Labels ,,Bottega Veneta'' sollte der Krönende Abschluss der die Fashion Week werden, doch das Label sagte kurzfristig ab. Der deutsche Kreativchef Tomas Maier musste nach Mailand, um an der Gedenk-Gala zum zehnten Todestag Gianni Versaces teilzunehmen.

Unter den internationalen Designern kursierte schon der Witz: ,,Stell dir vor, in Berlin ist Fashion Week und keiner geht hin.'' Ganz so schlimm war es dann doch nicht. Bei der Eröffnungsshow von ,,Hugo Boss'' versuchte man, die fehlenden modischen Überraschungen mit internationaler Prominenz wettzumachen: die Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton (Mercedes) und David Coulthard saßen im Publikum. Und auch ein paar Filmstars stellten sich den Fotografen: Christina Ricci, Rupert Everett und Mischa Barton. Später lud der Global Player aus Metzingen zur Party in die ,,Russische Botschaft''. Dort fidelten Krim-Musikanten im Foyer, die Lenin-Büste wurde mit einer Lasershow in Szene gesetzt. Angereiste (deutsche) Moderedakteurinnen sprachen über die grandiose location statt über die Mode.

Und Punk-Queen Vivienne Westwood schickte zwar ihre sehr amüsante Kollektion ,,Anglomania'' (viele Schößchen, Gladiatorenstiefel, Pippi-Langstrumpf-Stoffe, wilde Hüte) nach Berlin, kam aber nicht auf den Catwalk, um ihren Applaus entgegenzunehmen. Erst dachten die Gäste, sie müssten nur laut genug klatschen und merkten dann, dass Frau Westwood wirklich nicht kommt. Eine gute Ausrede? Noch nicht mal das: ,,Miss Westwood was too busy.''

Ein Affront, schließlich war Westwood einige Jahre Mode-Professorin an der Berliner Universität der Künste. In Paris wäre so was undenkbar. Dann lieber gar nicht mitmachen. So wie Wolfgang Joop. Der Modeschöpfer zeigt, trotz Betteln der Veranstalter, seine ,,Wunderkind-Kollektion'' weiter lieber bei den etablierten Prêt-à-porter-Schauen in Paris. Seine Marke sei zu fragil und der Vermarktungszirkus rund um die ,,Fashion Week'' sei ihm nicht geheuer.

Das Schützenfest der Mode

Christian Pirzer, Deutschlandchef von IMG, gab sich trotz der vielen Absagen optimistisch: ,, Längerfristig wird Berlin ein fixer Bestandteil des Modekarussells werden. Der Hype steigt und die Skepsis bei den Designern wird sich legen. Im Januar 2008 machen wir die nächste Berliner Fashion Week.'' Eine, die auch an Berlin glaubt, ist Modemacherin Gabriele Strehle. ,,Für mich war schnell klar, dass ich mitmache. Reine Bauchentscheidung, denn ich bin stolz auf Berlin und will die Stadt unterstützen.''

Bei der Strenesse-Show sitzen die Schauspielerinnen Christiane Paul, Alexandra Maria Lara und Hannah Herzsprung in der ,,Front Row'', den Premium-Plätzen für treue Kundinnen. Auf dem Catwalk: Eva Padberg, das Gesicht der Berliner ,,Fashion-Week''. ,,Eigentlich bin ich mit 27 Jahren schon eine Show-Oma, aber Spaß macht es immer noch'', erzählt Padberg später im Backstage-Bereich. ,,Berlin macht seine ersten Baby-Steps, da muss man großzügig sein.''

Das musste man wohl auch. Während es in den etablierten Modemetropolen mehrere Laufstege und täglich parallel stattfindende Schauen gibt, war der Berliner ,,Schedule'' sehr luftig gestrickt. Immer wieder gab es zwischen den Shows große Pausen, am Samstagnachmittag gar ein fünfstündiges Loch. Dafür war die Stadt, abseits des Catwalks, umso mehr auf Mode eingestellt. Zeitgleich fand die Fachmesse ,,Premium'' statt, die mit jedem Jahr ambitionierter wird, aber noch immer keine wirkliche Konkurrenz zur Düsseldorfer ,,CPD'' darstellt.

Über die ganze Stadt verteilten sich ein Dutzend Showrooms, in denen Jungdesigner ihre Kreationen präsentierten. Das viel gelobte Berliner Label ,,c.neeon'' klinkte sich aus Angst vor Vereinnahmung aus dem Karstadt-Nachwuchswettbewerb aus und zeigte die Kollektion auf dem alten Bahngelände in Friedrichshain. Die Models liefen in aufwendig gearbeiteten Kleidern (phantastische Stoffe, raffinierte Schnitte) über den Beton. Off-Veranstaltungen wie diese machten den Charme der Berliner ,,Fashion Week'' aus.

Der Conceptstore ,,The Corner'' lud zu einem Cocktail mit dem Fiat-Erben Lapo Elkann. Der rotblonde Italiener schimpfte auf die Mode (,,alles nur Pompom und Pailletten''), hielt ein Loblied auf das Produktdesign (na klar, schließlich entwirft er jetzt Sonnenbrillen) und erzählte, dass er sich ein Loft in Berlin kauft. Sagen wir es so: Die Stadt war Schauplatz für eine Art Schützenfest der Mode. Alle durften mitmachen: Verona Pooth trug eine Frisur, die an ein Vogelnest erinnerte und turnte als Mode-Reporterin im Backstage-Bereich herum. Neu-Designerin Barbara Becker promotete ihr Label ,,f.rau Becker'' und Puma ließ für die Präsentation der ,,Rudolf Dassler''-Kollektion das Top-Model Irina Lazareanu einfliegen. Die Einladung zur ,,Fashion Week'' sei der perfekte Anlass gewesen, endlich mal nach Berlin zu reisen. ,,Über das kreative Potential der Stadt redet die ganze Modebranche''. Das nächste Mal sollen sie nicht nur reden, sondern auch kommen.

(SZ vom 16.7.2007)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: