Kolumne: Mein Bauch gehört mir!:Mit Sternenkraft zum Traumgewicht

Lesezeit: 3 min

Unser Autor vertraute eine Woche lang auf die Astro-Diät, um sein Idealgewicht zu erreichen. Das Resultat war eine außergewöhnliche Essenserfahrung.

Jürgen Schmieder

Am Sternenhimmel ist mein astrologisches Tierkreiszeichen unspektakulär: Zwei Linien laufen da parallel hinab, das Auffälligste am Zwilling ist noch der Sternhaufen M35 daneben. Wenn man abends so dasitzt und sein Sternzeichen anschaut - zwischen dem Kleinen Hund und dem Fuhrmann -, dann könnte man schon ein wenig sentimental werden.

Im Bild: Das Sternbild Pleiades. Nicht im Bild: Zwillinge und ich. (Foto: Foto: AP/iStockphoto)

Der Große Bär, das wäre mal ein auffälliges Zeichen. Oder der Schlangenkopf. Oder, wenn es schon was Kleines sein muss, dann das Haar der Berenike. Aber Zwillinge? Ich darf Ihnen kurz mal aufschreiben, was mein Sternzeichen in dieser Woche für mich bereithält.

Eine zweiwöchentliche Zeitschrift schreibt: "Ein völlig absurder und unnötiger bürokratischer Kleinkrieg ärgert sie." Das nennen die Horoskop, ich nenne das "Dienstag". Eine Tageszeitung dagegen sagt vorher: "Sie dürften erleben, dass andere ihren Einfluss auf massive, vielleicht geradezu destruktive Weise geltend machen." Klingt eher wie die morgendliche Unterhaltung mit unserem Homepage-Chef.

Ich lese Horoskope, weil ich mich in dieser Woche der Astro-Diät verschrieben habe. Mein Sternzeichen ist also nicht nur dafür verantwortlich, dass ich ständig Sachen wie Geldbeutel, Versprechen und eigenen Geburtstag vergesse. Die Sterne sind schuld am Übergewicht! Das ist übrigens Ausrede Nummer 316 in meinem Katalog.

Unheimlicher Diätplan

Ganz ehrlich: Horoskope sind wie Casting-Shows: nett anzusehen, aber ohne jeglichen Sinn.

Aber der erste Satz meiner Sternzeichen-Diät-Charakterisierung macht mich stutzig: "Eine einzelne und langwierige Diät wird dem Zwilling jedoch schnell zu langweilig, er braucht Abwechslung." Beängstigend, oder?

Weiter steht da: "Der Zwilling hat ein sehr flatterhaftes Naturell und eine natürliche Abneigung gegen feste Essenszeiten. In Fastfood-Restaurants ist der Zwilling ein oft und gern gesehener Gast. Mit dem Gewicht hat er meist aber trotzdem nicht zu kämpfen, da ihn seine innere Unruhe ordentlich auf Trab hält." Ich muss mal nachsehen: Ist das ein Horoskop oder meine Biographie? Das ist ja unheimlich.

Der Diätplan sieht vor, mit einem Trinktag zu beginnen. Drei Liter Wasser, dazu verdünnte Obstsäfte. Ich gehe also in den Supermarkt und kaufe Saft: Orange, Kirsche, Grapefruit, 12-Vitamin, Multi-Vitamin, Extra-Vitamin und Super-Vitamin.

Ich soll zuerst die drei Liter Wasser trinken, um den Flüssigkeitshaushalt auf Vordermann zu bringen. Nun muss man wissen, dass ich gemeinhin als Kamel gelte - ein Schluck Orangensaft am Morgen hält bei mir den ganzen Tag.

Bürointerne Rekorde

Nach der zweiten Literflasche fühlt sich mein Magen deshalb an wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon. Wenn ich gehe, habe ich den Eindruck, als hätte man diesen Wasser-Luftballon in meinem Bauch geparkt und würde ihn kräftig durchmassieren. Und beim Laufen gluckert es so komisch, als würde man in der Badewanne den Stöpsel herausziehen und wieder auf den Abfluss drücken.

Bis zum Nachmittag habe ich den bürointernen Rekord im Auf-die-Toilette-gehen leicht gebrochen. Mein Zimmer ist geschätzte 400 Meter vom Badezimmer entfernt - kein Wunder, dass man auf diese Weise abnimmt!

Auf dem Speiseplan steht: Fleisch. Viel Fleisch. Freudentage für Carnivoren wie mich. Der Haken dabei: keine Beilagen, keine Soße, nichts. So ein Stück Fleisch kann verdammt zäh werden, wenn man es lange genug im Mund kaut. Zum Runterspülen gibt es keine Soße, sondern Saft.

Liebe Leser, wenn Sie einen schwachen Magen haben, sollten Sie den nächsten Satz vielleicht überspringen. Beim Mittagessen gab es: zähes Rinderfilet auf Grapefruitsäftchen mit frischem Sprudel. Danach Salat auf Kirschsaft. Diese Kombinationen wählen normalerweise nur schwangere Frauen.

Die Astro-Diät hält auch Tipps bereit, zu welcher Uhrzeit sich der Zwilling ernähren sollte. Das Mittagessen ist laut Horoskop des Zwillings Achillesferse, der mittägliche Kantinenbesuch mein Kryptonit. Also muss es in dieser Woche ausfallen - was meinem Chef gar nicht unrecht ist, weil ich einfach durcharbeite. Dafür nachmittags ein kleiner Snack: Kottelet mit Orangensaft. Lecker, das.

Abends dagegen darf geschlemmt werden - im astrologisch vetretbaren Rahmen freilich. Also gibt es Chicken Wings, ohne die Panierung jedoch. Die muss ich - so will es der Plan - abkratzen. Dazu Kirschsaftschorle und Früchtetee. Ich wette, dass im Lexikon unter dem Begriff "Schlemmen" etwas anderes steht.

Sogar Naschereien sind erlaubt - allerdings keine Schokolade und keine Gummibärchen. Die Astro-Diät stuft doch tatsächlich Lakritze und Rosinen als Süßigkeiten ein. Ganz ehrlich: Da laufen ein paar Sterne im komplett falschen Orbit!

Die Astro-Diät hat ungefähr so viel Spaß gemacht wie ein Logenplatz beim Fußballspiel 1860 München gegen den 1. FC Köln. Ich muss auf die Waage, um zu kontrollieren, ob es denn wenigstens geholfen hat: 91,5 Kilo! Ich habe wieder zugenommen. Die zweite Woche in Folge! Ich stehe kurz vor einem Schrei- und Heulkrampf. Das muss besser werden. Die Sterne haben mir nicht wirklich weitergeholfen.

Deshalb kommt in der kommenden Woche meine Geheimwaffe zum Einsatz. Was das ist, erfahren Sie am kommenden Freitag.

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