Lady-Di-Biographie:Ein Aschenputtel wird zum Star

Lesezeit: 4 min

Vom pummeligen Landmädchen zur Prinzessin und zum internationalen Star: Die Biographin Tina Brown beschreibt die Karriere der Lady Di als großes Emanzipations-Epos.

Von Hans-Jürgen Jakobs

In den letzten Wochen vor ihrem Tod hatte Lady Diana ein grundlegendes Problem - jedenfalls, wenn es nach der Autorin Tina Brown geht: "Ihr neuer Hof konnte zwar ihr Ego schützen, nicht aber ihre Person." Gemeint ist die Familie des Millionärs Mohammed al Fayed, dessen Sohn Dodi auf seinen Wink hin der neue Liebhaber der englischen Prinzessin geworden war. Diesen Dodi schildert Tina Brown in "Diana - die Biographie" als verkorksten Typen, als sprunghaften Playboy, der sich mit den Preziosen des Vaters schmückte.

Dieses Foto diente oft als Motiv auf den Devotionalien, die nach Dianas Tod den Souvenir-Markt überschwemmt haben. (Foto: Foto: AP)

So wie am Abend des 30. August 1997, als Diana und Dodi zusammen mit ihrer Entourage durchs abendliche Paris irren, um irgendwann im väterlichen Hotel Ritz zu landen - und schließlich, verfolgt von Paparazzi, zur Fahrt in den Tod starten. Um 0.23 Uhr fährt der betrunkene Fahrer die Limousine im Tunnel gegen die Leitplanke.

Weil sich der Todestag heuer zum zehnten Mal jährt, ist das Interesse der vielen Lady-Di-Fans groß, und Tina Brown bemüht sich, anders als die zahlreichen bereits existierenden Diana-Bücher, eine besondere Perspektive im Auge zu haben: die der "Women's Lib". Bei ihr geht es darum, den Werdegang eines schüchternen, romantischen Mädchens zu einem charismatischen, engagierten Star als Emanzipationsroman zu schreiben - in dem nur die Familie al Fayed als Fehlbesetzung zu bezeichnen ist.

Die Autorin hatte einst als Redakteurin des britischen Society-Magazins Tatler Bekanntschaft mit Diana gemacht, ehe sie nach New York verschwand, um dort nacheinander die Redaktion von Vanity Fair und des New Yorker zu leiten.

Ein Märchenprinz muss her

Viel Mühe gibt sich die Lady-Di-Kennerin mit der Beschreibung der Familie Spencer auf Schloss Althorp. Die Eheprobleme des einst flamboyanten Earl Spencer und seiner ersten Frau Frances Fernoy werden in extenso analysiert, ebenso der Kampf der Kinder gegen die Schwiegermutter Raine - und geben so den Boden ab für all die psychologische Erklärungen, warum schon Jungfrau Diana Spencer beizeiten daran glaubte, Charles zu heiraten, den Sohn von Queen Elizabeth II., den Thronfolger von England: Bei so viel Unglück musste ein Märchenprinz her.

Diese Lady Diana Spencer schafft keinen Schulabschluss, ist früh schon auf romantische, vielleicht etwas pummelige Art schön, liebt das Landleben und zeigt ansonsten viel Mitgefühl bei sozialer Arbeit, zum Beispiel mit Kindern. Empathie bleibt Zeit ihres Lebens die Hauptstärke.

Dann zieht das Landei nach London und erledigt Aschenputtel-Jobs, zum Beispiel Putzen, ehe sie 1980 in das Leben des aktiven Junggesellen Charles einbricht. Viele Frauen umschwirren den Prinzen, der aber am liebsten Kontakt zu seiner inzwischen verheirateten Jugendliebe Camilla Parker Bowles hält, seiner heutigen Frau. In diesem Testosteron-Chaos erscheint Lady Diana Spencer der königlichen Familie als Naturerscheinung der Tugend - und geeignet, Prinzen zur Welt zu bringen.

Die Geschichte einer Ehe-Entfremdung beginnt ... auf der nächsten Seite

Doch der Zauber hält nur kurz bis nach der Hochzeit am 29. Juli 1981. Dann werden der Prinzessin von Wales die vielen Jagden und Fischtouren langweilig, und erst recht hasst sie die langen Familienabende im schottischen Schloss Balmoral mit Elizabeth II. und Prinz Philip. Das sei "fast wie eine Allergie" gewesen, erzählt Tina Brown. Auch Cherie Blair sei es so gegangen.

