Kommentar:Letzte Rettung Heroin

Sucht ist eine Krankheit, das hat das Bundessozialgericht 1968 festgestellt. Eine schwere, jahrelange Sucht nach der Teufelsdroge Heroin ist eine schwere, eine lebensbedrohliche Krankheit. Bei der heroingestützten Behandlung geht es darum, Leben zu retten.

Nadeschda Scharfenberg

Seit fünf Jahren dürfen sich einige hundert hochgradig Süchtige, bei denen jede Therapie gescheitert war, für einen Modellversuch täglich unter Aufsicht jene Droge spritzen, die sie krank gemacht hat.

Vorbereitung einer Heroinspritze in der Abgabestelle in Bonn. (Foto: Foto: AP)

Diese Regelmäßigkeit gibt ihnen Stabilität, holt sie heraus aus der Gedankenmühle: Woher kriege ich den Stoff, wie bezahle ich ihn? Die Patienten haben wieder Zeit, ihr Leben zu organisieren.

Viele finden Arbeit, eine Wohnung; sie zahlen wieder Steuern, Sozialabgaben, Kassenbeiträge. Sie lösen sich aus der Szene, stehlen und betrügen nicht mehr.

Und sie werden seltener krank, weil sie sich nicht mehr den schmutzigen Straßenstoff drücken, sondern reines Heroin. Für die vormals hoffnungslosen Fälle ist die Heroin-Behandlung geeigneter als die mit dem Ersatzstoff Methadon. So urteilen die Wissenschaftler, die den Modellversuch begleiten, und so zeigen es die Erfahrungen in der Schweiz und den Niederlanden.

Dennoch steht die Herointherapie in Deutschland vor dem Aus, weil die Unionsfraktion im Bundestag sich den nötigen Gesetzänderungen verschließt. Nicht einmal die Appelle ihrer eigenen Bürgermeister wollen die Parlamentarier hören.

Ihr Hauptargument: Eine harte Droge zu legalisieren, wäre ein Dammbruch. Doch es geht nicht um die Freigabe von Heroin, sondern um die Zulassung einer Arznei. Heroin für alle darf es und wird es nicht geben. Das Medikament für Schwerkranke aber sollte es geben. Auch Süchtige haben ein Recht auf Leben.

© SZ vom 8.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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