Models:Designen statt modeln

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Seit neuestem machen Models die Mode selbst, die sie zur Schau tragen: drei Beispiele für einen geglückten Seitenwechsel.

Jina Khayyer

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Wer sein junges Leben exklusiv auf den Laufstegen der Welt in den besten Kreationen der Designer verbringt, entwickelt im besten Fall

a) bald selbst Geschmack

und b) den Ehrgeiz, aus diesem Umstand eine Berufung zu machen: Nicht mehr fremde Sachen vorzuführen, sondern die Rollen zu tauschen und unter die Designer zu gehen.

Nun haben wir in letzter Zeit, was die Metamorphose von Models in andere Berufssparten anbelangt, einiges ansehen dürfen: Wir konnten die Verwandlung der Carla Bruni in eine ganz passable Chansonette verfolgen (model turned singer/songwriter), durften dabei sein, wie Kate Moss sich zur Rock-Heroine ohne Plattenvertrag, aber mit Pete Doherty zur Seite (der seit dem Vogue Hommes International-Cover ja endlich im Mode-Olymp angekommen ist) entwickelte - model turned groupie.

In anderer Richtung war Madonna unterwegs, als sie Studio und Atelier vertauschte, um eine ordentliche Kollektion für Hennes & Mauritz zu entwickeln und diese mit einem sensationellen Video zu bewerben. Viele Models versuchten sich auch als Filmschauspielerinnen, aber kaum eine überzeugte dabei auf Dauer.

Ausnahmeerscheinung auf diesem Gebiet ist Milla Jovovich, 31-jährige Amerikanerin, deren Vorfahren aus Serbien und Russland stammen, eines der berühmtesten Topmodels der Welt, aber auch Schauspielerin, die in Filmen wie "Das fünfte Element", "Johanna von Orleans" oder "Million Dollar Hotel" die Hauptrolle spielte.

Auf allen Fotos, die wir von Milla Jovovich kennen, sieht sie phantastisch aus. Die Jeans sitzen richtig, die Ballerinas sind niedlich. Die Jacke - speziell. Das Kleid - der Hammer.

Im seltensten Fall lässt sich ein Designer oder ein Trend zuordnen. Mädchen und Frauen jeden Alters stürmen Billig-Modeketten wie H & M, Mango oder Zara, um ein Teil zu bekommen, das genau so aussieht wie das, welches Jovovich trägt. Sie wollen dazugehören, so wie Jovovich dazugehört.

Billigmodeketten sind diejenigen, die am schnellsten auf den Look von Stilvorbildern wie Milla Jovovich reagieren. Und das mit Erfolg. Die Umsätze steigen, genau so wie die Auflagenzahlen der Magazine wie InStyle, die sich darauf konzentrieren, den Look der Stars zu zeigen, und nebenbei auch noch beschreiben, wo man denn all die schönen Sachen kaufen kann.

Bei einem Interview, das Milla Jovovich uns in Paris gibt, kommentiert sie ihren Stil so: "Ich kombiniere Vintage mit aktuellen Teilen. Ich mag den Look aus alten Charles-Dickens-Filmen. Und den griechischer Göttinnen." Und wenn wir an ihr herunterschauen, hat sie dabei nicht gelogen. Jovovich trägt ein schokoladenbraunes, bodenlanges Kleid mit einer Empirenaht unter dem Busen und gerafften Schultern. Darunter ein T-Shirt und Leggins. Ihre Stiefel sehen aus wie die, mit denen Mary Poppins in dem gleichnamigen Film auf dem Dach herumtänzelte. Diese Glaubwürdigkeit macht Jovovich zum Stilvorbild.

Zu einer modischen Identifikations-Figur und - seit neuestem haben Models, die diese Rolle erfüllen, eine seriöse Bezeichnung - als Markenbotschafterin. Dieses Amt vertritt Jovovich bei der spanischen Modekette Mango. Und weil die Mango-Zielgruppe ohnehin so aussehen will wie Jovovich, entwirft sie für Mango gleich eine eigene Modelinie, die seit dem 16. April in allen Mango-Filialen weltweit erhältlich ist: "jovovich-hawk for MNG".

