Magermodels? Nein danke!:Du darfst so bleiben wie Du bist

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Der Lebensmittelkonzern Unilever hat sich in einer freiwilligen Selbstverpflichtung von Magermodels distanziert - Vorbild oder nur PR?

Nadeschda Scharfenberg

Eine der auffälligsten Werbekampagnen in Deutschland ist die der Kosmetiklinie Dove. Da zeigen sich auf den Plakaten sechs Frauen mit Pölsterchen auf den Hüften und kleinen, runden Bäuchen. Im Vergleich zu anderen Fotomodellen sind sie mollig. Im Vergleich zu anderen Frauen sind sie aber einfach: normal. "Endlich keine ausgemergelten Supermodels, sondern richtige, echte Frauen", schrieb zum Kampagnenstart im Frühling 2004 die Berliner Morgenpost. "Wir würden gerne mehr davon sehen."

Schluss mit mager: Bei einigen Unternehmen darf es inzwischen ruhig ein bisschen mehr sein. (Foto: Foto: dpa)

So könnte es kommen, zumindest wenn es nach dem britisch-niederländischen Weltkonzern Unilever geht. Die Firma, die im Jahr satte fünf Milliarden Euro für Werbung ausgibt und die unter anderem die Diät-Linie "Du darfst" und die Halbfett-Margarine Lätta herstellt, scheint am Imagegewinn durch ihre Dove-Kampagne Gefallen gefunden zu haben.

Sie geht nun noch einen Schritt weiter und hat sich selbst eine Richtlinie gegen den Schlankheitswahn verpasst. Künftig wolle man nur mit Models werben, deren Body-Mass-Index (BMI, ein Maß für das Verhältnis zwischen Größe und Gewicht) über 18,5 liegt. Unilever folgt damit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, die Menschen mit einem BMI unter 18,5 als untergewichtig einstuft. "Unsere Firma glaubt, dass Männer und Frauen das Recht haben, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen", sagt Konzern-Vizepräsident Ralph Kugler. "Sie sollen nicht unter mangelndem Selbstbewusstsein leiden, ausgelöst durch allzu magere Vorbilder."

Bei führenden deutschen Werbeagenturen fallen die Reaktionen auf den Entschluss, die Knochengerüste aus den Kampagnen zu verbannen, positiv aus. "Ich begrüße das", sagt Bernd M. Michael, strategischer Berater der Düsseldorfer Agentur Grey. Und er glaubt, dass Unilever einem Trend folgt: "In der Werbung findet ein Kampf um die Normalität statt. Wir verabschieden uns vom Klischee und zeigen die Menschen so, wie sie sind." Seiner Ansicht nach befindet sich die Werbewirtschaft in einem "Gesundungsprozess".

Auch Jürgen Nerger, Kreativ-Geschäftsführer der Hamburger Agentur Böning.Haube.Nerger, hat beobachtet, dass die Werbung "realistischer wird", da man erkannt habe, dass idealisierte Typen Distanz schaffen. Er hofft, dass Unilever Nachahmer findet. Allerdings glaubt er, dass krankhaft magere Models weniger ein Problem der Werbeindustrie sind als eher ein Problem der Modebranche. "Die Designer können in diesem Zusammenhang am meisten bewirken", sagt Nerger, "das Umdenken muss schon beim Schneidern ansetzen: dass sie keine Kleider für extrem dünne Models entwerfen."

Tatsächlich kommt die Magermodel-Diskussion aus der Modebranche. Seit der superdünnen Britin Twiggy (was soviel heißt wie "Zweiglein") in den sechziger Jahren köchelt das Thema, zuletzt ist es wieder aufgeflammt, als zwei Model-Schwestern aus Uruguay im Abstand von sechs Monaten starben. Beide hatten in den Tagen vor ihrem Tod kaum etwas gegessen. Einige Veranstalter von Modeschauen reagierten und verbannten knochige Mannequins vom Laufsteg.

Bei der internationalen Modewoche von Madrid durften nur Mädchen laufen, deren BMI mindestens 18 betrug - das wären bei einer Größe von 1,75 Metern 56 Kilogramm. Fünf Models wurden wieder heimgeschickt. Auf italienischen Schauen soll jedes Mannequin künftig ein Attest vorlegen müssen, das Magersucht ausschließt. In Spanien bekommen jetzt sogar Schaufensterpuppen mehr Kurven, und selbst Fußballer-Gattin Victoria Beckham, die so dürr ist, dass sie Kindergrößen trägt, will ihre neue Kollektion nicht von Hungerhaken präsentieren lassen.

Nicht alle aber sind so einsichtig. Das britische Supermodel Naomi Campbell etwa ranzte jüngst, man könne "der Industrie nicht die Schuld an einer seelisch bedingten Krankheit geben", und Designer Karl Lagerfeld löste mit der Bemerkung Kritik aus, er habe noch nie ein magersüchtiges Mannequin gesehen. Die Geschäftsführerin der Modelagentur Viva, Andrea Matthias, wurde vom Stern so zitiert: "Bei uns haben bestimmt 60 Prozent der Laufsteg-Models in der Kartei einen BMI von unter 18, und die sind garantiert nicht krank."

Kritik an der Unilever-Aktion kommt denn auch vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. Sprecher Volker Nickel sieht in Deutschland "keinen Regelungsbedarf", was den Einsatz von dünnen Modellen betrifft. Es entstehe mal wieder der Eindruck, die Werbung sei an allem schuld. "Werbung hat keine Voodoo-Wirkung", sagt Nickel, "Magersucht hat verschiedene Ursachen, und die muss man sich ansehen." Er hält die Aktion von Unilever für einen PR-Gag.

© SZ vom 11.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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