Modedroge "Spice":Kräuter mit Nebenwirkungen

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Noch ist die Biodroge "Spice" in Deutschland legal - aber die Behörden warnen vor der berauschenden Mischung.

Martin Langeder

Die es schon ausprobiert haben, sind sich uneinig. "Spice kommt nicht wirklich an gutes Gras ran", schreibt ein Kunde auf der Seite eines einschlägigen Internethändlers. Ein anderer wiederum behauptet: "Der Flash setzt früher ein als bei Cannabis." Auf jeden Fall mache es einen trockenen Mund und total müde, wie ein dritter Kunde schreibt.

Seit Wochen sorgt die neue Modedroge Spice für Aufregung. Bei Behörden, Drogenberatern und Eltern ebenso wie unter Jugendlichen. (Foto: Foto: dpa)

Seit Wochen sorgt die neue Modedroge Spice für Aufregung. Bei Behörden, Drogenberatern und Eltern ebenso wie unter Jugendlichen. Sie kaufen den Kräutermix ganz legal als Räucherduft in sogenannten Headshops, die mit Kifferzubehör handeln, oder im Internet.

"Es gibt derzeit einen regelrechten Hype", sagt Christian Hoffmann, der seit Anfang September ein Internetportal betreibt, bei dem man das Kraut bestellen kann. Bis zu 50 bunte Tütchen verschickt Hoffmann zu Spitzenzeiten täglich per Post. In drei Sorten: "Silber", "Gold" und "Diamond". Drei Gramm kosten zwischen 15 und 25,50 Euro. Mittlerweile ist die Ware ausverkauft.

Obwohl auf der Verpackung explizit davon abgeraten wird, nutzen viele seiner Kunden den esoterischen Räucherduft als leicht zugänglichen Cannabis-Ersatz, um sich daraus Joints zu drehen. Konsumenten berichten von euphorischen Gefühlen, die mehrere Stunden anhalten sollen, aber auch von Stimmungsschwankungen und Übelkeit.

Halluzinationen, Angstzustände

Verlässliche Daten über die Zusammensetzung der neuen Biodroge fehlen. Laut Hersteller besteht die Mischung aus aromatischen Extrakten von exotisch klingenden Kräutern und Pflanzen wie Meeresbohne, Blauer Lotusblume oder Sibirischem Löwenschwanz. Experten rätseln, welche dieser Zutaten tatsächlich für die berauschende Wirkung sorgen. Spice-Händler Hoffmann vermutet, dass ein nicht deklariertes Bindemittel oder ein Geruchsverstärker dahintersteckt.

Am Dienstag hat nun erstmals das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin Stellung genommen. "Zumindest einem der Kräuter kommt Cannabis-ähnliche Wirkung zu. Dabei handelt es sich um ein brasilianisches Gewächs namens Zornia Latifolia", sagte Institutssprecher Jürgen Thier-Kundke der Süddeutschen Zeitung. Es sei jedenfalls nicht ratsam, nach dem Genuss von Spice Auto zu fahren oder Maschinen zu bedienen.

Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, möchte derzeit keine Interviews zum Thema Spice geben. In einer kurzen Nachricht auf ihrer Homepage warnt sie allerdings davor, wegen "unkalkulierbarer Risiken" die Kräuter zu rauchen. Außerdem teilt die SPD-Politikerin mit, dass sie derzeit prüfen lasse, wie gefährlich die Kräutermischung tatsächlich ist.

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Gefragter Stoff

Energischer agiert Bätzings österreichischer Amtskollege Franz Pietsch. "Auf Grund von gesundheitlichen Folgen, die von Halluzinationen bis zu Angstzuständen reichen, sehen wir akuten Handlungsbedarf", sagt Drogenkoordinator Pietsch.

Noch in dieser Woche soll der sogenannte Abgrenzungsbeirat im Wiener Gesundheitsministerium darüber entscheiden, ob sich Spice als Arzneimittel einstufen lässt. Damit könnte ein rasches Vertriebsverbot ausgesprochen werden. Pietsch: "Ich schließe nicht aus, dass Spice im Dezember schon verboten ist."

Parallel dazu werde in aufwändigen Labortests untersucht, ob sich Spice auch nach dem Suchtmittelgesetz verbieten lässt. In der Schweiz sprechen die Verantwortlichen von einer rechtlichen Grauzone. "Spice darf bei uns auf jeden Fall nicht zum Rauchen verkauft werden", sagt Mona Neidhart vom Bundesamt für Gesundheit in Bern, "dafür gibt es keine Zulassung".

Das Geschäft mit dem Rauschkraut floriert indes. "Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem", sagt Spice-Händler Christian Hoffmann. Seine Ware bezieht er von einem Großhändler, der wiederum direkt vom Hersteller in Großbritannien beliefert werden soll.

Einem möglichen Verbot sieht Hoffmann gelassen entgegen: "Wenn Spice tatsächlich gesundheitsschädlich sein sollte, begrüßen wir es, wenn eingegriffen wird." Er wolle nicht auf Kosten der Gesundheit Profit machen. Selber hat Hoffmann Spice noch nie ausprobiert, sagt er.

Mittlerweile sind zwei neue Sorten auf den Markt gekommen: Spice Arctic und Spice Tropical. Die eine duftet nach Menthol, die andere soll fruchtig schmecken.

Hoffmann vermutet, dass der Hersteller mit diesen neuen, anders gemischten Sorten einem eventuellen Verbot vorbeugen will. Also alles nur ein großer PR-Gag? "Wir könnten wohl auch getrocknete Petersilie als Spice verkaufen", sagt Hoffmann. "Keiner würde sich trauen zuzugeben, dass es bei ihm nicht wirkt."

© SZ vom 26.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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