Zur Konversation kann Diana, die nur die schwülen Liebesromane von Barbara Cartland kennt und seriöse Zeitungen meidet, nichts beitragen. Und es wird klar, dass Diana mehr in die Idee einer Märchenprinzessin verliebt war als in Charles. Sie fühlt sich wie lebendig begraben, erst recht, als die Söhne William und Harry geboren waren.

Zu dieser Zeit aber wird die unglückliche Lady Di zunehmend zum Star der Medien, die sie in allen Posen ablichten - und deren Starqualitäten sehr mit dem steifen königlichen Getue kontrastieren. Es beginnt, unter öffentlicher Anteilnahme, die schleichende Geschichte einer Ehe-Entfremdung - mit Camilla und Diana-Geliebten wie Hauptmann Hewitt, mit Indiskretionen und abgehörten Gesprächen, die vom Leben eines Tampons handeln, mit dem Kampf der Prinzessin gegen den Buckingham Palast. Für die britische Presse ist das Ehedrama ein wunderbares Thema, und Tina Brown bereitet in ihrer Biographie all die Schnurren mit Akribie auf.

Diana hat es stets verstanden, mit ihren guten Kontakten zu Boulevardjournalisten Themen zu setzen - das war ihre Waffe gegen den königlichen Machtapparat. "Ich habe keine Lust, morgens nach dem Aufstehen zu lesen, was meine verrückte Frau mal wieder angestellt hat", hatte Prinz Charles einmal Anfang der neunziger Jahre gesagt.

Intelligenz in stilvoller Garderobe

Am Ende stehen Trennung (1992) und Scheidung (1996) - und das neue Leben der Diana, die sich hernach stets unglücklich verliebt, dabei immer sexier wirkt und in politischer Mission überzeugt, zum Beispiel im Kampf gegen Landminen. Dass sie dumm wie Bohnenstroh sei, wie Diana selbst einmal behauptet hatte, sagt nun niemand mehr. Sie schließt Freundschaften mit Personen wie Katherine Graham, der Verlegerin der Washington Post. Sie trägt raffinierte Kleider, die sie begehrenswert machen. Sie wird zur Ikone.

Irgendwann bedauert sie, was geschehen war. "Wir hätten ein so tolles Team sein können", erklärte Diana 1997 zu ihrer gescheiterten Ehe. "Doch die Abwärtsspirale drehte sich weiter", befindet die Biographin Brown nüchtern am Ende ihres dicken Werks, und damit meint sie die von ihr erkannten Bösewichter im Leben der Prinzessin: die Familie al Fayed.

Erst als Diana gestorben war, setzte sich Charles tatsächlich einmal gegen seine Mutter durch: Er überführt seine frühere Frau mit königlichem Gepränge von Paris nach England. Bei der Trauerfeier gelingt es dem frisch eingesetzten Premier Tony Blair dann, Dianas Tod für New Labour zu instrumentalisieren. "Diana hat uns eine neue Art gelehrt, Briten zu sein", meinte Blair zur Autorin.

Wie die junge Dame aus Althorp somit wirklich zu einer Prinzessin geworden war, das beschreibt Tina Brown voller Bewunderung. Da bejubelt sie den Aufstieg einer Frau, deren Tod Großbritannien genauso zu etwas Besonderem machte wie die kitschige Hochzeit viele Jahre zuvor. O-Ton Brown: "Mit Dianas Tod hatte für die Monarchie die Stunde der Wahrheit geschlagen, denn es konnte nicht länger ignoriert werden, wie realitätsfremd sie geworden war."

Selbst die Queen sei für einen Augenblick menschlich geworden und von Balmoral nach London zurückgekommen, eine Geschichte, die Helen Mirren in The Queen brillant gespielt hat.

William schließlich sei ein Prinz nach Dianas Herzen, ihr Vermächtnis liege in guten Händen, resümiert die Biographin zum Schluss, die eine große Schwäche für Diana gehabt hat. Nun muss William eigentlich nach vielen Irrungen nur noch seine Kate Middleton heiraten - dann wird das nächste Märchen wahr.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: