Lokaltermin:Moarwirt

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Obwohl noch ein Stück von Berg und See entfernt, ist der Moarwirt im bayerischen Voralpenland längst zu einem Ausflugsziel geworden.

Von Max Scharnigg

Im blinden Fleck zwischen den beiden Autobahnen, die Oberbayern durchschneiden, liegt auf einem lieblichen Hügel der Weiler Hechenberg. Er hat ein derart intaktes Dorfensemble, dass man die Fassaden auf ihren Styroporgehalt abklopfen möchte. Aber nein, Dorfschule, Kirche, Bauernhof und Wirtshaus stehen hier noch als ehernes Quartett der guten, alten Zeit, als hätte es nie eine neue gegeben. Nur freilich, der große Parkplatz in der Dorfmitte, auf dem dicht die Allradautos der Münchner parken, der stört das Heimatglück ein bisschen.

Aber er zeigt auch an, dass es diesem Wirtshaus trotz exponierter Lage gelungen ist, sich eine Stammkundschaft zu erziehen. Im Sommer lockt zusätzlich ein Biergarten, der dank der Aussicht ins Tölzer Land regelmäßig mit szenetypischen Superlativen bedacht wird. Ja, der Moarwirt ist ein Begriff für Genuss-Apostel zwischen Marienplatz und Kitzbühel. Im oberen Stockwerk bekommt ein Grüppchen begeisterungsgeröteter Herren mit aufgekrempelten Hemdsärmeln einen Kochkurs verpasst, unten in der Stube wird man beflissen herzlich empfangen und kann sich glücklich schätzen, wenn man reserviert hat. Etwas seltsam ist die Ausstattung der Gasträume, weil zu den üblichen Massivholztischen und Bänken unregelmäßig nüchterne Lounge-Drehstühle gestellt wurden. Das sieht leider aus, als hätte man bei einer Familienfeier noch schnell die Stühle aus dem Büro dazugeholt und es ist nicht wirklich angenehm, vor dem traditionellen Gedeck so drehbar gelagert zu sein. Auch sonst kann sich die Einrichtung nicht ganz zwischen Heimat und warmem Purismus entscheiden, tendiert aber zu letzterem. Vermutlich gehört das alles zu dem Twist, mit dem die ambitionierte Moarwirt-Besatzung rund um Koch Florian Lechner auch in der Folge das ehrwürdige Wirtshausprinzip aufbohrt. Der Service jedenfalls ist dann wieder ländlich resch und gutsherrenhaft-lässig: "Habt's jetzt was gfunden?" Das ist nicht schwer, die Speisekarte verfügt über eine Mundwasser-Direkteinspritzung. Man sitzt also in Vorfreude dort oben auf dem Hügel, hat den befremdlichen Bürostuhl ausgewechselt und denkt endlich an Ludwig Thoma. Der hätte sich allerdings nie zu einem Mango-Spritz (6,20 Euro) überreden lassen, für den es eindeutig noch ein bisschen zu kalt ist (eigentlich immer).

(Foto: N/A)

Aber dann, dann passiert etwas. Ein Caesar Salad (12 Euro), um genau zu sein. Eigentlich ein Gericht, das niemals die Stadtgrenzen verlassen darf, erfunden für Hotellobbys und Hochhäuser. Aber dort hat es auch noch nie eine solche Hühnerbrust dazu gegeben, eine, die derart deutlich Landhuhn schreit und schlicht perfekt behandelt wurde. Knusprige Haut und weichdampfendes Fleisch. Was für eine Sensation so ein echtes Huhn sein kann, hat man ja schon fast vergessen. In diesem glücklichen Fall kooperiert es genau richtig mit Dressing und Salat. Kein zu stumpfes Parmesan-Gefühl, kein noch so leiser Grünfutter-Verdacht, sondern die Magie dieses Klassikers korrekt wiedergegeben. Wow, Vorspeise! Und wie wird jetzt erst das Böfflamot (24 Euro)?

Dieses, historisch verballhornte, "Bœuf à la mode", gehört zu den Signature-Gerichten hier und wird, wie die Karte stolz vermeldet, sagenhafte 36 Stunden in Barolo geschmort. Ob das wirklich sein muss oder auch sechs Stunden gereicht hätten, darüber streiten sich die Gerichtsmediziner. Klar ist, dass dabei der Barolo zu einem segensreichen Balsam destillierte und die Ochsenschulter so weich wurde, dass Messer und Gabel seltsam übertrieben wirken. Verstörend sind die sog. Kartoffelknödel am Tellerrand: Drei grießgelbe Golfbälle, die vor allem nach Ei und Sahne schmecken und eine seltsam nicht-porige Struktur haben. Mit ihnen die wunderbare Soße fassen zu wollen, ist nahezu unmöglich, man sehnt schwammige Durchschnittssemmelknödel herbei, anstatt mit den feisten Eierstichbällchen herumzutunken. Beilagenknödeln zu viel Eigencharakter zu verpassen ist ungefähr so, wie den Schlagzeuger einer Band ganz vorne an die Bühne zu stellen - es lenkt ab. Vielleicht ist es aber auch nur eine vom Gast falsch verstandenen Finesse, diese Knödel, die keineswegs das bukolisch-barolische Gesamterlebnis infrage stellen, aber doch stutzig machen. Ganz frei von Firlefanz ist der stolze Moarwirt eben nicht, auch auf der Homepage wird ein bisschen zu viel scharwenzelt, von Alpenloft und Schlemmerkochkurs liest man da und ach! Offenbar reicht es nicht, doch nur ein sehr gutes Wirtshaus sein zu wollen, das immerhin seit Jahren auch vom Gault Millau wohlwollend bedacht wird.

Trotzdem, die Gesichter an den vollbesetzten Tischen ringsum sind glücklich, obwohl die Preise doch deutlich jenseits sonstiger Bauernstuben liegen. Aber die Qualität stimmt, und das Erlebnis Moarwirt Hechenberg kauft man auch. Zu- und Abgang zum Restaurant sind etwas rumpelig und nicht ganz standesgemäß, wegen der gleichsam untergebrachten Landhotel-Empfangs-Architektur drückt man sich so seitlich hinaus in den Garten. Allerdings nicht, ohne noch den Stand mit Hausprodukten in Augenschein zu nehmen, der wirklich nett gemacht ist. Klar, das gute Produkt, auf das ohnehin ständig hingewiesen wird, gibt es natürlich auch noch für zu Hause, das gehört zum modernen Gastro-Erlebnis dazu. Die Limonade mit Birne und Latschenkiefer hat dabei auf jeden Fall das Zeug zur neuen Bionade.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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