Luxushotels für Hunde:"Wir machen kein Schicki-Micki"

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Der moderne Hund zwischen Luxus, Erziehung und Partnerschaft: Hundetrainer Michael Grewe über des Menschen bester Freund in unserer Gesellschaft.

Violetta Simon

Im Dezember eröffnet im Münchner Norden Deutschlands erstes Luxushotel der Hundehotelkette "Canis Resort" seine Pforten. Neben edler Unterbringung und Verpflegung bietet das Resort auch ein "ganzheitliches Trainingsangebot" für Hund und Herr. Michael Grewe, Leiter des "Canis"-Zentrum für Kynologie, bildet staatlich zertifizierte Hundetrainer aus und bereitet die Mitarbeiter des Hunde-Resorts auf ihre Aufgabe vor. Der 50-Jährige lebt mit Frau, Kindern und fünf Hunden in Schleswig-Holstein. Ein Gespräch über Sinn und Unsinn von Luxus-Hundehotels und welche Rolle Hunde in unserer heutigen Gesellschaft spielen.

Setzt auf partnerschaftliche Autokratie und Natürlichkeit im Umgang mit dem Hund: der international anerkannte Hundetrainer Michael Grewe. (Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Ein Luxushotel für Hunde - in einer Zeit, in der immer mehr Kinder in Deutschland in Armut leben. Wie geht das zusammen?

Michael Grewe: Klar, das klingt widersprüchlich, und das sollte man durchaus kritisch betrachten. Es ist ein Hinweis auf eine zum Teil entrückte Gesellschaft. Aber jeder füllt seinen Bereich aus so gut er kann: Viele Menschen kümmern sich um Kinder und wir uns eben um Hunde. Es nützt nichts, sich auf desolate Zustände zu konzentrieren. Kriege werden geführt, Menschen sterben in diesem Moment, und irgendwo streichelt jemand einen Hund - das ist durchaus ein großer Gegensatz.

sueddeutsche.de: Also sind Sie sich bewusst, dass Sie sich in einem Luxussegment bewegen, das bei manchen Menschen Kopfschütteln hervorruft?

Grewe: Absolut, und ich habe mir darüber viele Gedanken gemacht. Ich habe Biologie und Geologie studiert, komme also ursprünglich aus einer anderen Richtung, einer anderen Denke. Dann wurde mir aber klar, das man auch in diesem Preissegment inhaltlich und werteorientiert arbeiten kann.

sueddeutsche.de: Wie sieht diese Arbeit aus?

Grewe: Unser Zentrum für Kynologie bildet Hundetrainer aus. Auch die Mitarbeiter des Canis Resorts werden hier ausgebildet. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass man dort nicht in eine Dimension abdriftet, die nichts mehr mit dem Hund zu tun hat.

sueddeutsche.de: Was lernen die Hundebetreuer bei Ihnen?

Grewe: Wer mit Hunden arbeitet, muss das Hundeverhalten interpretieren und auswerten können. Er muss wissen, was sein eigenes Verhalten beim Tier auslöst. Er muss sich darüber im Klaren sein, warum Menschen Hunde haben, nicht aber den Hundehalter dafür kritisieren.

sueddeutsche.de: Warum sollten sie das tun? Welche Bedeutung hat denn der Hund für die Gesellschaft?

Grewe: Für die meisten ist der Hund ein Sozialpartner. Der Mensch will soziale Mechanismen über den Hund ansprechen und spüren, dass er nicht alleine ist. Er sucht einen Freund, etwas, das er umsorgen kann. Das ist ein biologisches Grundbedürfnis.

sueddeutsche.de: Ist das der Grund, warum Hund und Herr sich oft so ähneln?

Grewe: Der Hund ist ein Spiegelbild seines Menschen. Während wir in einer Partnerschaft jemanden suchen, der die Lücken schließt, gehen wir beim Hund einen Typus nach dem Prinzip der Similarität. Der Hund repräsentiert den Halter selbst - je nachdem, ob er körperbetont, sportlich, intelligent, schnell oder aggressiv ist.

sueddeutsche.de: Können Sie ein Beispiel nennen?

Grewe: Bomberjackenträger haben oft Pitbulls, durchsetzungsfähige Charaktere mögen Terrier, gemächliche Menschen lieber Hunde mit Hängebacken.

sueddeutsche.de: Wie geht der Trainer nun auf das menschliche Grundbedürfnis nach sozialer Bindung zum Hund ein?

Grewe: Über den Begriff der Partnerschaft. Den muss man neu definieren. Viele Eltern erziehen ihre Kinder partnerschaftlich, ebenso wie Menschen ihre Hunde. Einige Pädagogen werden jetzt laut aufschreien. Aber man kann ein Kind nicht partnerschaftlich erziehen, weil die Rechte zu gleichen Teilen belegt werden müssten. Ein Kind dürfte dann kommen und gehen, wann es möchte, und ein Hund würde den Menschen bedrohen, beißen, ihn jagen, wenn ihm danach ist.

sueddeutsche.de: Dann sehen Sie Parallelen zwischen Kinder- und Hunde-Erziehung?

