Lebensmittelindustrie:"Alle machen auf Bio und fairen Handel"

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Sogar Discounter werben mittlerweile mit fair gehandelten Produkten - Transfair-Geschäftsführer Dieter Overath über Ethik als Image-Faktor.

Hannah Beitzer

Der Verein Transfair e.V. vergibt seit 1992 ein Siegel für fair gehandelte Produkte in Deutschland. Wichtige Kriterien sind unter anderem, dass die Produzenten in der Dritten Welt ihren Arbeitern einen bestimmten Mindestlohn zahlen und die sozialen Bedingungen vor Ort verbessern. Erfährt das Gütesiegel derzeit eine Inflation?

Dieter Overath ist Chef des Vereins Transfair e.V.. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Unternehmen wie die Kaffeehaus-Kette Starbucks verkaufen fair gehandelte Produkte. Liegt Fairtrade inzwischen ebenso im Trend wie Bio?

Overath: Ja. In den letzten vier Jahren hat sich der Markt rasant entwickelt. Das hängt sicherlich mit der sogenannten Lohas-Bewegung (Lifestyle of Health and Sustainability) zusammen, alle Hollywood-Stars machen auf Bio und Fairtrade. Das wollen andere dann natürlich auch.

SZ: Nicht nur die Reichen und Schönen kaufen Fairtrade. Sogar immer mehr Discounter wie Lidl oder Penny bieten jetzt fair gehandelte Produkte mit Ihrem Siegel an.

Overath: Mit Sicherheit hat fairer Handel seinen Weg von der Nische in den Mainstream gefunden. Nicht nur Leute, die dem Gutmenschen-Klischee entsprechen, wollen fair gehandelte Produkte, sondern 16 Millionen Konsumenten allein in Deutschland.

SZ: Konzerne wie Lidl gelten ja nicht gerade als sonderlich sozial. Verträgt sich das mit den Zielen von Transfair?

Overath: Zunächst einmal sind wir kein Unternehmens-TÜV. Wir können nicht die Aufgaben der Gewerkschaft übernehmen. Trotzdem steigt natürlich durch den Handel mit Fairtrade-Produkten der Druck auf die Unternehmen, sich auch in anderen Belangen korrekt zu verhalten. Außerdem: Wenn wir erst warten würden, bis die Unternehmen in allen Belangen moralisch einwandfrei handeln, dann lassen wir damit auch die Bauern in Guatemala warten.

SZ: Also sind Sie bereit, in moralischen Fragen auch mal ein Auge zuzudrücken?

Overath: An dieser ganzen Diskussion um Moral, fairen Handel und Bio ärgert mich besonders, dass zwar alle nach Nachhaltigkeit schreien, der Preisdruck auf dem Markt aber gleich bleibt. Lidl ist nicht die Caritas. Die investieren nur in bessere Bedingungen, wenn die Konsumenten das verlangen. Es liegt also an den Verbrauchern selbst, bessere Bedingungen einzufordern. Unabhängig davon ist es für uns erstmal wichtig, unsere Produkte einer breiten Schicht an Konsumenten zugänglich zu machen.

SZ: Bedeutet das die Entwicklung weg vom klassischen Eine-Welt-Laden?

Overath: Die Eine-Welt-Läden müssen sich verändern, weil sich auch das Verhalten der Konsumenten verändert hat. Nicht jeder Käufer möchte über die Situation auf dem Weltmarkt belehrt werden, wenn er kurz einen Kaffee kauft. Auch hier müssen Genuss und Service stärker in den Mittelpunkt rücken.

SZ: Also spielt die politische Dimension heute eine geringere Rolle?

Overath: Mit Weltbetroffenheit allein verkauft man nichts mehr. Die Zeiten, in denen man auf der Nicaragua-Demo fair gehandelten Kaffee in sich reinschüttet, der einem die Magenschleimhaut verätzt, sind vorbei. Die Qualität muss stimmen.

© SZ vom 3.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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