Kulinarisches Urheberrecht:Patent-Rezept für Pizza

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Nicht alles, was matschig auf dem Teller liegt, darf sich Pizza nennen. Neapels Pizzabäcker sind die schlechten Kopien ihres Teigfladens leid und fordern Schutz von der EU.

Gäste drittklassiger Pizzerien wissen es schon seit langem: Nicht alles, was matschig vor einem auf dem Teller liegt, ist es wert, italienische Spezialität genannt zu werden. Darum suchen nun die Erfinder des belegten Teigfladens Schutz bei der Europäischen Union. Ein italienischer Verein will die Pizza Napoletana als "garantiert traditionelle Spezialität" schützen lassen - viele andere Produkte sind es bereits.

Nur spiralförmig darf das Öl auf diese Pizza. (Foto: Foto: dpa)

Pizza Napoletana: Das Rezept klingt einfach: Teig, Mozzarella, Tomaten, Knoblauch, Oregano, Basilikum. Aber wenn es nach dem 1984 gegründeten Verein der echten neapolitanischen Pizza geht, dann gibt es unter dem EU-Siegel bald strenge Vorschriften bis ins letzte Detail: für die Art des Mehls, die Misch- und Gärzeit des Teigs, die Dicke des Bodens (0,4 Zentimeter mit 10 Prozent Abweichungstoleranz), sogar für die Haltung der Ölflasche (spiralförmig). Wer im Zickzack gießt, würde gegen EU-Recht verstoßen und müsste die "Napoletana" von seiner Speisekarte streichen. Deshalb sagen Kritiker, eine echte neapolitanische Pizza nach Norm könne man nicht einmal in Neapel hinkriegen. Der Teigfladen-Verein bietet für 1000 Euro Schulungen an. In Brüssel soll noch in diesem Jahr über den Antrag entschieden werden.

Steirisches Kürbisöl: Die Kürbiskernkiminalität ist in Österreich ein Riesenproblem. Immer wieder müssen sich Pantscher wegen "Kernöl-Verfälschung" vor Gericht verantworten. Ein Hilfsarbeiter, der 25 Prozent Kernöl mit 75 Prozent billigem Salatöl mischte und die schmierige Fälschung als "100 Prozent echtes Kernöl" verkaufte, wurde zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die geschützte Herkunftsbezeichnung garantiert, dass steirisches Kernöl nur aus den gemahlenen, gerösteten Kernen des Steirischen Ölkürbis (Cucurbita pepo var. styriaca) hergestellt wird.

Spanischer Serranoschinken: heißt so, weil er aus der Sierra, dem Gebirge, stammt. Das besondere an ihm ist, dass er mit Meersalz gepökelt wird und danach mindestens zehn Monate an der frischen Bergluft reift und nicht geräuchert wird. Das macht den mageren, faserigen Schinken so aromatisch, allerdings auch anfällig. Schlecht gelagerter Serranoschinken - etwa über den Tresen verräuchter Bars - wird schnell ranzig. Gemacht wird er aus dem Fleisch hellhäutiger Hausschweine, weshalb er auch Jamón de Pata Blanca ("Schinken von der weißen Pfote") heißt. Kenner schwören auf die edlere Variante, den Jamón Jamón de Pata Negra, der als teuerster Schinken der Welt gilt. Ihn liefern dunkelhäutige, äußerst lebhafte Schweine, die in Steineichenhainen leben und nur Eicheln fressen.

Nürnberger Rostbratwurst: Was eine echte Nürnberger Wurst ist, eine Rostbratwurst, das weiß keiner so genau wie Hartmut Frommer. Von Berufs wegen ist er Nürnbergs Stadtrechtsdirektor, was ihm das zweifelhafte Vergnügen einbrachte, als oberster Herr aller versammelten Nürnberger Wurstschutztruppen auftreten zu müssen. Als solcher hatte Frommer sogar den bizarren, aber sieghaft geführten Kampf gegen ein Münchner Traditionslokal aufzunehmen - das sich Frommer zufolge hundert Jahre lang im Namen vergriffen haben soll: Es nennt sich "Nürnberger Bratwurst Glöckl am Dom", bot indes empörenderweise gar keine echten Nürnberger Würste feil. Vor Gericht wurde es daraufhin noch einmal aktenkundig: Eine Nürnberger Kleinbratwurst kann nur aus Nürnberg kommen. Stammt sie aus Coburg, so schmeckt sie - da fulminant gewürzt - um Dimensionen besser. Darf sich aber namentlich nicht auf die Kapitale der Franken berufen.

Meißner Fummel: Es muss viel Wein geflossen sein, als man sich in Brüssel entschied, die Fummel zu schützen. Das Gebäck ist nämlich ein Scherzkeks. Die Fummel besteht aus einer hohlen Teigschale, die nach nichts schmeckt, stäubte man nicht Zucker drüber. Vielleicht hat Brüssel auch einfach nur die Geschichte dazu gefallen und da kommt Wein ins Spiel. Dem war ein Postillon zugetan, der zu Zeiten August des Starken zwischen Meißen und Dresden Briefe zustellte, die komplett zerfleddert waren. Weil der Kurfürst Trunksucht vermutete, ließ er ein fragiles Gebäck erfinden, das der Kurier in Gänze bei Ankunft vorzuzeigen hatte. Wer heute aus Meißen einen Fummel heil ans Ziel bringt, soll ein Leben lang das Glück hold sein.

Camembert: Käse: Hat oft eine explosive Wirkung, besonders am Weichkäse sind schon Familien zerbrochen - was der eine für Aroma hält, ist für den anderen eine Zumutung. Im aktuellen Camembert-Krieg geht es um mehr: Traditionalisten kämpfen dafür, dass der von der EU als regionale Spezialität geschützte Käse aus der Normandie nur aus Rohmilch gemacht werden darf. Großproduzenten wollen "echten" Camembert auch aus pasteurisierter Milch herstellen. Camembert-Liebhaber wittern eine Verschwörung, sie sehen die französische Esskultur gefährdet. Nun haben die Puristen den Sieg davongetragen: Das begehrte Gütesiegel AOC gibt es nur noch für Rohmilch-Produkte.

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