Das "hawk" hinter dem Bindestrich steht für Carmen Hawk, auch ein Model und Jovovichs Freundin. Die beiden lernten sich vor 15 Jahren in Paris beim Modeln kennen und gründeten 2003 ihr eigenes Modelabel. "jovovich-hawk" ist bislang vor allem in Los Angeles, wo die beiden leben und arbeiten, und in New York, wo sie ihren ersten eigenen Laden eröffnet haben, bekannt. Genauso, wie sie bei ihrer eigenen Linie verfahren, gehen sie auch bei ihrer Kollektion für Mango vor. "Wir entwerfen, was wir selber tragen wollen", sagt Jovovich.

Wieder authentisch, denn wie wir jetzt erfahren, ist ihr schokoladenbraunes Kleid ein Eigenentwurf aus der "jovovich-hawk for MNG"-Kollektion. Es heißt Rachel und gehört zu einer auf acht Modelle limitierten Edition von Kleidern. Hübschen Kleidern, die keinem Trend folgen. Jovovich zeigt stolz ihre Entwürfe, die tatsächlich von ihr und Carmen Hawk stammen. "Carmen und ich sind beide gute Zeichner. Wir entwerfen die Schnitte und wählen auch die Stoffe aus. Wir gehören nicht zu denjenigen, die nur ihren Namen für ein paar hübsche Sachen hergeben", sagt Jovovich.

Das Ergebnis ist bezaubernd: Ein knielanges, schwarzes Kleid, das in der Taille mit einem breiten Satinband wie ein Kimono gebunden wird. Ein noch kürzeres, lilafarbenes - mit V-Ausschnitt und ohne Ärmel. Oder ein bodenlanges, schwarzes Kleid, das mit großen Blüten und Blättern bedruckt ist.

Warum nur Kleider? "Ein Kleid ist heute alles. Du kannst ein T-Shirt darunter tragen, Leggins, Hosen. Kleider sind vielseitig begabte Kleidungsstücke, was Carmen und mir gut gefällt, da wir Sachen machen wollen, die du zu unterschiedlichen Gelegenheiten anziehen kannst", sagt Jovovich. "Beim Anziehen geht es uns um Bequemlichkeit und Kreativität. Den Auftritt eines Kleides kann man durch verschiedene Basics und Accessoires total verändern. Die Idee ist, morgens ein Kleid anzuziehen, das auch noch für eine Soirée tauglich ist. Schauen Sie sich das Kleid an, das ich heute trage - ich trage es Nonstop. Ich nenne es die Götter-Robe, da es mich an griechische Göttinnen erinnert, das macht es aber nicht nur schick. Man kann es auch lässig tragen. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich oft umziehen. Das ist so viktorianisch. Dafür habe ich keine Energie."

Abends auf der Party, die Mango anlässlich der neuen Kollektion veranstaltet, trägt sie genau das Kleid - ohne T-Shirt, ohne Leggins und ohne Mary Poppins Stiefel - mit schicken, hohen Pumps. Neben ihr steht Lou Doillon. Auch eine Freundin. Auch ein bekanntes Model. Außerdem ist sie die Tochter von Jane Birkin, der legendären Stilikone aus den siebziger Jahren; der Witwe des französischen Chansonniers Serge Gainsbourg; der Frau, nach der eine Handtasche von Hermès benannt wurde, die "Birkin-Bag".

