Lokaltermin:Hofmeisterei Hirtzberger

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Die Wachau galt kulinarisch lange als ein museal. Doch nun tut sich viel bei den Gastronomen - zum Beispiel in einer Hofmeisterei.

Von Katharina Seiser

"Fahren wir über die Wachau?", ist eine nicht selten gehörte Frage von Reisenden, die es auf dem Weg von Salzburg nach Wien (oder umgekehrt) nicht ganz so eilig haben. Und wer es sich zeitlich leisten kann, die Westautobahn links oder rechts liegen zu lassen, der sollte das ruhig tun, weil ein kleiner Schlenker hier mittlerweile schnell mit großem Genuss belohnt wird. In der Wachau residieren nicht nur die weltweit gefeierten Wachauer Winzer und vor allem deren tief in den Urgesteinsböden verwurzelten Weinstöcke. Seit ein paar Jahren tut sich auch gastronomisch viel in dieser zwar hoch geschätzten, aber auch immer als etwas museal und starr geltenden Region. Im Frühjahr gibt es seit knapp zehn Jahren das Wachau Gourmet Festival. Im berühmtesten Restaurant weit und breit, dem Landhaus Bacher, steht inzwischen Lisl Wagner-Bachers Schwiegersohn Thomas Dorfer an der Front und zeigt, wie eine zeitgemäße Küche ausschauen kann, die dem Weltklasseniveau der Weine entspricht. Und jetzt wurde auch der ehemalige Florianihof als "Hofmeisterei Hirtzberger" im winzigen Wösendorf an der Donau neu eröffnet. Ein halbes Jahr hat die Generalsanierung des in seinen Grundfesten 800 Jahre alten Gebäudes gedauert - und es hat sich ausgezahlt.

Wer vorab online auf die Speisekarte schaut und nur eine Edelversion einer gutbürgerlichen Landhausküche dahinter vermutet, wird vor Ort eines Besseren belehrt. Was auf den Teller kommt, zeugt von aus dem Effeff beherrschtem Handwerk und der Liebe zum Detail - leider keine selbstverständliche Kombination.

Aber zuerst zum Ort: Quasi vor der Haustür fließt die Donau Richtung Wien. Hinten hinaus verheißen steile Weingärten auf kunstvoll angelegten, uralten Terrassen besten Stoff in den Gläsern. Das Gewölbe, in dem der Großteil des neuen Restaurants untergebracht ist, weist auf die lange Geschichte hin, wie Patron Hartmuth Rameder erklärt. Ein Lesehof des oberösterreichischen Stiftes St. Florian sei es ursprünglich gewesen, über die Epochen hinweg verändert und immer wieder ergänzt. Die Winzerfamilie Hirtzberger hat das Anwesen 2014 ersteigert und sich mit Erwin Windhaber in der Küche und Rameder als Gastgeber erfahrene und motivierte Pächter geholt. Hirtzberger? Klingt das nicht nach Weinnamen wie "Rotes Tor", "Honivogl" oder "Singerriedel"? Genau, die Grünen Veltliner und Rieslinge von diesen Spitzenlagen, andere "hauseigene" und die ebenso legendären Weine vieler Kollegen sind hier natürlich auch glasweise zu haben, stets perfekt aufs Essen abgestimmt. Das Fachsimpeln des Personals mit den Stammgästen an ungefähr jedem zweiten Tisch kann ein bisserl Zeit in Anspruch nehmen, was aber nichts macht, weil trotzdem alle Gäste mit der gleichen Fröhlichkeit bedacht werden.

Auf der Karte stehen Wirtshausklassiker wie Festtagssuppe, geröstete Leber mit Erdäpfelpüree und Nussbuchteln genauso wie elegante Fischgerichte und französische Taube. Da will sich einer in der Küche nicht festlegen lassen und eine gewisse Frankophilie gar nicht erst leugnen. Und weil beides gleichermaßen gut gelingt, muss man sich auch nicht entscheiden.

Die Rindssuppe bekommt man selbst eine Autostunde weiter östlich im Rindfleischweltkompetenzzentrum Wien selten so perfekt, das Grießnockerl hat den gewünschten Kern und der Leberknödel ist endlich einmal nicht quietschend trocken durchgekocht, sondern darf noch rosa und cremig sein. Die Artischocken, die anderswo schon Saison haben, samt geschmacksfreien Tomaten, die sie offenbar zwingend begleiten, muss man um die Jahreszeit ja nicht unbedingt essen. Der Huchen, auch Donaulachs genannt, mit Fenchel und Orangenbutter schmeckt dafür so himmlisch, dass man sich sogleich wünscht, ihn auch beim nächsten geplanten Besuch im Sommer wieder auf der Karte zu finden, allen guten Vorsätzen, saisonal zu essen, zum Trotz. Und die Leber mit Äpfeln und Püree schmeckt im besten Sinne wie von der Oma. Die hätte die zart geräucherte Taube möglicherweise nicht so perfekt hingekriegt und wohl auch keine Geduld für eine so dichte, klassische Sauce dazu gehabt.

Unter der Speisekarten-Position "Blauschimmelkäse mit Quitte" stellt man sich gewiss keine dünnen Ravioli, vor, die nicht nur gekonnt mit dem Käse gefüllt, sondern auch eine wahre Freude sind. Die Bananenschnitte wiederum, ein in Österreich sonst eher an die 80er-Jahre erinnerndes Blechkuchenungetüm aus Biskuit, reichlich Bananen, buttriger Vanillecreme und Schokoglasur, kommt hier als aufgespritztes Türmchen mit Rum-Eis auf den Teller. Das macht Spaß und schmeckt. Die Buchteln, gleich vier, sind mit Walnüssen gefüllt (es könnten sogar die raren roten Nüsse von den drei Bäumen im Gastgarten sein). Sie kommen brennheiß aus dem Ofen und sind zu Recht ein kleines Servierspektakel.

Trotzdem ist das hier keine Anbiederungsgastronomie, wie man sie oft aus touristisch überlaufenen Gegenden kennt, sondern echte Gastfreundschaft. Man sollte wieder öfter über die Wachau fahren.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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