Männer-Kolumne:Diese Woche: Norbert

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(Foto: N/A)

Jemand hatte unserer Autorin zum Geburtstag eine Sitzung bei einem Masseur geschenkt, der wohl sehr gut sein sollte. Doch als sie sich auszog und er begann, sie mit Olivenöl zu beschmieren, kam ihr die Sache schon ein bisschen merkwürdig vor.

Von Johanna Adorján

Die Grenzen sind fließend, heißt es oft, wenn es um sexuelle Belästigung geht. Meistens denke ich dann, dass man doch Nein sagen und klar und deutlich seine Grenzen ziehen kann (es sei denn natürlich, es ist Gewalt im Spiel), und es fühlt sich gut und sicher an, so zu denken. Als könne mir nichts passieren. Aber dann fiel mir neulich wieder diese eine komische Situation ein.

Jemand hatte mir zum Geburtstag eine Sitzung bei einem Masseur geschenkt, der wohl sehr gut sein sollte und der auch, ich weiß nicht mehr wie genau, zum erweiterten Freundeskreis gehörte. Ich war damals noch massageunerfahren, zu jung, zu arm, unter Umständen war es die erste Massage meines Lebens. So war mir zum Beispiel nicht klar gewesen, dass man sich dafür ausziehen muss. Also jedenfalls bis auf die Unterhose. Aber klar, leuchtete mir schon ein, dass das so gehandhabt wurde, aber es verunsicherte mich auch. Glücklicherweise begann die Massage am Rücken. Es roch nur irgendwie komisch. Die Sitzung fand in einem kleinen Raum im Spabereich eines Hotels statt, aber irgendwie roch es nach Pizza. Norbert, der Masseur, erklärte, dass ihm sein Massageöl ausgegangen sei und er als Ersatz Olivenöl verwende. Okay. Bisschen seltsam, aber nicht so schlimm. Die Rückenmassage war angenehm, dann sollte ich mich umdrehen.

Es gibt Situationen, in denen man sich schlechter wehren kann, als man sollte

Ich drehte mich also um, und Norbert deckte nicht schützend ein Handtuch über mich, sondern begann im Gegenteil, meine Brüste zu kneten. Ich war entsetzt. Gleichzeitig absurderweise bemüht, irgendwie locker zu wirken und unverklemmt, um meine riesige innere Not zu überdecken. Ich wollte auf keinen Fall, dass dies eine unangenehme Situation zwischen uns wird, und ließ die für mich extrem unangenehme Situation deswegen über mich ergehen. Warum? Weil Norbert irgendwie jemand aus dem Bekanntenkreis war. Weil ich mir nicht sicher war, ob das unter Umständen zu einer Massage dazugehörte. Weil ich so gut wie nackt war und dadurch unsicherer als sonst. Weil ich auf dem Rücken lag, was die Unsicherheit noch mal verstärkte. Weil ich dachte, das dauert nur ganz kurz, das hört gleich auf, einfach schnell ausharren, dann ist es geschafft. Weil ich nichts falsch machen wollte. Weil ich nicht aus einer möglicherweise vollkommen natürlichen und normalen Situation eine peinliche machen wollte. Weil ich mich hässlich fühlte, zu dick, nicht perfekt, was man halt so alles an sich auszusetzen hat als junge Frau, was insofern eine Rolle spielt, als es mir die Vorstellung, mich aufzusetzen und hinauszugehen, unmöglich machte (in diesem hellen Licht? Nackt??). Weil ich überrumpelt war. Weil alles so schnell ging. Weil ich auf keinen Fall uncool wirken wollte, prüde, verklemmt, warum auch immer, keine bewusste Entscheidung, sondern ein Reflex.

Ich sagte noch nicht mal dann etwas, als Norbert mir abschließend noch "eine Rückmeldung" gab, während ich immer noch nackt auf dem Rücken lag und er angezogen neben mir stand: Ich sei die ganze Zeit "sehr in meinem Kopf" gewesen, hätte mich nicht richtig fallen gelassen. "Ach nee, du Idiot", sagte ich nicht und auch sonst nichts, und ich kann wirklich nur hoffen, dass ich zuletzt nicht auch noch Trinkgeld gegeben habe, als Wiedergutmachung für die ganzen blöden Gefühle, die ich seinetwegen hatte.

© SZ vom 26.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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