Lou Doillon trägt auch ein Kleid aus der neuen "jovovich-hawk for MNG" Kollektion. Ein bodenlanges, cremefarbenes Kleid mit grünen Blüten bedruckt und einer orangefarbenen Schleife. Modell Monroe. "Die Namen der Kleider", sagt Jovovich "sind eine Hommage an Hollywood-Legenden, deren Stil wir bewundern." Dazu gehören auch Christina Ricci und Lou Doillons Mutter Jane Birkin. Weil Jovovich ja jetzt die Designerin der "jovovich-hawk for MNG" Kollektion ist, fungiert übrigens Lou Doillon als ihre Markenbotschafterin.

Jetzt widmen wir uns kurz einer anderen Geschichte. Nämlich der einer jungen, schönen Engländerin: Sienna Miller. Für sich selbst beansprucht die 25-jährige Britin, einen sehr eigenen Stil zu haben. Auch wenn es vielleicht keine große Rolle spielt, muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass das so nicht stimmt. Sie ist meistens sehr niedlich angezogen, auch nachahmenswert, aber Sienna Miller ahmt selbst nach. Nicht zuletzt kopiert sie ihr großes Vorbild Kate Moss, doch zu der kommen wir später. Sienna Miller also, einigen bekannt als Ex-Freundin von Jude Law, anderen als mehr schlechte als rechte Schauspielerin in Filmen wie "Alfie" oder "Factory Girl", ist auch Markenbotschafterin von Pepe Jeans.

Und da dieser Jeanshersteller dachte, alle wollten aussehen wie Sienna Miller, darf sie jetzt eine eigene Modekollektion entwerfen. Zusammen mit ihrer Schwester Savannah - Savannah Miller hat Modedesign an der renommierten Saint Martin's School in London studiert und bereits im Designteam von Alexander McQueen gearbeitet - gründete sie kürzlich ihr Modelabel: "Twenty8Twelve" (28.12. - das Geburtsdatum von Sienna Miller). Voraussichtlich kommt die Kollektion noch diesen Herbst in die Läden. Schon zwei Models, die Mode für alle machen wollen.

Denn das ist neu: Keine von ihnen hegt den Anspruch, Couture zu machen. "Wir wollen nicht nur Kleider für Reiche machen. Wir wollen unsere Mode jedem zugänglich machen", sagt Jovovich. Und wieder ist sie glaubwürdig: "Wer hat mit Mitte zwanzig, Anfang dreißig schon so viel Geld übrig, sich - auch wenn es das schönste aller Kleider ist - ein Lanvin Kleid zu kaufen?" Und jetzt die große Frage: Sind Models die besseren Designer? Wenn es vor allem darum geht, dazuzugehören - wer könnte dieses Gefühl besser vermitteln als diejenigen, deren Stil schon seit Jahr und Tag imitiert wird?

Auch Kate Moss weiß diese Macht zu nutzen: Sie ist das berühmteste Model der Welt. Die meistkopierte Frau und wahrscheinlich einzige Stilikone unserer Zeit. Und auch sie hat jetzt ihre erste eigene Modekollektion. Am 1. Mai wird auf der Londoner Oxford Street vor den Glastüren der britischen Modekaufhauskette "TopShop" Hysterie ausbrechen. Dann nämlich gibt es die "Kate Moss Kollektion" endlich zu kaufen.

In ihrer April-Ausgabe zeigt die britische Vogue Kate Moss in einem ihrer "Kate Moss for Topshop" Kleider auf dem Cover. Zum ersten Mal in der Geschichte der Vogue, der Hochglanzbibel für Mode, schmückt jetzt also ein "billiges" Kleid das Titelbild. Auf der TopShop-Website können Fans seit Monaten die Entwicklung beobachten. Kate, wie sie über die Entwürfe schaut. Kate, wie sie sich fürs Shooting anzieht. Kate, wie sie ihre Markenbotschafterin, das Model Irina Lazareanu, Sängerin an der Seite von Kates Freund Pete Doherty und Sean Lennon, stylt. Und Kate, wie sie sagt: "Ich habe das noch nie gemacht, aber ich habe jahrelang dabei zu gesehen, wie es andere machen. Ich weiß, worauf es ankommt."

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