Grewe: Durchaus. Die Grundstruktur ist fast parallel. Es ist eine soziale Gruppe, für die jemand die Verantwortung trägt, es muss Grenzen geben, damit man sich integrieren kann, und Freiräume, damit sich jeder entwickeln kann. Kinder können Sie auch nicht einfach in eine Gruppe stecken und sich selbst überlassen. Man muss sich mit ihnen beschäftigen und präsent sein - mit seinem Wissen und Gefühl.

sueddeutsche.de: Sind Sie auf diese Gemeinsamkeiten durch die Erziehung ihrer Kinder gekommen?

Grewe: Nein, es war eher umgekehrt. Mittlerweile ist es ohnehin offensichtlich: Im Fernsehen gibt es Sendungen über Kindererziehung ebenso wie für Hunde. Auch in der Literatur, etwa in Büchern wie "Warum unsere Kinder Tyrannen werden", werden dieselben Defizite besprochen wie in einer Mensch-Hund-Beziehung. Zum Beispiel hat man untersucht, warum Menschen ihren Kindern oder Hunden keine Grenzen setzen. Die Standardantwort: "Ich habe Angst, nicht mehr geliebt zu werden." Das ist nicht nur ein persönliches Versagen - das ist Zeitgeist. Die Gesellschaft ist so unklar, so überinformiert, dass keiner mehr weiß, was richtig und was falsch ist.

Was sind das für Leute? Fortsetzung nächste Seite ...

sueddeutsche.de: Was sind das für Leute, die zu Ihnen kommen?

sueddeutsche.de: Ganz normale Menschen. Dennoch: Die Hundehalter können so verquert sein, wie sie wollen - auch darauf gehen wir ein. Wir holen die Menschen dort ab, wo sie stehen. Wir machen ihnen keine Vorwürfe, weil das sowieso nichts bringt. Letztlich findet - über den Hund - eine Entwicklung statt. Der Mensch muss wissen, wie er sich verhält, damit er mit seinem Hund klarkommt.

sueddeutsche.de: Dann sind es die Menschen, die das Training benötigen?

Grewe: Genau. Die Hunde sind nicht das Problem, der Mensch muss den richtigen Umgang mit ihm erlernen. Was Hunde ausmacht, ist ihre extreme Anpassungsfähigkeit. Heute erleben wir es allerdings immer öfter, dass der Mensch sich an den Hund anpasst.

sueddeutsche.de: Wie sieht das aus - bellt er ihm was vor?

Grewe: In den vergangenen Jahren waren Beschwichtigungssignale ganz hipp, da musste der Mensch gähnen oder einen Bogen gehen, um dem Hund auf sein Verhalten zu antworten. Der Hund schätzt dieses Entgegenkommen jedoch nicht, er wird immer mehr explorieren und seine Bereiche ausbauen.

sueddeutsche.de: Wie kommen Sie dem Hund entgegen - muss er "bei Fuß" gehen oder "Platz" machen?

Grewe: Wir vermitteln keine Inhalte aus dem Hundesport. Der Befehl "bei Fuß" stammt aus der Dressur, Erziehung hingegen stellt eine soziale Interaktion dar. Die Hundehalter lernen unter anderem, mit dem Aggressionsverhalten ihres Hundes zurecht zu kommen. Das ist wichtiger als Kunststücke.

sueddeutsche.de: Und der Hund - lernt der auch etwas?

Grewe: Der Hund lernt, seinen Menschen zu sehen, zu werten, zu schätzen.

sueddeutsche.de: Das Luxus-Resort betont die artgerechte Behandlung der Hunde. Ist es artgerecht, seinen Hund in einem Luxus-Hundehotel unterzubringen, damit man in den Golfurlaub fahren kann?

Grewe: Der Begriff "artgerecht" ist beim Hund nicht klar definiert. Was ihn ausmacht, ist das Beisammensein mit dem Menschen. Nur dadurch hat er sich vom Wolf hin zum Haustier entwickeln können. Überlegen Sie nur mal, was Hunde in den vergangenen Epochen alles mitgemacht haben - da gab es den Schoßhund, den Jagdhund, die Kettenhunde, denen man die Pfoten abgehackt hat, damit sie nicht jagen. Wir sprechen immer von artgerecht, und dann fressen Hunde ein Leben lang Fertigfutter oder müssen in Städten leben. Man sollte sich lieber fragen: Passt ein Hund in Singapure in den zwölften Stock?

sueddeutsche.de: Da ist ein Luxushotel natürlich angenehmer.

Grewe: Sicher, das Resort ist eine Unterbringung auf hohem Niveau, die Hunde werden rund um die Uhr betreut, optimal ernährt und in exklusiven Lodges untergebracht. Doch da sehe ich wirklich keinen Widerspruch, weil das Zuhause dieser Hunde ebenfalls luxuriös ist.

sueddeutsche.de: Es gibt Hotels, in denen Hunde aufs Laufband gestellt, massiert und ihnen die Krallen lackiert werden. Bietet das Canis Resort so etwas auch an?

Grewe: Nichts von alledem. Was wir machen, ist kein Schicki-Micki. Das Verhalten der Hunde und der Umgang mit ihnen sind herzlich und ganz normal. Wir wollen zwar die hochpreisige Ebene betreten. Das heißt aber nicht, dass jeder, der Geld hat, neben der Spur läuft. Das wäre ja schlimm.

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